Erfolgsort bei Kapitalanlageschäden nach EuGVVO

3. Dezember 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die Deutsche D klagt gegen den Angestellten A der ungarischen Vermögensgesellschaft V auf Schadensersatz. D hatte an ein in Ungarn geführtes Anlagekonto der V Geld überwiesen. A hatte das Geld in hochspekulative Finanzprodukte investiert und alles verloren.

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Einordnung des Falls

Erfolgsort bei Kapitalanlageschäden nach EuGVVO

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Anwendungsbereich der EuGVVO ist eröffnet.

Ja!

Die EuGVVO ist auf Zivil- und Handelssachen anzuwenden (sachlich), die am 10.01.2015 oder danach eingeleitet wurden (zeitlich). Der räumlich-persönliche Anwendungsbereich setzt grundsätzlich voraus, dass der Beklagte seinen Wohnsitz in einem Mitgliedsstaat hat (abgeleitet aus Art. 4 Abs. 1, 5 Abs. 1, 6 Abs. 1 EuGVVO). D will A auf Schadensersatz in Anspruch nehmen. Ein solcher Anspruch wurzelt im Zivilrecht. Mangels entgegenstehender Angaben im Sachverhalt ist davon auszugehen, dass der Sachverhalt nach dem 10.01.2015 spielt. D würde also danach erst ein Verfahren einleiten (durch eine Klageeinreichung). A lebt in Ungarn, hat also ihren Wohnsitz in einem Mitgliedsstaat. Der Anwendungsbereich der EuGVVO ist somit eröffnet.
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2. Der Deliktsgerichtsstand eröffnet dem Kläger eine Wahl zwischen einer Klage am Erfolgs- oder Handlungsort.

Genau, so ist das!

Der Wortlaut der Norm legt zwar nahe, dass nur eine Klage am Erfolgsort möglich ist. In den Wortlaut wird aber ein Wahlrecht des Klägers zwischen einer Klage am Handlungs- oder Erfolgsort hineingelesen. Diese Unterscheidung wird nur bei sog. Distanzdelikten, bei denen Handlung- und Erfolgsort in verschiedenen Staaten liegen, relevant. Bei sog. Platzdelikten liegen Handlungs- und Erfolgsort im selben Staat. Hier läuft das Wahlrecht leer.

3. Bei Kapitalanlagefällen liegt der Erfolgsort unstreitig am Wohnsitz des Geschädigten.

Nein, das trifft nicht zu!

Bei Kapitalanlagefällen ist die Bestimmung des Erfolgsorts schwierig. Man könnte auf den Wohnsitz des Geschädigten abstellen, oder auf das Anlagekonto, von dem aus die Anlagen bezahlt wurden. Worauf hier abzustellen ist, ist umstritten. Weiter wird zwischen Untreuefällen und Betrugsfällen unterschieden. Bei Untreuefällen bezieht sich die unerlaubte Handlung auf die Art und Weise, wie der Schädiger das Kapital des Geschädigten angelegt oder verwaltet hat. Bei Betrugsfällen liegt die unerlaubte Handlung bereits in der Überweisung des Gelds auf das Anlagekonto.

4. Liegt die unerlaubte Handlung hier schon darin, dass D dazu gebracht wurde, das Geld auf das ungarische Anlegerkonto zu überweisen (sog. Betrugsfall)?

Nein!

Bei der Bestimmung des Erfolgsortes in Kapitalanlagefällen wird zwischen Untreuefällen und Betrugsfällen unterschieden. Bei Untreuefällen bezieht sich die unerlaubte Handlung auf die Art und Weise, wie der Schädiger das Kapital des Geschädigten angelegt oder verwaltet hat. Hier liegt der Erfolgsort im Staat, in dem das Anlagekonto geführt wird. Bei Betrugsfällen liegt die unerlaubte Handlung bereits in der Überweisung des Gelds auf das Anlagekonto. Im vorliegenden Fall liegt das Problem in der Art und Weise, wie für D das Geld angelegt und verwaltet wurde. Die Überweisung an die Vermögensgesellschaft war in Ordnung. Hier liegt also ein Untreuefall vor. Der Erfolgsort ist somit in Ungarn.

5. Fallen hier Erfolgs- und Handlungsort zusammen (sog. Platzdelikt)?

Genau, so ist das!

Bei Distanzdelikten liegen Handlung- und Erfolgsort in verschiedenen Staaten. Bei Platzdelikten liegen Handlungs- und Erfolgsort im selben Staat. Wie gesehen liegt der Erfolgsort bei Untreuefällen im Staat, in dem das Anlagekonto geführt wird. Das ist hier Ungarn. In Ungarn hat A auch gehandelt (Handlungsort). Handlungs- und Erfolgsort fallen somit zusammen. Das Wahlrecht des Deliktsgerichtsstands läuft leer. Zudem unterscheidet sich der Deliktsgerichtsstand nicht vom allgemeinen Gerichtsstand.Sofern D Verbraucherin ist, könnte sie auch in Deutschland klagen (vgl. Art. 18 Abs. 1 EuGVVO). Dazu später mehr!
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