Rechtsschutzbedürfnis / Zwangsvollstreckung „droht“ / Rückgabe des Titels


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G verklagt S erfolgreich auf Zahlung von €10.000. G lässt sich eine vollstreckbare Ausfertigung des Urteils erteilen. Ein Gerichtsvollzieher pfändet im Auftrag von G €10.000 in bar bei S. G bleibt im Besitz der vollstreckbaren Ausfertigung des Urteils.

Einordnung des Falls

Rechtsschutzbedürfnis / Zwangsvollstreckung „droht“ / Rückgabe des Titels

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. S kann mit der Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) gegen eine mögliche Zwangsvollstreckung vorgehen.

Ja!

Die Vollstreckungsabwehrklage ist statthaft (§ 767 Abs. 1 ZPO), wenn der Kläger als Schuldner des Vollstreckungsverfahrens gegen den Beklagten als Vollstreckungsgläubiger materiell-rechtliche Einwendungen gegen den titulierten Anspruch erhebt. S kann den materiell-rechtlichen Einwand geltend machen, er habe den Anspruch bereits erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB). Die Pfändung von Bargeld gilt als Zahlung durch den Schuldner (§ 815 Abs. 3 ZPO). Die Vollstreckungsabwehrklage ist für S statthaft.

2. Mit der Ablieferung des Geldes bei G entfällt das Rechtsschutzbedürfnis des S für eine Vollstreckungsabwehrklage.

Nein, das ist nicht der Fall!

Für die Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) besteht ein Rechtsschutzbedürfnis, wenn die Zwangsvollstreckung droht oder schon begonnen hat und noch nicht beendet ist. Zwar endet die Zwangsvollstreckung grundsätzlich mit der Ablieferung des gepfändeten Geldes bei dem Gläubiger. Hier hat der Gerichtsvollzieher aber entgegen § 757 Abs. 1 ZPO dem S nicht die vollstreckbare Ausfertigung übergeben. Solange G diese noch in den Händen hält, könnte er damit nochmals vollstrecken. Die Zwangsvollstreckung „droht“ also weiterhin und das Rechtsschutzbedürfnis des S besteht fort.

3. S kann die Vollstreckungsabwehrklage mit einer Klage auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung des Urteils verbinden.

Ja, in der Tat!

Es hilft dem Schuldner wenig, wenn das Gericht auf seine Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) hin die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt, der Gläubiger aber die vollstreckbare Ausfertigung behalten und damit weiter vollstrecken könnte. S hat daher einen Anspruch auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung (§ 371 S. 1 BGB analog). Diesen Anspruch kann S - bei Vorliegen der Voraussetzungen einer objektiven Klagehäufung (§ 260 ZPO) - als Leistungsklage zusammen mit der Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) einklagen.

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Isabell

Isabell

27.2.2021, 16:20:32

In diesem Kategorie fehlt immer mal ein Leerzeichen vor dem orangenen Text 😊

Marilena

Marilena

27.2.2021, 16:44:06

Danke für den Hinweis, Isabell! Da liegt ein technischer Fehler vor, was die fehlenden Leerzeichen angeht. Werden wir in Kürze beheben. Dir ein schönes Wochenende und liebe Grüße für das Jurafuchs-Team, Marilena

Isabell

Isabell

27.2.2021, 16:46:59

Faszinierend, wie sich technische Fehler auswirken können.

EVA

evanici

9.9.2023, 12:00:27

Ich verstehe nicht ganz, warum hier nicht die Vollstreckungserinnerung § 766 einschlägig ist, schließlich verletzt doch der Gerichtsvollzieher seine Pflicht aus § 757 zur Übergabe des Titels und Quittung und somit ist doch auch die Art und Weise der Zwangsvollstreckung betroffen. Oder muss man hier ganz pragmatisch sagen, dass der

Vollstreckungsgläubiger

ja im Besitz der vollstreckbaren Ausfertigung ist und deswegen er der richtige Anspruchsgegner ist, weil der

Vollstreckungsschuldner

einen Herausgabeanspruch gegen ihn auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung hat? Weiterhin verstehe ich nicht, wieso man auf § 371 analog abstellt und nicht auf sachenrechtliche Herausgabeansprüche.

VALA

Vanilla Latte

7.10.2023, 22:15:35

Das habe ich mich gerade auch gefragt

flari0n

flari0n

24.3.2024, 17:28:53

Gute Frage, die stellt sich mir auch. Grds. würde man ja denken, dass hier die Vollstreckungserinnerung statthaft sein müsste (was auch Seiler, inRn.Thomas/Putzo, 43. Aufl. 2022, § 757 Rn. 5 vertritt). Dann würde es sich nicht um Urteils-, sondern um ein Beschlussverfahren handeln, sodass die Voraussetzungen für eine Klagehäufung nicht vorliegen würden (wenn ich das in den Lektionen zuvor richtig verstanden habe). Wenn man aber davon ausgeht, dass ein Anspruch aus § 371 S. 1 BGB analog vorliegt, dann wäre dieser ja im Wege einer Leistungsklage, also eines Urteilsverfahrens geltend zu machen, was wiederum für eine objektive Klagehäufung mit der Vollstreckungsabwehrklage geeignet wäre. Ne Einschätzung von den JF-Menschen wäre sehr hilfreich! :)

SDEE

SDee

20.3.2024, 10:10:19

Wie ist der Meinungsstand zur hier zitierten ASGL aus § 371 BGB analog? § 371 BGB analog scheint eher zu passen, wenn die Urkunde beim Gläubiger verbleibt. § 757 ZPO analog hingegen auf den hiesigen Fall, in dem der Gerichtsvollzieher die vollstreckbare Ausfertigung einbehält.

SDEE

SDee

20.3.2024, 10:13:37

Lt. BGH muss der Schuldner meines Wissens nach zunächst eine Vollstreckungsgegenklage durchführen, bevor er den Titel herausverlangen kann. Zulässig, da prozessökonomisch, ist aber, beides gleichzeitig zu erheben. Diesen Hinweis vielleicht ergänzen, da genau dies hier ja erfolgen soll?


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