Rechtsschutzbedürfnis / Schuldner hat gegen den Titel anderen Rechtsbehelf (Berufung) eingelegt


[...Wird geladen]

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

...Wird geladen
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

G verklagt S erfolgreich aus einem Kaufvertrag auf Zahlung von €1.000. Nach dem erstinstanzlichen Urteil erklärt S den Rücktritt vom Kaufvertrag. Er legt Berufung gegen das Urteil ein. Außerdem will er gegen eine mögliche Vollstreckung durch G vorgehen.

Einordnung des Falls

Rechtsschutzbedürfnis / Schuldner hat gegen den Titel anderen Rechtsbehelf (Berufung) eingelegt

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) ist für S statthaft, um gegen eine drohende Vollstreckung durch G vorzugehen.

Ja!

Die Vollstreckungsabwehrklage ist statthaft (§ 767 Abs. 1 ZPO), wenn der Kläger als Schuldner des Vollstreckungsverfahrens gegen den Beklagten als Vollstreckungsgläubiger materiell-rechtliche Einwendungen gegen den titulierten Anspruch erhebt. Durch einen wirksamen Rücktritt (§§ 346ff. BGB) erlischt der Anspruch auf die Leistung. S macht einen Einwand geltend, der sich gegen den durch das Urteil titulierten Anspruch selbst richtet. Damit ist die Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) statthaft.

2. S hat für die Vollstreckungsabwehrklage ein Rechtsschutzbedürfnis, obwohl er bereits Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegt hat.

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Schuldner hat hinsichtlich desselben materiell-rechtlichen Einwands grundsätzlich die Wahl zwischen Vollstreckungsabwehrklage und Berufung. Sobald er Berufung (§§ 511ff. ZPO) eingelegt hat, entfällt für die Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) das Rechtsschutzbedürfnis. Denn mit der Vollstreckungsabwehrklage könnte der Schuldner lediglich die Vollstreckbarkeit des Titels beseitigen, während er mit der Berufung auf die Vernichtung des Titels selbst abzielt. Die Berufung führt also zu einem weitergehenden Rechtsschutz für den Schuldner. S hat Berufung eingelegt, sodass das Rechtsschutzbedürfnis für die Vollstreckungsabwehrklage entfällt.

3. S kann die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung beantragen, um eine vorläufige Vollstreckung durch G während des Berufungsverfahrens zu verhindern.

Ja, in der Tat!

Das Gericht kann auf Antrag des Schuldners anordnen, dass die Zwangsvollstreckung aus dem erstinstanzlichen Urteil einstweilig gegen oder ohne Sicherheitsleistung eingestellt wird (§ 719 Abs. 1 S. 1 ZPO i.V.m. § 707 Abs. 1 ZPO). S kann sich gegen eine drohende Vollstreckung während des Berufungsverfahrens schützen, indem er einen Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung stellt.

Jurafuchs kostenlos testen


KLAU

Klaus

6.6.2020, 12:26:54

Beschwerdewert unter 600? Dennoch Berufung???

Christian Leupold-Wendling

Christian Leupold-Wendling

18.6.2020, 12:03:16

Hi Klaus, danke für die Anmerkung! Annemarie Schwertfeger hat ja schon zurecht darauf hingewiesen, dass die Berufung nach § 511 Abs. 2 Nr 2 ZPO auch zulässig sein kann, wenn das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat. Aber wir haben den Sachverhalt geändert (nunmehr Kaufpreis: 1.000€), damit das auch ohne weiteres unter § 511 Abs. 2 Nr. 1 (Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 600 Euro) fällt. Denn wir wollen hier kein (berechtigtes) Störgefühl in Bezug auf die Berufung erzeugen, sondern die Grenzen Rechtsschutzbedürfnisses bei der Vollstreckungsabwehrklage aufzeigen. Lieben Gruß

ASC

Annemarie Schwertfeger

10.6.2020, 07:40:12

Das Gericht kann die Berufung ja auch zulassen wenn die Sache grundsätzliche Bedeutung hat §511 Abs. 2, 4 ZPO.

