Öffentliches Recht
Verwaltungsrecht AT
Der Verwaltungsakt
Verwaltungsakt nach § 35 S. 1 VwVfG – „Wiederholende Verfügung mit Rechtsbehelfsbelehrung
Verwaltungsakt nach § 35 S. 1 VwVfG – „Wiederholende Verfügung mit Rechtsbehelfsbelehrung
30. Juni 2025
31 Kommentare
4,8 ★ (53.705 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
C wird per Bescheid zur Beseitigung einer Antenne verpflichtet. C unternimmt nichts, der Bescheid wird bestandskräftig. C bittet die Behörde, den Sachverhalt erneut zu prüfen. Die Behörde verweist in ihrem, mit "Verfügung" überschriebenen, Antwortschreiben mit Rechtsbehelfsbelehrung auf den ursprünglichen Bescheid.
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Einordnung des Falls
Verwaltungsakt nach § 35 S. 1 VwVfG – „Wiederholende Verfügung mit Rechtsbehelfsbelehrung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der mit Rechtsbehelfsbelehrung versehene Verweis der Behörde auf ihren ursprünglichen Bescheid ist eine "hoheitliche Maßnahme" einer "Behörde" (§ 35 S. 1 VwVfG).
Ja!
2. Der mit Rechtsbehelfsbelehrung versehene Verweis der Behörde auf ihren ursprünglichen Bescheid beinhaltet eine Regelung in der Sache (Antenne) (§ 35 S. 1 VwVfG).
Nein, das ist nicht der Fall!
Bezüglich des ursprünglichen Begehrens (Antenne) verweist die Behörde lediglich auf den bereits unanfechtbaren Verwaltungsakt ("wiederholende Verfügung"). Es liegt insoweit gerade keine neue Regelung i.S.v. § 35 S. 1 VwVfG vor. Anders wäre es, wenn die Behörde eine erneute Sachentscheidung treffen würde, die Sache also erneut prüfen würde (auch wenn sie zum gleichen Ergebnis käme). Dann erginge ein sogenannter "Zweitbescheid" der Regelungswirkung aufweist und ein Verwaltungsakt ist.
3. Das Antwortschreiben mit Rechtsbehelfsbelehrung hat keinerlei Regelungswirkung (§ 35 S. 1 VwVfG).
Nein!
4. Auch wenn dem Antwortschreiben jegliche Regelungswirkung nach § 35 S. 1 VwVfG fehlen würde, wäre die Anfechtungsklage statthaft.
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
iustus
5.6.2021, 22:33:15
Aber könnte man nicht schon einen VA Kraft äußeren Scheins annehmen?

Lukas_Mengestu
7.6.2021, 00:43:38
Hallo iustus, Deine Frage geht in die Richtung des letzten Antworttextes. Wenn eine behördliche Handlung materiell-rechtlich nicht die Voraussetzungen eines VAs erfüllt, die
Behördedem Ganzen aber den Anschein gibt, dass es sich um einen VA handele, so kann man sich hiergegen - trotz Fehlen der Voraussetzungen des § 35 VwVfG - mit der
Anfechtungsklagewehren. Dies ist Ausprägung des in Art. 19 Abs. 4 GG normierten Gebot des effektiven Rechtsschutzes. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
chuck lawris
13.10.2021, 08:05:55
Ich hätte nach §§ 133,
157 BGBdarauf abgestellt, dass durch die Rechtsbehelfsbelehrung der VA auch materiell zur Regelung führt. Denn die
Behördestellt mit dem Schreiben fest, dass sich in der Sachlage nichts geändert hat und setzt daraus einen Rechtsfolge (verbindliche Rechtsfolgen-Feststellung), und fügt die Belehrung bei. Wozu die Belehrung, wenn sie selbst davon ausgeht, dass sie nicht per VA bescheidet? :)

Lukas_Mengestu
13.10.2021, 10:26:06
Hallo chuck lawris, in der Praxis kommt es in der Tat maßgeblich darauf an, wie das Antwortschreiben auszulegen ist. Die von Dir gewählte Auslegung geht in die Richtung des "
Zweitbescheides", bei dem die
Behördenoch einmal eine Prüfung vornimmt und dann zu dem Ergebnis kommt, es hat sich nichts geändert. Der Sachverhalt soll hier indes darauf abzielen, dass die
Behördeohne weitere Prüfung einfach auf ihren vorherigen Bescheid verweist. Insofern fehlt es hier an der
notwendigen inhaltlichen
Regelungswirkung. Aufgrund des äußeren Scheins ist hiergegen trotzdem die
Anfechtungsklagestatthaft ist. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Annabelle
23.6.2022, 22:22:06
Hier handelt es sich um einen sog. formalen VA oder? Also VA (+) nur aufgrund des äußeren Anscheins.

