Rücktritt vor Reiseantritt

22. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

R bucht auf der Seite des V Flüge und Hotel in einem gemeinsamen Reisepaket für €1500. Allerdings trennt sich Rs Freundin, mit der er die Reise antreten wollte, am Tag vor der Reise von ihm. Daraufhin schreibt er V eine E-Mail, dass er sich vom Vertrag lösen möchte.

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Einordnung des Falls

Rücktritt vor Reiseantritt

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Zwischen R und V besteht ein Pauschalreisevertrag (§ 651a BGB).

Ja!

Unter einem Pauschalreisevertrag versteht man die entgeltliche Verpflichtung eines Reiseveranstalters, mindestens zwei verschiedene Arten von Reiseleistungen für den Zweck derselben Reise (Pauschalreise) einem Reisenden zu „verschaffen“, d. h. in eigener Verantwortung zu erbringen. R hat mit V einen Vertrag über Flüge und ein Hotel geschlossen. Diese Vertragsgegenstände stellen verschiedene Reiseleistungen im Sinne des § 651a Abs. 3 BGB dar. Die Verschaffung dieser Leistungen erfolgt auch entgeltlich. Es liegt ein Pauschalreisevertrag vor.
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2. Wenn die Vertragsparteien kein vertragliches Rücktrittsrecht vereinbart haben, gibt es keine Möglichkeit, sich vom Vertrag zu lösen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Im Pauschalreisevertragsrecht gibt es mehrere Möglichkeiten, sich vom Vertrag zu lösen. Vor Beginn der Reise (§ 651h BGB) ist dies sogar ohne Angabe von Gründen möglich. Form- und Fristerfordernisse bestehen nicht. Nach Antritt der Reise (§ 651l BGB) kommt eine Kündigung in Betracht. Diese ist im Gegensatz zum Rücktritt an besondere Voraussetzungen gebunden.Beachte hier die besonderen Begrifflichkeiten im Reiserecht: Vor Beginn der Reise spricht man vom Rücktritt. Nach Antritt der Reise von einer Kündigung.

3. Hat Rs Reise bereits begonnen?

Nein, das trifft nicht zu!

Der Reisebeginn liegt vor, wenn der Reisende eine der eigentlichen Reiseleistungen zumindest teilweise schon in Anspruch nimmt. R hat noch keine Reiseleistung in Anspruch genommen. In Betracht kommt also ein Rücktritt vor Reisebeginn. Die Rücktrittserklärung muss dabei vor Reisebeginn zugehen.

4. Genügt die Erklärung des R den Anforderungen einer Rücktrittserklärung (§ 651h BGB)?

Ja!

Die Rücktrittserklärung muss den Wunsch zum Ausdruck bringen, von der Durchführung des Vertrags Abstand zu nehmen. Die Erklärung ist gegenüber dem Reiseveranstalter abzugeben. Die Erklärung bedarf keiner Form, kann also auch konkludent erfolgen. Die Erklärung ist gegebenenfalls auszulegen (§§ 133, 157 BGB) Aus Rs Erklärung ergibt sich, dass er nicht länger ab Vertrag festhalten will. Formerfordernisse bestehen nicht. Die Rücktrittserklärung ist also auch per E-Mail möglich. Es liegt also eine taugliche Rücktrittserklärung vor.

5. Die Trennung des R von Freundin ist kein tauglicher Rücktrittsgrund. Ein Rücktritt scheidet daher aus (§ 651h Abs. 1 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Vor Reisebeginn kann der Reisende jederzeit ohne Angabe von Gründen von dem Rauschalreisevertrag zurücktreten. Liegen auf der anderen Seite besondere Gründe vor, kommt ein Rücktrittsrecht nach § 651h Abs. 3 BGB in Betracht. Da es bei dem Rücktrittsrecht nach § 651h Abs. 1 BGB auf einen etwaigen Rücktrittsgrund nicht ankommt, ist die Frage insoweit also eine Fangfrage. Rs Trennung von seiner Freundin ist unerheblich. Er kann ohne Angabe von Gründen zurücktreten, also beispielsweise auch, weil er einfach keine Lust mehr auf die Reise hat.

6. V verliert seinen Anspruch auf Zahlung des vereinbarten Reisepreises (§ 651h Abs. 1 S. 2 BGB).

Ja, in der Tat!

Tritt der Reisende zurück, so verliert der Reiseveranstalter seinen Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis und muss ihn zurückerstatten (§ 651h Abs. 5 BGB). V verliert also seinen Zahlungsanspruch. Er hat aber dafür Entschädigung verlangen.

7. V trägt vor Reiseantritt also das volle Risiko für sämtliche Kosten.

Nein!

Auch wenn der Reiseveranstalter beim Rücktritt den Reisepreis zurückerstatten musse, so geht er keineswegs leer aus. Er kann regelmäßig eine angemessene Entschädigung verlangen (§ 651h Abs. 1 S. 3 BGB), wenn der Reisende zurücktritt. Im Regelfall ist die Höhe einer solchen Entschädigung vorher vertraglich festgehalten. Oft geschieht dies durch AGB (vgl. § 651h Abs. 2 BGB). Ohne entsprechende Regelung ergibt sich die Höhe aus § 651h Abs. 2 S. 2 BGB. Die Entschädigungspflicht entfällt, wenn ein besonderer Rücktrittsgrund (§ 651h Abs. 3 BGB) vorliegt.R steht kein besonderer Rücktrittsgrund zu, weshalb R hier zumindest eine Entschädigung fordern kann. Um die genaue Höhe festzulegen, bedürfte es in einer Klausur mehr Angaben im Sachverhalt.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Steinfan

Steinfan

10.4.2024, 18:40:29

Vielleicht bietet sich hier ein Platz für die Kategorie “Lernen in Zusammenhängen” an :-). In einer der vorigen Fragen wird die Nähe zum Werkvertragsrecht abgefragt. Beim Werkvertragsrecht hat der Besteller vor Fertigstellung ja auch ein Kündigungsrecht ohne Kündigungsgrund, § 648 S. 1 BGB. Auch dort trägt der Werkunternehmer aber nicht einseitig das Risiko, § 648 S. 2, 3 BGB. LG


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