Christian Leupold-Wendling

Christian Leupold-Wendling

18.6.2020, 12:03:56

Liebe Annemarie, vielen Dank für den guten Hinweis auf § 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO! Lieben Gruß

HEVE

Henry Vetter

17.3.2021, 11:37:25

Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt dann aus § 708 Nr. 11 ZPO, richtig?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

18.3.2021, 08:21:39

So ist es :) Bei dem eingeklagten Zahlungsanspruch handelt es sich um eine vermögensrechtliche Streitigkeit. Die Verurteilung übersteigt 1250€ nicht, weswegen das Urteil gem. § 708 Nr. 11 ZPO vorläufig vollstreckbar ist. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

HEVE

Henry Vetter

18.3.2021, 09:46:57

Vielen Dank für die Rückmeldung 😁👍

Isabell

Isabell

3.8.2021, 13:55:17

Mir fehlt im Fall die Angabe, ob die vorläufige Vollstreckbarkeit im Urteil mitausgesprochen wurde? Andernfalls kann doch aus einem noch nicht rechtskräftigen Urteil vollstreckt werden. Dann brauch ich doch aber auch keinen weiteren Antrag bzgl. eines Schutzes gegen die Zwangsvollstreckung stellen. Oder habe ich da was übersehen?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

3.12.2021, 18:04:49

Hallo Isabell, vielen Dank für den Hinweis. Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus unserer Sicht hier bereits aus dem Wörtchen "erfolgreich". Dies umfasst insofern alle Elemente eines ordnungsgemäßen Tenors (Hauptsache / Kostenentscheidung / vorläufige Vollstreckbarkeit). Da hier die vorläufige Vollstreckbarkeit nach § 708 Nr. 11 BGB ohne Sicherheitsleistung möglich ist, besteht hier auch kein großes Proglem. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Isabell

Isabell

3.12.2021, 18:16:04

Hmm... Ja, kann ich nachvollziehen. In der Klausur bekäme ich aber zurecht ordentlich was zu hören, wenn ich keinen vollständigen Tenor abliefern würde. Da im 2. Examen gerade solche Fehler echt böse ins Gewicht fallen, finde ich solche "Abkürzungen" in der Darstellung für die Nutzung im Referendariat nicht optimal.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

3.12.2021, 18:49:10

:D kleine Unterbrechung des Jura Sabbatical? Ginge es hier um die Urteilsklausur, wäre ich ganz bei dir. Aber auch in Klausuren tauchen häufig Abkürzungen im Sachverhalt auf, sofern hier kein Schwerpunkt liegt (zB A kauft etwas von B, ohne auf die Willenserklärungen im Einzelnen einzugehen). Das müssen auch wir manchmal machen, um die Aufgabe zu fokussieren. Aber es ist auf jeden Fall super, dass Du hier die notwendige Sensibilität an den Tag legst. Beste Grüße, Lukas

Isabell

Isabell

3.12.2021, 19:01:34

Dass du dir das gemerkt hast?! Ich bin halt schwach geworden 😅

ELFE9

elfe95

15.7.2022, 18:50:59

Entfällt nicht das Rechtsschutzbedürfnis für Vollstreckungsabwehrklage, solange das Berufungsverfahren noch läuft?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

19.7.2022, 12:20:30

Hallo elfe95, genau richtig. Für die Vollstreckungsabwehrklage gem. § 767 ZPO entfällt durch die Berufung aufgrund der weitergehenden Wirkung die Rechtskraft. Durch die Berufung wird nicht nur die Vollstreckbarkeit des Titels angegriffen sondern sie zielt auf die Beseitigung des gesamten Titels. Ein Urteil kann aber für vorläufig vollstreckbar erklärt werden. Diese vorläufige Vollstreckung kann auch während des Berufungsverfahrens erfolgen, sodass hiergegen gesondert Rechtsschutz gesucht werden muss. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team


© Jurafuchs 2024