§ 623 BGB: zwingendes Recht
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Zahnarzthelfer Z schließt mit Chefin C einen schriftlichen Arbeitsvertrag. Darin vereinbaren sie, dass eine Kündigung abweichend von § 623 BGB keiner Form bedarf.
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Einordnung des Falls
§ 623 BGB: zwingendes Recht
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 1 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die Parteien können das Schriftformerfordernis abbedingen.
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Kathi
24.5.2024, 16:43:51
Hallo Zusammen, heißt das, dass das Formerfordernis auch außerhalb vom Arbeitsrecht nie abbedingbar ist? Oder gibt's da Ausnahmen?
Nora Mommsen
26.5.2024, 11:29:32
Hallo Kathi, danke für deine Frage! Die gesetzlichen Formvorschriften sind zwingendes Recht, können also nicht von den Parteien zur Disposition gestellt werden. Wird gegen eine Formvorschrift verstoßen, § 125 BGB, muss der Richter die Nichtigkeit des Geschäfts von Amts wegen beachten. Vereinbaren die Parteien eine Formvorschrift können sie davon - mitunter auch
konkludent- von abweichen. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
julia_purpose
23.9.2024, 22:02:15
Woran erkenne ich, dass es sich um eine zwingende Norm handelt, die nicht abbedungen werden kann? Gilt das zum Beispiel für § 492 BGB oder § 568 BGB auch?
Sebastian Schmitt
24.9.2024, 08:28:43
Hallo @[julia_purpose](145904), ich nehme an, Dir geht es "nur" um die Formpflicht (insoweit ist die Antwort vergleichsweise simpel), ich antworte aber mal für alle Normen des BGB (dann ist es etwas komplexer). Pauschal ist es nicht leicht zu sagen, ob eine Norm dispositiv ist. Am besten steht einem natürlich ein Kommentar zur Verfügung, in dem man das zur Sicherheit nachlesen kann. Es gibt aber einige Möglichkeiten, es auch anders zu erkennen. Zunächst sind natürlich diejenigen Normen zwingend, bei denen das Gesetz das (ggf in einem bestimmten Umfang) ausdrücklich vorschreibt, zB § 536 IV BGB oder §
476 BGB. In diese Kategorie würde ich indirekt auch gesetzliche Formvorgaben packen, die wegen der Nichtigkeitsfolge des § 125 S 1 BGB ebenfalls grds zwingend sind. Dann gibt es Normen, bei denen man nach ihrem Inhalt allgemein deutlich eher die Frage nach ihrem zwingenden Charakter stellen muss als bei anderen. Zwingend sind häufig Normen, bei denen der Gesetzgeber ein Machtungleichgewicht annimmt, zB aus dem Bereich des (Wohnraum-)MietR und allgemein des Verbraucherschutzes. Bei beiden findet sich aber auch häufig eine explizite Regelung der Unabdingbarkeit im Gesetz. Auch die Stellung der Norm im BGB kann einen Anhaltspunkt bieten: Schuldrechtliche Normen sind tendenziell eher dispositiv als solche des SachenR. Letztlich entscheidet aber der (Schutz-)Zweck einer Norm darüber, ob sie zwingend ist oder nicht. Zu Deinen Beispielen: Von § 492 BGB kann nach § 512 S 1 BGB grds nicht zum Nachteil des Verbrauchers abgewichen werden. § 568 BGB ist grds seinem vollen Inhalt nach zwingend (allgM). Für Abs. 1 als gesetzliche Formpflicht folgt das aus § 125 S 1 BGB. Abs. 2 ist hinsichtlich des Hinweises nicht zwingend ("soll"), hat aber für den Vermieter bei Nichtbeachtung die negative Folge des § 574b II 2 BGB, was wegen § 574b III BGB ebenfalls nicht abdingbar ist. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
julia_purpose
24.9.2024, 19:39:00
Hallo @[Sebastian Schmitt](263562), vielen lieben Dank für die ausführliche und sehr verständliche Erläuterung. Damit sind all meine Fragen diesbezüglich beantwortet und vielleicht hilft es ja auch dem ein oder anderen weiter, der sich dieselbe Frage stellt!
Antonia
17.11.2024, 21:55:15
Wenn gesetzliche Formvorschriften wegen der zwingenden Nichtigkeit aus §125 S.1 unabdingbar sind, bedeutet das, dass alle anderen rechtshindernden Einwendungen (§104ff, 116-118, 134, 138 etc) ebenfalls nicht dispositiv sind?