Klarnamenurteil
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
K hat mit Facebook einen Nutzungsvertrag abgeschlossen. K führt sein Konto unter einem Pseudonym, obwohl die im April 2018 wirksam einbezogenen AGB die Pflicht regeln, für das Profil den Namen zu verwenden, den man auch im täglichen Leben verwendet. Facebook sperrt Ks Zugang. K meint, die Klausel sei unwirksam.
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Einordnung des Falls
Klarnamenurteil
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 13 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Könnte K gegen Facebook einen Anspruch auf Nutzung des sozialen Netzwerks unter Pseudonym haben?
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Ist die in den AGB geregelte Klarnamenpflicht kontrollfähig (§ 307 Abs. 3 BGB)?
Ja!
3. Nach § 13 Abs. 6 S. 1 TMG a.F. müssen Anbieter von Telemedien deren Nutzung anonym oder unter Pseudonym ermöglichen, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist. Könnte die Klausel unwirksam sein, weil sie mit wesentlichen Grundgedanken des § 13 Abs. 6 S. 1 TMG a.F. unvereinbar ist?
Genau, so ist das!
4. Scheidet eine Kontrolle der Klausel anhand von § 13 Abs. 6 S. 1 TMG a.F. jedoch aufgrund des Herkunftslandprinzips aus, wonach der grenzüberschreitende Dienstleistungsverkehr von Telemedien nicht eingeschränkt werden darf?
Nein, das trifft nicht zu!
5. Wäre Voraussetzung für eine Kontrolle der Klausel anhand des § 13 Abs. 6 S. 1 TMG a.F. aber die Vereinbarkeit der Norm mit der DS-GVO?
Nein!
6. Ist § 13 Abs. 6 S. 1 TMG a.F. unanwendbar, da er über die in Art. 7 DS-RL geregelten Grundsätze hinaus Beschränkungen für die Verarbeitung personenbezogener Daten aufstellt?
Nein, das ist nicht der Fall!
7. Ist im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit gemäß § 13 Abs. 6 S. 1 TMG a.F. eine umfassende Abwägung der konkurrierenden Interessen und Grundrechtspositionen der Beteiligten vorzunehmen?
Ja, in der Tat!
8. Ist bei dieser Güterabwägung auf die Grundrechtspositionen der GRCh abzustellen?
Ja!
9. Auf Seiten von Facebook ist im Rahmen der Abwägung vor allem das Recht auf unternehmerische Freiheit (Art. 16 GRCh) zu berücksichtigen. Ist die Erhebung und Verarbeitung der Klarnamen hiervon geschützt?
Genau, so ist das!
10. Sind auf Seiten der Nutzer im Rahmen der Abwägung Art. 7, 8 Abs. 1 GRCh zu berücksichtigen?
Ja, in der Tat!
11. Ist die Klarnamenpflicht angemessen, soweit es nur um eine Identifizierungspflicht im Innenverhältnis zwischen Facebook und K geht?
Ja!
12. Ist die Klausel auch insoweit angemessen i.S.d. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB, als dem Nutzer im Außenverhältnis zu Dritten die Nutzung des sozialen Netzwerks unter Pseudonym verboten wird?
Nein, das ist nicht der Fall!
13. Ist damit Facebooks AGB-Klausel zur Klarnamenpflicht unwirksam, § 307 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 S. 1 BGB?
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Jael
8.12.2022, 13:12:36
Puuuh... für wie examensrelevant haltet ihr diese Entscheidung?
Nora Mommsen
8.12.2022, 17:18:52
Hallo Jael, oft sind leider die ein wenig unangenehmeren oder abgedrehteren Entscheidungen Lieblingskinder der Prüfungsämter. Grundsätzlich wählen wir unsere Fälle nach Examenspotential und Ausbildungsrelevanz aus. Ob diese Entscheidung tatsächlich für die Erstellung von Klausuren verwendet wird, steht natürlich in den Sternen - sonst hätten wir auch das goldene Ticket. Mehr können wir dazu leider auch nicht sagen :( Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
betty97
14.12.2022, 11:25:31
Wie ist die Rechtslage unter der DSGVO?
Nora Mommsen
4.7.2023, 10:14:51
Hallo betty97, danke für deine Frage. Tatsächlich ist das ein spannender Punkt - die DSGVO gebietet den sparsamen Umgang mit Daten. Dies könnte gegen eine Zulässigkeit der Klarnamenpflicht sprechen. Demgegenüber stehen aber der im Netz verbreitete Hass und Mobbing, die bei einer Klarnamenpflicht (wohl) leichter verfolgbar sind. Dies dient dem Schutz Grundrechte Dritter, was in die Abwägung ebenfalls mit einfließen muss. Der BGH hat mit den vorliegenden Urteilen wie aus der Aufgabe ersichtlich nicht festgelegt, welche Regelungen für Nutzer hinsichtlich der Klarnamenpflicht ab Mai 2018 gelten. Es muss also der Europäische Gerichtshof (EuGH) entscheiden, welchen Spielraum die DSGVO zur Klarnamenpflicht zulässt. Dafür ist erforderlich, dass Nutzer*innen den Instanzenzug bis zum EuGH durchlaufen. Es bleibt abzuwarten, wie der EuGH entscheiden wird. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Hille93
7.2.2024, 15:13:17
Wenn das in einer Examensklausur rankommt, gehe ich... 🙈
HannaHaas
10.2.2024, 17:02:12
Ich geh mit dir…😂
Nora Mommsen
11.2.2024, 12:45:04
Hallo ihr beiden, ich kann euren Schrecken nachvollziehen! Aber keine Sorge - wenn ihr euch mit der Aufgabe auseinandergesetzt habt, habt ihr gute Chancen die Klausur auch bewältigen zu können. Generell gilt: Das schöne an solch exotischen Klausuren ist, dass es nicht darauf ankommt, ob man alles auswendig gelernt und schon drölfmal so hingeschrieben hat. Im Gegenteil gibt es die ein oder andere relevante Norm, die dann oft entweder abgedruckt ist oder auf die sich eine Partei beruft und dann kann man einfach am Normtext arbeiten. Wenn man dann mit dem Gesetz und den Informationen aus dem Sachverhalt arbeitet ist das schon mindestens die halbe Miete. Viel Erfolg euch weiterhin! Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
HannaHaas
11.2.2024, 12:50:53
Vielen Dank Nora für die aufbauenden Worte! Liebe Grüße:)
HannaHaas
11.2.2024, 12:15:49
Wo finde ich denn die DSGVO?
Nora Mommsen
11.2.2024, 12:48:46
Hallo HannaHaas, die DSGVO ist im Sartorius unter der Ordnungsnummer 246 abgedruckt. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
HannaHaas
11.2.2024, 12:49:30
Vielen Dank Nora!:))