Referendariat

Die zivilrechtliche Urteilsklausur

Erledigung

Gericht unzuständig, weil Streitwert durch Teilerledigung unter €5.000 sinkt?

Gericht unzuständig, weil Streitwert durch Teilerledigung unter €5.000 sinkt?

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K hat gegen B Klage auf Zahlung von €6.000 beim LG erhoben. Nachdem B €3.000 gezahlt hat, erklärt K in der Verhandlung den Rechtsstreit in der Hauptsache in dieser Höhe für erledigt. Dadurch sinkt der Streitwert auf unter €5.000.

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Einordnung des Falls

Gericht unzuständig, weil Streitwert durch Teilerledigung unter €5.000 sinkt?

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Kann der Rechtsstreit in der Hauptsache vom Kläger auch nur teilweise für erledigt erklärt werden?

Ja!

Der Kläger kann den Rechtsstreit auch teilweise einseitig für erledigt erklären. Er begehrt dann Feststellung, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache zu einem bestimmten Teil erledigt ist, wobei dieser Feststellungsantrag dann neben dem reduzierten ursprünglichen Leistungsantrag steht (objektive Klagehäufung, § 260 ZPO).
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2. Auch nach der einseitigen (Teil-) Erledigung beträgt der Streitwert €6.000.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache hat Auswirkungen auf den Streitwert. Es ist zu differenzieren: Bis zum Zeitpunkt der einseitigen Erledigungserklärung berechnet sich der Streitwert wie immer (bei Leistungsklagen nach dem Wert des Leistungsanspruchs). Ab dem Zeitpunkt der einseitigen Erledigungserklärung sinkt der Streitwert auf das Kosteninteresse des Klägers ab und bestimmt sich nach den bis dahin angefallenen und erstattbaren Kosten. Hier hat K den Rechtsstreit teilweise einseitig für erledigt erklärt. Im Fall der einseitigen Teilerledigung bestimmt sich der Streitwert ab dem Zeitpunkt der einseitigen Erledigungserklärung nach dem Hauptsacherest zuzüglich der auf den erledigten Teil angefallenen Gerichts- und Anwaltskosten. Dadurch sinkt der Streitwert hier unter €5.000. Die auf den erledigten Teil angefallenen Kosten errechnet man, indem man von den Gesamtkosten des Rechtsstreits (€2.940 = Gerichtsgebühr (€546,00) + 2x Anwaltskosten (2x 1.184,05€)) die Kosten abzieht, die ohne den erledigten Teil entstanden wären (hier also Gerichts- und Anwaltsgebühren bei Streitwert €3.000 (€1.725 = Gerichtsgebühr (€357)+ 2x Anwaltsgebühr (2x €684,25). Die Differenz beträgt damit €1.215 und der neue Streitwert somit €4.215.

3. Da der Streitwert infolge der einseitigen Teilerledigungserklärung nun unter €5.000 gesunken ist, muss die Klage des K an das Amtsgericht verwiesen werden.

Nein, das trifft nicht zu!

Die nach Rechtshängigkeit erklärte einseitige Teilerledigung ist grundsätzlich für die Zuständigkeit des Gerichts ohne Bedeutung. Denn nach § 261 Abs.3 Nr.2 ZPO wird die Zuständigkeit des Prozessgerichts durch eine Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt (perpetuatio fori). Die einmal begründete Zuständigkeit des LG besteht fort, auch wenn der Streitwert nach Rechtshängigkeit unter €5.000 gesunken ist. Anders ist dies aber, wenn die Teilerledigung bereits im Mahnverfahren erklärt wird; denn dann sinkt der Streitwert bereits vor Abgabe an das Streitgerichts. Liegt er dann bei unter €5.000, so ist das AG zuständig.

4. Der neue Streitwert nach einseitiger Erledigungserklärung wirkt sich in der Praxis zumeist allenfalls bei der Terminsgebühr der Rechtsanwälte aus.

Ja!

In der Praxis wirkt sich der neue Streitwert oftmals nicht aus. Denn die Gerichtsgebühren richten sich nach dem Streitwert zum Zeitpunkt der Antragsstellung (vgl. § 40 GKG), sodass spätere Reduzierungen durch Klagerücknahme bzw. Erledigung sich hierauf erst einmal nicht auswirken. Die Verfahrensgebühr der Rechtsanwälte richtet sich ebenfalls nach dem Gegenstandswert zum Zeitpunkt der Antragsstellung (§ 23 Abs. 1 S. 1 RVG iVm § 40 GKG). Bei der Terminsgebühr kommt es auf den Zeitpunkt der Erledigung an. Wird diese - wie hier - erst in der mündlichen Verhandlung erklärt, so ist die Terminsgebühr bereits entstanden. Diese richtet sich dann nach dem ursprünglichen Gegenstandswert. Wenn die Erledigung dagegen bereits vor der mündlichen Verhandlung erklärt wird, richtet sich die Terminsgebühr nach dem neuen, reduzierten Gegenstandswert. Für die Klausur hat dieser Exkurs kaum Relevanz. Im Examen sind solch schwierige Kostenberechnungen unüblich.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

MAUF

Maurice Fritz

13.3.2023, 22:03:19

Hat der veränderte Streitwert nicht auch Auswirkungen auf die Kostenentscheidung an sich? Angenommen der Kläger verliert mit dem Hauptteil und gewinnt mit dem erledigten Teil, müsste ich ja die Kostenquote auch im Hinblick auf den neuen reduzierten Streitwert bestimmen, oder?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

14.3.2023, 14:54:23

Hallo Maurice Fritz, vielen Dank für die Nachfrage. Die Absenkung des Streitwerts kann sich letztlich nur noch auf die Terminsgebühr auswirken. Denn im Hinblick auf die anwaltlichen Verfahrens- und Gerichtskosten ist der Streitwert zu Beginn des Streits maßgeblich. Wird aber - wie hier - die Erledigung erst im Termin erklärt, so würde der Tenor einfach lauten, "K und B tragen die Kosten des Rechtsstreites jeweils zur Hälfte." Denn im Hinblick auf den erledigten Teil (1/2) hätte K ja Erfolg gehabt, hinsichtlich des verbleibenden Hauptsacheteils (1/2) verliert er. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Daniel G

Daniel G

5.10.2023, 11:59:46

Müsste die Differenz nicht 1188,60€ sein und nicht 1215€ oder vertu ich mich grad? Die schriftliche Rechnung stimmt ansonsten würd ich sagen.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

5.10.2023, 12:54:47

Hallo Daniel G, danke für deine Nachfrage. Ich komme auch bei einer Differenz von 1215 € raus. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Daniel G

Daniel G

5.10.2023, 13:44:34

Also ich rechne 2914,1€ - 1725,5€= 1188,6€. Die RA Gebühren stimmen ja ansonsten.


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