Strafrecht

BT 2: Diebstahl, Betrug, Raub u.a.

Betrug (§ 263 StGB)

Betrug durch Spendenwerbung- und beschaffung

Betrug durch Spendenwerbung- und beschaffung

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T betreibt durch plakative Anschreiben (sog. Mailings) Spendenwerbung. Darin behauptet T, eine Spende könne die Krebsforschung fördern. T macht in den Mailings keine konkreten Angaben darüber, welcher Anteil der Spenden tatsächlich in die Krebsforschung fließe. Tatsächlich fließen 20% in die Krebsforschung, 80% werden zu Werbezwecken genutzt oder als sonstige Verwaltungskosten verbucht. O spendet €100 in der Erwartung, das Geld komme der Krebsforschung zu Gute.

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Einordnung des Falls

Betrug durch Spendenwerbung- und beschaffung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T hat den O ausdrücklich über die Höhe der Werbungs- und Verwaltungskosten getäuscht (§ 263 Abs. 1 StGB).

Nein!

Täuschungshandlung ist die ausdrückliche oder konkludente intellektuelle Einwirkung auf das Vorstellungsbild eines anderen mit dem Ziel bewusster Irreführung. Ausdrückliche Angaben über die Höhe der Werbe- und Verwaltungskosten sind von T in den Spendenbriefen nicht getroffen worden, weshalb eine ausdrückliche Täuschung des O ausscheidet.
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2. T hat den O konkludent über die Höhe der Werbungs- und Verwaltungskosten getäuscht (§ 263 Abs. 1 StGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Eine konkludente Täuschung liegt in einem irreführenden Verhalten, das nach der Verkehrsanschauung als stillschweigende Erklärung zu verstehen ist, der ein gewisser Erklärungswert beizumessen ist. Einerseits könnte argumentiert werden, dass durch das Mailing bei O der irrige Eindruck erweckt wurde, der weit überwiegende Teil der Spenden flöße der Krebsforschung zu, wobei tatsächlich nur ein geringer Anteil von 20% der Spenden der Krebsforschung zufloss. Auf der anderen Seite ist sich der objektive und verständige Spender jedoch bewusst, dass die Spendensammlung Kosten verursacht. Damit erscheint es überzeugend in dem Mailing keinen Erklärungswert über die Höhe der tatsächlichen Spenden sowie der Werbungs- und Verwaltungskosten zu erblicken. Mithin scheidet eine konkludente Täuschung aus.

3. T hat den O durch Unterlassen getäuscht (§ 263 Abs. 1 StGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Liegt eine aktive konkludente Täuschung nicht vor, ist an eine Täuschung durch Unterlassen zu denken. Der Betrug kann auch durch Unterlassen verwirklicht werden (vgl. § 13 StGB). Um mittels eines Unterlassens zu täuschen, hätte T eine strafbewehrte Aufklärungspflicht, die ihn aus einer Garantenstellung trifft, verletzen müssen. Dabei muss das Unterlassen der gebotenen Aufklärung einem Tun gleichstehen. Eine Garantenstellung kann sich aus Ingerenz, Gesetz, besonderem Vertrauensverhältnis oder Treu und Glauben ergeben. Eine entsprechende Aufklärungspflicht des T ergibt sich weder aus Gesetz, Vertrag noch aus Treu- und Glauben. Ferner fehlt es an einem besonderen Vertrauensverhältnis, welches Grundlage für eine Aufklärungspflicht sein könnte. Mithin hat T den O nicht durch Unterlassen getäuscht.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

🦊LEXD

🦊LEXDEROGANS

18.9.2020, 09:01:42

Wie sähe es wohl mit Treu und Glauben aus bei 1% Spenden und 99% „Verwaltungskosten“? 🤔

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

7.2.2021, 23:23:20

Hallo Lexderogans, auch wenn man die Einheit der Rechtsordnung hochhält, wird es schwierig mit § 242 BGB eine Strafbarkeit herzuleiten. Sicherlich wäre es bei so einem groben Missverhältnis aber, mit guter Begründung und unter Erörterung der hier dargestellten Erwägungen, vertretbar einen Betrug anzunehmen. Man müsste dann in die Richtung argumentieren, dass die 1% nur planmäßig zur Strafbarkeitsvermeidung dienen.

