„Zweitbescheid“

21. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

X wird per Bescheid verpflichtet, seinen Schwarzbau abzureißen. X unternimmt nichts, der Bescheid wird bestandskräftig. Danach bittet X die Behörde, den Sachverhalt erneut zu prüfen. Diese prüft und schickt X ein Schreiben mit demselben Wortlaut wie der ursprüngliche Bescheid.

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Einordnung des Falls

„Zweitbescheid“

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Das nach erneuter Prüfung erteilte Schreiben der Behörde mit demselben Wortlaut wie der ursprüngliche Bescheid ist eine „hoheitliche Maßnahme“ einer „Behörde“ (§ 35 S. 1 VwVfG).

Ja, in der Tat!

Eine hoheitliche Maßnahme ist jedes einseitige öffentlich-rechtliche Handeln im Über-/ Unterordnungs-Verhältnis. Keine hoheitliche Maßnahme ist der öffentlich-rechtliche Vertrag oder privatrechtliches Verwaltungshandeln.Das Schreiben der Behörde mit demselben Wortlaut wie der ursprüngliche Bescheid ergeht einseitig im Über-/Unterordnungsverhältnis und ist demnach eine hoheitliche Maßnahme. Ist dies der Fall, ist auch die Voraussetzung „auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts“ erfüllt. Laut Sachverhalt hat auch eine "Behörde gehandelt (§1 Abs. 4 VwVfG).
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2. Das nach erneuter Prüfung erteilte Schreiben der Behörde mit demselben Wortlaut wie der ursprüngliche Bescheid beinhaltet eine „Regelung (§ 35 S. 1 VwVfG).

Ja!

Eine Maßnahme besitzt Regelungscharakter, wenn sie darauf gerichtet ist, eine verbindliche Rechtsfolge zu setzen, d.h. unmittelbar Rechte und Pflichten des Betroffenen zu begründen, zu ändern, aufzuheben, festzustellen oder zu verneinen.Der ursprüngliche Bescheid begründete unmittelbar Pflichten - der Schwarzbau ist zu beseitigen. Das neue Schreiben setzt die gleiche Rechtsfolge - der Schwarzbau ist weiterhin zu beseitigen. Die Behörde hat nicht bloß auf ihren ursprünglichen Bescheid verwiesen (wiederholende Verfügung). Wegen der erneuten Sachprüfung durch die Behörde beinhaltet das Schreiben eine erneute Sachentscheidung mit inhaltlich identischer, aber eigenständiger Regelungswirkung (Zweitbescheid).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

FL

Flohm

3.8.2023, 10:59:35

Ich verstehe immer noch nicht warum hier eine Regelung vorliegt? Außerdem: wann reicht eine Regelung für einen VA und wann brauche ich eine Regelung in der Sache? Ich finde das Kapitel leider sehr verwirrend….

Juratiopharm

Juratiopharm

14.8.2023, 14:08:57

Eine Regelung liegt vor, weil die

Behörde

den Sachverhalt geprüft und eine Abrissverfügung erlassen hat. Dass sie dies vorher auch schon einmal gemacht hat, ist dafür unbedeutend. Etwas anderes gilt nur, wenn sie nicht prüft, sondern sich nur auf die vorherige Entscheidung beruft. Auch in letzterem Fall liegt aber ein Verwaltungsakt vor: Die

Behörde

entscheidet sich nämlich grade gegen eine erneute Prüfung und somit gegen ein Wiederaufgreifen iSv § 51 VwVfG.

A-MUC

A-MUC

31.8.2023, 17:53:01

Eine Regelung liegt vor, wenn das Handeln der

Behörde

auf die Setzung einer unmittelbaren Rechtsfolge ausgerichtet ist. Die

Behörde

hat (nach der erneuten Prüfung & in dem zweiten Schreiben) kommuniziert: “Hey, Du musst Deinen Schwarzbau abreißen!!” Das ist eine unmittelbare Rechtsfolge. Und daher liegt eine Regelung vor. Verständlich?

NI

Nilson2503

27.9.2023, 19:37:24

Mich würde der praktische Bezug sehr interessieren. Wie wird in der Praxis gesehen, ob die

Behörde

erneut prüft? Sie wird in aller Regel doch einfach den Bescheid erneut im selben Wortlaut erlassen, oder wird sie tatsächlich auf die erneute Prüfung hinweisen?

Dogu

Dogu

31.10.2023, 13:43:53

@[Nilson2503](175300) Im Normalfall wird die

Behörde

das in der Begründung erwähnen (der VA enthält ja nicht nur den Tenor).

Dogu

Dogu

2.8.2024, 11:24:15

Angenommen, der Adressat wendet sich mit Erfolg gegen den

Zweitbescheid

. Das vermag aber am bestandskräftigen ersten VA nichts zu ändern. Hätte er insoweit überhaupt ein Rechtsschutzbedürfnis? Sein Erfolg in der Sache ist ja von vornherein ausgeschlossen.

Sassun

Sassun

28.10.2024, 10:14:49

Das hatte ich mich auch gefragt und laut BeckOK VwVfG/Falkenbach, 64. Ed. 1.7.2024, VwVfG § 51 Rn. 26-28.1, der wiederum primär auf den Rspr.-Kommentar Kopp/Ramsauer verweist gilt: "Ein negativer

Zweitbescheid

ersetzt den ursprünglichen Verwaltungsakt unabhängig davon, ob er als inhaltsgleiche Neuregelung formuliert ist oder die Aufhebung des Erstbescheids abgelehnt wird" "Ein ausdrückliches Aufheben des ursprünglichen Verwaltungsakts ist nicht zwingend erforderlich, da der

Zweitbescheid

den Verwaltungsakt entweder ersetzt oder aber ändert" Für mich klingt es in der Kommentarliteratur so, als könnte damit die Bestandskraft des ursprünglichen VA umgangen werden. Da dieses Ergebnis aber schwerer mit dem Rechtsgefühl vereinbar ist, würde ich Jurafuchs um eine Stellungnahme bitten :)


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