Zivilrecht
Examensrelevante Rechtsprechung ZR
Entscheidungen von 2022
Geld zurück bei geschlossenen Fitnessstudios
Geld zurück bei geschlossenen Fitnessstudios
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
M schließt mit V einen Jahresvertrag über eine Fitnessstudiomitgliedschaft ab dem 01.12.19. Während der coronabedingten Schließung (16.3.20-4.6.20) zieht V die Beiträge weiter ein. M kündigt und fordert Rückzahlung. Eine der Schließungszeit entsprechende Vertragsverlängerung lehnt M ab.
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Einordnung des Falls
Geld zurück bei geschlossenen Fitnessstudios
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Liegt bei einem Vertrag über die Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio in der Regel ein typengemischter Vertrag vor (§§ 535ff., 611ff. BGB)?
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Kann M die im Schließungszeitraum gezahlten Monatsbeiträge schon aufgrund der als wirksam anzusehenden Kündigung zurückverlangen?
Nein, das trifft nicht zu!
3. Könnte M ein Rückzahlungsanspruch zustehen, wenn die Leistungspflicht des V aus § 535 Abs. 1 BGB während der coronabedingten Schließung unmöglich geworden ist (§§ 326 Abs. 1 S. 1, Abs. 4, 346 Abs. 1 BGB)?
Ja!
4. War V die Erbringung seiner Leistungspflicht während der coronabedingten Schließung unmöglich (§ 275 Abs. 1 BGB), sodass sein Mietzinsanspruch entfiel (§ 326 Abs. 1 S. 1 BGB)?
Genau, so ist das!
5. Lag, da das Fitnessstudio Anfang Juni wieder öffnen durfte, jedoch nur ein Fall „vorübergehender Unmöglichkeit“ vor?
Nein, das trifft nicht zu!
6. Kann V M jedoch einen Anspruch auf Vertragsanpassung dahingehend entgegenhalten, dass die Vertragslaufzeit sich um die Zeit der Schließung verlängert (§ 313 Abs. 1 BGB)?
Nein!
7. Scheidet ein Anspruch des V auf Vertragsanpassung (§ 313 Abs. 1 BGB) auch deshalb aus, weil mit Art. 240 § 5 Abs. 2 EGBGB eine speziellere Vorschrift besteht?
Genau, so ist das!
8. Steht damit M ein Anspruch auf Rückzahlung der während des Schließungszeitraums eingezogenen Beiträge zu (§§ 326 Abs. 1 S. 1, Abs. 4, 346 Abs. 1 BGB)?
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
lars485
14.5.2022, 22:58:33
Bei Dauerschuldverhältnissen tritt ja wie anfangs gezeigt grundsätzlich die Kündigung an die Stelle des Rücktritts. Wie genau leite ich mir dann dogmatisch her, dass sich der Rückzahlungsananspruch aus dem Rücktritt mit Unmöglichkeit ergibt, statt der Kündigung? Liegt hier bereits einer der Ausnahmefälle vor, wo es sachgerecht ist bei einem DauerSV zurückzutreten?
NJGHD
15.5.2022, 17:00:39
Ergibt sich der Anspruch nicht aus 326 iv, d.h. ohne rucktritt? So lese ich die lösung.
lars485
15.5.2022, 17:14:05
mit 346 i bgb (rücktritt)
el_bollo
15.5.2022, 20:00:23
Aber 346 I BGB wird nur genannt, weil 326 IV BGB auf diesen verweist, nicht weil der Rücktritt erklärt wurde.
lars485
15.5.2022, 22:24:17
aber müssen dann nicht die voraussetzungen des 346 vorliegen? @[el_bollo](166943) also ich zweifel nicht die richtigkeit an, frage mich vielmehr wie ich das in der klausur darstelle.
el_bollo
16.5.2022, 06:26:01
Nein, es handelt sich um eine Rechtsfolgen- nicht um eine Rechtsgrundverweisung. Dass der Rücktritt gerade nicht erklärt werden muss, zeigt auch die Tatsache, dass 326 IV BGB nicht auf 349 BGB verweist.
