Erfolgsort bei Streudelikten nach EuGVVO

3. Dezember 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die deutsche Zeitung Z schreibt in einer das allgemeine Persönlichkeitsrecht (APR) verletzenden Weise über das Liebesleben der Schauspielerin S. 20% des Absatzes der Zeitschrift ist in Österreich, 15% in Spanien, der Rest in Deutschland. S will Z auf Schadensersatz verklagen.

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Einordnung des Falls

Erfolgsort bei Streudelikten nach EuGVVO

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ist hier der besondere Gerichtsstand des Delikts einschlägig (Art. 7 Nr. 2 EuGVVO).

Ja!

Ist der Anwendungsbereich der EuGVVO eröffnet, kann danach ein zuständiges Gericht bestimmt werden. Ist kein ausschließlicher Gerichtsstand oder eine Gerichtsstandsvereinbarung gegeben, können neben dem allgemeinen Gerichtsstand (Art. 4 EuGVVO) auch besondere Gerichtsstände (Art. 7ff. EuGVVO) einschlägig sein. Der Deliktsgerichtsstand (Art. 7 Nr. 2 EuGVVO) erfordert eine unerlaubte oder eine gleichgestellte Handlung. Der Begriff der unerlaubten Handlung nach Art. 7 Nr. 2 EuGVVO umfasst jede Schadenshaftung des Beklagten, die nicht an einen Vertrag i.S.d. Art. 7 Nr. 1 EuGVVO anknüpft. Die Verletzung des APR stellt eine unerlaubte Handlung dar. Der Deliktsgerichtsstand ist also einschlägig.
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2. Der Deliktsgerichtsstand (Art. 7 Nr. 2 EuGVVO) eröffnet dem Kläger eine Wahl zwischen einer Klage am Erfolgs- und Handlungsort.

Genau, so ist das!

Der Wortlaut der Norm legt zwar nahe, dass nur eine Klage am Erfolgsort möglich ist. In den Wortlaut wird aber ein Wahlrecht des Klägers zwischen einer Klage am Handlungs- oder Erfolgsort hineingelesen. Diese Unterscheidung wird nur bei sog. Distanzdelikten, bei denen Handlung- und Erfolgsort in verschiedenen Staaten liegen, relevant. Bei sog. Platzdelikten liegen Handlungs- und Erfolgsort im selben Staat, sodass das Wahlrecht leerläuft.

3. Der Handlungsort bei Pressedelikten liegt am Wohnsitz des Mitarbeiters der Zeitung, der den betreffenden Artikel geschrieben hat.

Nein, das trifft nicht zu!

Der Handlungsort bei Pressedelikten liegt im Staat der Niederlassung des Herausgebers des Presseerzeugnisses. Hier besteht eine unbeschränkte Kognitionsbefugnis, der Kläger kann also dort den gesamten Schaden einklagen. Bei Gesellschaften ist für den allgemeinen Gerichtsstand (Art. 4 EuGVVO) auf den Sitz, bzw. die Hauptniederlassung abzustellen. Abzustellen ist also nicht auf den Autor, sondern die Zeitungsgesellschaft. Die Niederlassung der Z liegt in Deutschland, sodass dort auch der Handlungsort ist.

4. Der Erfolgsort liegt nur in dem Staat, in dem der größte Schaden eingetreten ist.

Nein!

Delikte, bei denen ein Schaden in mehreren Staaten eintritt, nennt man Streudelikte. Bei Streudelikten liegt der (Teil-) Erfolgsort in jedem Staat, in dem der Verletzungserfolg eingetreten ist. Das heißt, dass der Kläger in jedem Staat, in dem ein Schaden eingetreten ist, klagen kann. Vorliegend wurde die Zeitung, die S' allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt hat, in Deutschland, Österreich und Spanien verkauft. In diesen Ländern ist ein Verletzungserfolg eingetreten. S kann in jedem Staat klagen.

5. Kann der Kläger in jedem Staat, in dem ein (Teil-)Schaden eingetreten ist (Erfolgsort), den vollen Schaden geltend machen?

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach der bei Streudelikten herrschenden Mosaiktheorie besteht nur eine beschränkte Kognitionsbefugnis. Der Kläger kann an den deliktischen Gerichtsständen immer nur den Schaden geltend machen, der dort jeweils eingetreten ist. Um den vollen Schaden einzuklagen, müsste der Kläger also an jedem Gerichtsstand gesondert (Teil-) Klage erheben. S kann 65% des Schadens am Erfolgsort ins Deutschland einklagen. Für die Geltendmachung des restlichen Schadens, müsste S separat in Österreich (für 20% Schadens) und in Spanien (15%) klagen. Bei Streudelikten dürfte es deshalb regelmäßig für den Kläger praktischer sein, den gesamten Schaden entweder am Handlungsort oder am allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten geltend zu machen.
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