Erledigung zwischen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit

18. Januar 2025

16 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Die Illustration zu diesem Fallbeispil zum Thema "Erledigung vor Rechtshängigkeit" ist aktuell noch in der Erstellung.

K erhebt – nach erfolgloser Mahnung – gegen B Klage auf Zahlung von €6.000. Noch bevor B die Klage zugestellt worden ist, zahlt B nunmehr doch den vollen Betrag an K.

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Einordnung des Falls

Erledigung zwischen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Klage ist im Zeitpunkt der Zahlung durch B bereits rechtshängig.

Nein!

Rechtshängigkeit tritt mit Erhebung der Klage, also mit Zustellung der Klageschrift beim Beklagten ein (§§ 261 Abs.1, 253 Abs.1 ZPO). Die Klage wurde dem B erst zugestellt, nachdem er die Zahlung getätigt hat. Im Zeitpunkt der Zahlung war die Klage somit durch Einreichung der Klageschrift bei Gericht zwar bereits anhängig, jedoch mangels Zustellung der Klageschrift bei B noch nicht rechtshängig. Die Klage ist erst in dem Zeitpunkt der Zustellung an B rechtshängig geworden (§§ 261 Abs. 1, 253 Abs. 1 ZPO).
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2. Aufgrund der Zahlung durch B ist Erledigung eingetreten. Könnte K erfolgreich den Rechtsstreit einseitig für erledigt erklären?

Nein, das ist nicht der Fall!

Wenn der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache einseitig für erledigt erklärt, begehrt er nunmehr Feststellung, dass die ursprünglich zulässige und begründete Klage durch ein nachträgliches, erledigendes Ereignis unzulässig oder unbegründet geworden ist. Dabei muss das erledigende Ereignis aber nach Rechtshängigkeit eingetreten sein. Es fehlt an einem nach Rechtshängigkeit eingetretenen erledigenden Ereignis, da die Zahlung durch B vor Klagezustellung und damit bereits vor Rechtshängigkeit erfolgte. Eine derartige Feststellungsklage müsste daher als unbegründet abgewiesen werden.

3. Statt einer einseitiger Erledigungserklärung kann K die Klage zurücknehmen, um eine Kostenentscheidung gegen B zu erlangen.

Ja, in der Tat!

In Fällen, in denen der Anlass zur Einreichung der Kläger bereits vor Rechtshängigkeit entfallen ist, besteht die Möglichkeit, durch Klagerücknahme gegen den Beklagten eine Kostenentscheidung zu erlangen (§ 269 Abs.3 S.3 ZPO). Wenn der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen ist und die Klage daraufhin vom Kläger zurückgenommen wird, bestimmt sich die Kostentragungspflicht (wie bei § 91a ZPO) unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen (§ 269 Abs.3 S.3 ZPO). Da die Klage ohne die nun erfolgte Zahlung des B Erfolg gehabt hätte und B durch seine Zahlungsverweigerung Anlass zur Klage gegeben hat, ergeht nach der Klagerücknahme ein Beschluss nach § 269 Abs.4 ZPO dahingehend, dass der Beklagte B die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Sofern die Klage aus objektiver Sicht allerdings zu keinem Zeitpunkt Aussicht auf Erfolg hatte, ist § 269 Abs.3 S.3 ZPO nicht anwendbar, weil es dann an einem Anlass zur Einreichung der Klage fehlt.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

PH

PhilippRhein

20.12.2024, 09:17:36

Ergänzend wäre noch zu erwähnen, dass im Falle einer Erledigung vor Rechtsgängigkeit der Klage zumindest ab Abhängigkeit derselben eine übereinstimmende Erledigungserklärung der Parteien möglich ist. Die Klagerücknahmen ist aber meist zweckmäßiger, weil auf die Zustimmung des Beklagten (bzw. das Ausbleiben eines Widerspruchs gegen die Erledigung) natürlich nicht vertraut werden kann und insofern allein die Klagerücknahmen es dem Kläger ermöglicht, sicher eine Billigzeitsentscheidung über die Kosten zu erwirken.


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