lars485
16.5.2022, 11:34:47
ahhhh, got it! danke Dir? @[el_bollo](166943)
lars485
16.5.2022, 11:35:18
Dir!*
CR7
25.6.2022, 09:42:32
Zurzeit gibt es viele Studios, die eine Preiserhöhung schon dadurch durchsetzen wollen, dass die Mitglieder das Drehkreuz des Studios passieren. Daher fände ich es richtig cool, wenn ihr diesen Fall in den BGB-AT Kurs zur Willenserklärung hinzufügen könntet. 😀🙏🏻
Lukas_Mengestu
30.6.2022, 12:14:59
Hallo A.F, hierzu haben wir in der Tat schon Fälle erstellt. Diese findest du über das Suchfeld bzw. Über folgenden Link: https://applink.jurafuchs.de/2rLbN5olhrb Beste Grüße, Lukas
IsiRider
17.5.2023, 10:51:56
Auf welchen Zeitpunkt der Vertragsstörung stellt man ab? Erster Tag, letzter Tag? Ex ante, ex post? Es konnte ja keiner wissen, wir lange der Zustand andauern würde. Die Gutscheinlösung finde ich für M aber nicht interessengerecht. Wie gestaltet sich in der Praxis die Auszahlung bei Nichteinlösung bis zum Ende des Jahres? Ich kann mir vorstellen, dass sich Fitnessstudios da nicht drauf einlassen wollten.
Aleks_is_Y
27.5.2024, 10:02:13
Der Fall ist zwar schon etwas älter, aber für mich wird nicht ganz deutlich, warum
§ 313 BGBhier keine Anwendung findet. Ich finde die Erklärung könnte da etwas tiefgehender sein.
Nora Mommsen
27.5.2024, 16:53:52
Hallo Aleks_is_y, danke für deine Frage! Im Grunde gibt es zwei verschieden Punkte, bei denen
§ 313 BGBnicht anwendbar ist. Zum einen geht es um die Frage der im Schließungszeitraum trotzdem gezahlten Beiträge. Es liegt ein
gegenseitiger Vertragvor, auf den die Vorschrift über Unmöglichkeit und Wegfall der
Leistungspflicht/Gegenleistung anwendbar sind. Durch die Unmöglichkeit der Zuverfügungstellung des Fitnessstudios (
typengemischter Vertrag) ist auch die Zahlungspflicht des M entfallen. Es handelt sich zwar um von den Parteien unvorhersehbare Umstände, es gibt aber eine gesetzliche Regelung wer das Risiko wie zu tragen hat, sodass eine Vertragsänderung nicht in Betracht kommt. Zum anderen kann sich V aber auch nicht auf eine Vertragsänderung in Form einer Verlängerung des Vertrags um die Schließungszeit berufen und damit letztendlich doch die entsprechenden Monatsbeiträge verlangen, da der Gesetzgeber in Art. 240 Abs. 1 EGBGB eine entsprechende Regelung für den konkreten Fall vorgesehen hat.
§ 313 BGBgreift aber nur, wenn sich die Vertragsumstände derart geändert haben, dass beide Parteien nicht damit gerechnet haben und deshalb auch keine Regelung getroffen wurde und keine gesetzliche Regelung vorliegt. Es muss also eine Lücke in der Risikoverteilung bestehen. Diese besteht nicht, da eine gesetzliche Regelung geschaffen wurde. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Aleks_is_Y
27.5.2024, 16:58:45
Super, vielen Dank für deine schnelle Antwort! Direkte Anschlussfrage, die ich eigentlich auch schon ursprünglich stellen wollte: Ich lese jetzt aus deiner Antwort heraus, dass wenn keine gesetzliche Grundlage (Art. 240 EGBGB) geschaffen worden wäre, möglicherweise Raum für
§ 313 BGBgewesen wäre. Habe ich das richtig verstanden?
Nora Mommsen
27.5.2024, 17:42:44
Hallo Aleks_is_y, gerne! Es gibt dazu tatsächlich Fälle in der aktuellen Rechtsprechung. Die findest du u.a. hier: https://applink.jurafuchs.de/w3QDk3KyWJb. Dort ist genau aufgedröselt wieso und unter welchen Voraussetzungen es zur Anwendung des
§ 313 BGBkommt. Auch in diesem Fall geht es um
§ 313 BGBmit Nachweisen zu weiterer BGH Rechtsprechung in der Thematik. https://applink.jurafuchs.de/WTlCfLUyWJb Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team