Tigerwitsch

Tigerwitsch

5.2.2021, 23:12:20

Welche Strafbarkeit liegt dann hier vor?

Vulpes

Vulpes

6.2.2021, 12:00:11

Ich glaube gar keine.

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

7.2.2021, 23:24:01

So ist es, T hat sich hier nicht strafbar gemacht.

FW

FW

8.8.2024, 10:53:03

Was eine schwachsinnige Rechtsprechung.. Dann kann das ja jeder machen und sich auf Kosten anderer problemlos bereichern, bis es auffliegt..

AG

agi

17.10.2024, 13:00:44

Naja man ist ja nicht verpflichtet zu spenden. Will man spenden würde ich behaupten, dass die meisten sich drüber informieren für was und wie Geld gespendet wird. Solange der T nicht behauptet 100 % der Spende weiterzugeben und keiner diesbezüglich nachfragt und er es unterlässt aufzuklären hat er sich nicht strafbar gemacht.

FW

FW

17.10.2024, 13:21:55

@agi Ja, Spenden sind freiwillig. Aber letztendlich kommt es doch für die Strafbarkeit eines Verhaltens darauf an, ob dieses als sozialschädlich einzustufen ist. Und m.E. ist das bei einer solchen Konstellation der Fall. Wenn ich etwas spende, dann mach ich das gerade deshalb, weil ich davon ausgehe, dass ein Großteil der Einnahmen für einen bestimmten, wohltätigen Zweck eingesetzt werden. Wenn wie hier jedoch die Verwaltungskosten 80% betragen, dann „spende“ ich ja eigentlich nicht den Großteil, sondern „schenke“ diese dem Täter, obwohl ich das eigentlich gar nicht will. Sofern der Täter nicht darlegt, warum die Kosten tatsächlich so hoch sind, würde ich eine Strafbarkeit ggf. schon bejahen, da hier einfach ein extrem hohes Missbrauchspotenzial besteht. Nur für die Ausnahme, dass wirklich 80% der Spenden als unbedingt erforderliche Verwaltungskosten benötigt werden, würde ich eine Strafbarkeit verneinen.

BL

Blotgrim

14.11.2022, 19:31:18

Also ich kann verstehen dass der objektive Betrachter weiß dass durch Spenden auch kosten bestehen. Aber das bei einer 100€ Spende 80€ Kosten entstehen ist für mich jetzt schon abwegig. Gerade wenn man das hochskaliert auf z.B Spenden im Millionenbereich. Wäre hinter diesem Gedanken eine

konkludente Täuschung

ab einem bestimmten Betrag zumindest vertretbar? Lg

Nora Mommsen

Nora Mommsen

15.11.2022, 11:44:39

Hallo Blotgrim, das Störgefühl kann ich durchaus nachvollziehen, zumal du direkt den wunden Punkt erwischt hast - gerade bei größeren Organisationen machen Abweichungen um wenige Prozentpunkte schon einen Unterschie. Gerichte haben sich bisher nicht auf eine Obergrenze festgelegt, sodass weniger die konkrete Zahl ausschlaggebend ist. Strafrechtlich relevant werden eher die Umstände der Spendenwerbung. Nur daraus kann sich letztlich auch die

konkludente Täuschung

herleiten. Denn wo keine diesbezügliche (

konkludent

e) Erklärung vorhanden ist, kann nur durch einen anderen Verwaltungkostenanteil keine entstehen. Von daher ist es sehr einzelfallabhängig, wobei insbesondere die Werbung und Umstände der Spende berücksichtigt werden müssen. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Simon

Simon

12.6.2024, 23:30:21

Natürlich ist dem objektiven Empfänger klar, dass auch Kosten anfallen. Hier wird die Spende aber nicht nur zur Kostendeckung, sondern auch zur Gewinnerzielung eingesetzt. Das übersteigt mE den Wortsinn der Spende. Die Spende soll nach Sinn und Zweck der Vereinbarung der Krebsforschung zugute kommen - nicht dem T. T selbst ist eben nicht Empfänger der Spende, sondern nur Bote bzw. Übermittler des Geldbetrages. Wie @[Blotgrim](167544) richtig anmerkt, ergäben sich andernfalls absurde Ergebnisse.

DIAA

Diaa

29.8.2023, 18:54:11

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