Öffentliches Recht

Europarecht

Niederlassungsfreiheit, Art. 49 AEUV

Ansässigkeitserfordernis für sekundäre Niederlassungsfreiheit bei natürlichen Personen

Ansässigkeitserfordernis für sekundäre Niederlassungsfreiheit bei natürlichen Personen

23. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die Slowakin S backt leidenschaftlich gern und eröffnet daher die Konditorei “Baking Bad” in New York. Diese wird ein voller Erfolg, weshalb S nun in Berlin eine zweite Konditorei eröffnen will.

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Einordnung des Falls

Ansässigkeitserfordernis für sekundäre Niederlassungsfreiheit bei natürlichen Personen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Eröffnung der Konditorei in Berlin ist vom sachlichen Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit erfasst.

Ja, in der Tat!

Der sachliche Anwendungsbereich setzt nach ständiger Rechtsprechung eine Niederlassung voraus, also eine feste Einrichtung oder Infrastruktur, die der tatsächlichen Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit auf unbestimmte Zeit dient oder zu dienen bestimmt ist. Die Niederlassungsfreiheit schützt gemäß Art. 49 Abs. 1 S. 2 AEUV auch die Gründung von Tochtergesellschaften, also rechtlich selbständigen Nebenniederlassungen (Tochtergesellschaften) oder von Zweigniederlassungen und Agenturen, also rechtlich unselbständigen Nebenniederlassungen. Die Eröffnung der Zweigniederlassung in Berlin ist eine rechtlich unselbstständige Nebenniederlassung und als sekundäre Niederlassung vom Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit erfasst.
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2. Da S Unionsbürgerin ist, ist auch der persönliche Anwendungsbereich eröffnet.

Nein!

Die sekundäre Niederlassungsfreiheit (Gründung einer Agentur, Zweigniederlassung oder Tochtergesellschaft) erfordert anders als die primäre Niederlassungsfreiheit nicht nur die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats. Zusätzlich muss der Unionsbürger auch im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats mit seinem wirtschaftlichen Schwerpunkt ansässig sein. S ist als Slowakin zwar Unionsbürgerin, allerdings ist sie in den USA und damit nicht im Hoheitsgebiet mit ihrem wirtschaftlichen Schwerpunkt ansässig. Der persönliche Anwendungsbereich ist daher nicht eröffnet.Hintergrund ist, dass die Union ein Interesse an der Regulierung und Beaufsichtigung unternehmerischer Tätigkeit innerhalb der Union hat.

3. Damit S sich vorliegend auf die Niederlassungsfreiheit berufen kann, müsste sie zuvor in der Slowakei mit ihrem wirtschaftlichen Schwerpunkt ansässig sein.

Nein, das ist nicht der Fall!

Das Ansässigkeitskriterium erfordert nicht, dass der wirtschaftliche Schwerpunkt sich in dem Mitgliedstaat befindet, dessen Staatsbürgerschaft die Person hat. Vielmehr reicht es aus für die sekundäre Niederlassungsfreiheit aus, dass sich der wirtschaftliche Tätigkeitsschwerpunkt in irgendeinem Mitgliedstaat befindet.Das Ansässigkeitskriterium gilt nur für die sekundäre Niederlassungsfreiheit. S könnte sich also unproblematisch auf die Niederlassungsfreiheit berufen, wenn sie sich selbst im Unionsgebiet niederlassen wollte.
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