Anfechtung von Testamenten – Übergehen eines Pflichtteilberechtigten 2 (Fall)


mittel

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Der wohlhabende Erblasser E hatte seinem Lebensgefährten L eine Briefmarkensammlung vermacht, die von großem Wert ist. Als Erbin hatte er in seinem Testament jedoch die Nichte N eingesetzt. Einige Jahre später heirateten E und L schließlich. E vergaß das Testament zu ändern.

Einordnung des Falls

Anfechtung von Testamenten – Übergehen eines Pflichtteilberechtigten 2 (Fall)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ist L pflichtteilsberechtigt?

Genau, so ist das!

Pflichtteilsberechtigt sind gemäß § 2303 BGB nur die Abkömmlinge des Erblassers, dessen Ehepartner oder dessen Eltern, wenn sie ohne die angefochtene Verfügung von Todes wegen zu gesetzlichen Erben berufen wären. Ohne das Testament wäre L als Ehegatte des E dessen gesetzlicher Erbe. Er ist daher pflichtteilsberechtigt.

2. War E bei Testamentserrichtung in Unkenntnis über das Vorhandensein eines Pflichtteilsberechtigten nach § 2079 S. 1 BGB?

Ja, in der Tat!

Nach § 2079 S. 1 BGB darf der Erblasser zur Zeit der Errichtung des Testaments weder vom Vorhandensein der Person als solches noch von deren Pflichtteilsberechtigung etwas gewusst haben. Sofern der Pflichtteilsberechtigte erst nach der Testamentserrichtung geboren oderpflichtteilsberechtigt wurde, genügt allein dieser objektive Umstand. L wurde erst durch die Eheschließung zum Pflichtteilsberechtigten. E war daher zur Zeitpunkt der Testamentserrichtung in Unkenntnis über einen zur Zeitpunkt des Erbfalls vorhandenen Pflichtteilsberechtigten.

3. Wurde L im Sinne des § 2079 S. 1 BGB übergangen?

Nein!

Ein Pflichtteilsberechtigter wurde dann übergangen, wenn er weder in irgendeiner Weise bedacht noch bewusst von der Erbfolge ausgeschlossen wurde. Nach der ständigen Rechtsprechung liegt zudem kein Übergehen vor, wenn der Berechtigte mit einem unter dem Erbteil liegenden Vermächtnis bedacht wurde, sofern die Zuwendung nicht geringfügig ist. E vermachte dem L eine wertvolle Briefmarkensammlung. Er wurde nach Ansicht der Rechtsprechung somit nicht übergangen, selbst wenn diese Zuwendung unter dem gesetzlichen Erbteil des L liegt. In der Literatur wird hingegen teilweise vertreten, dass in derartigen Fällen ein Übergehen vorliegt, da die Zuwendung an den Bedachten nicht in seiner Eigenschaft als Pflichtteilsberechtigter erfolgte. Die Rechtsprechung verweist demgegenüber auf § 2078 Abs. 2 BGB der als Auffangtatbestand anwendbar ist.

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Martin

Martin

18.1.2024, 19:26:48

Liebes Team, Hier wird in der Lösung in Bezug auf § 2079 S. 1 Var. 3 schon auf die Unkenntnis abgestellt. Darauf kommt es m.E. in S. 1 Var. 3 nicht an (anders als in Var. 1). Erst durch die Ausnahme in S. 2 wird die Kenntnis berücksichtigt. (vgl. MüKo/Leipold, § 2079 Rn. 11) Ich denke mal da sollte man genau arbeiten, da sich das auf die Beweislast auswirkt. (ibid. Rn. 23) LG Martin


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