Lukas_Mengestu
24.6.2022, 11:55:01
Hallo Annabelle, genau, prozessual würde man dies hier als Bescheid behandeln, gegen den sich C mit der
Anfechtungsklagewehren kann (s. parallelen Thread). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Sniter
8.11.2023, 22:49:58
Liebes Team, aber es ist doch gerade nicht nur prozessual ein VA, wenn man sagt, dass du
Regelungswirkung-wie das BverwG es vertritt- in der Ablehnung vom §
51 VwVfGliegt. Freilich liegt auch ein formaler VA vor. Ich würde beides annehmen, also zweigleisig fahren, oder liege ich gerade falsch?
okalinkk
18.4.2025, 21:36:00
Frage ich mich auch @[Sniter](188129)
🔥1312🔥
5.7.2022, 07:26:35
Würde hier nicht die
Verpflichtungsklagedem klägerischem Begehr entsprechen? Allein die
Anfechtungsklagewürde C doch nur so stellen wie er ohne die zweite "Verfügung" stehen würde, was ihn aber seinem eigentlichen Ziel nicht näher bringt.

Nora Mommsen
9.8.2022, 10:38:42
Hallo 1312, gegen den zweiten Bescheid ist die
Verpflichtungsklagenicht statthaft. Wie aber im Antworttext auch erläutert, könnte C
Verpflichtungsklagegerichtet auf Wiederaufnahme des Verfahrens in Bezug auf den ersten Bescheid erheben. Das macht aber nur Sinn, wenn der zweite Bescheid zudem beseitigt wird mittels
Anfechtungsklage. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Reus04
13.4.2023, 18:15:30
Hey Nora, also bezüglich des Antwortschreibens ist die
Anfechtungsklagestatthaft. Danach ist erst die
Verpflichtungsklagebzgl. des Bescheids statthaft. Hab ich das richtig verstanden?

Simon
29.11.2024, 13:54:14
M.M.n. ist hier nur die
Verpflichtungsklagestatthaft. Die vorherige Anfechtung eines ablehnenden VA ist - wie schon § 74 II VwGO zeigt - nicht nötig. Zudem erscheint das
Rechtsschutzbedürfniszweifelhaft, da das eigentliche Ziel des Klägers (= Wiederaufgreifen des Verfahrens und Erlass eines
Zweitbescheids) durch die
Verpflichtungsklageeinfacher zu erreichen ist. Umstritten ist lediglich, ob die Klage nur auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach
§ 51 VwVfGgerichtet ist oder gleich auf Erlass eines
Zweitbescheids (wobei die Voraussetzungen des
§ 51 VwVfGdann als Vorfrage zu prüfen wären). Dazu auch Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2023, § 51 Rn. 69: "Lehnt die
Behördeeinen Antrag auf Wiederaufgreifen ab, ist eine
Verpflichtungsklagemit dem Ziel, die
Behördezum Wiederaufgreifen als solchem zu verpflichten, zu erheben."

Juraluchs
27.4.2025, 21:29:12
Hier herrscht meines Erachtens einiges an Verwirrung. Deshalb wäre es sehr schön, wenn seitens des Teams nochmal nachgelegt werden könnte. Auf die Gefahr hin, diese noch etwas zu vergrößern: Das von Nora geschilderte prozessuale Vorgehen leuchtet auch mir nicht ein. Eine
Anfechtungsklagegegen den zweiten Bescheid ist m.E. höchstens dann einschlägig, wenn dieser keine
wiederholende Verfügungmit
konkludenter Ablehnung des Wiederaufgreifens, sondern ein echter
Zweitbescheidmit Sachentscheidung ist (Sachs, in: S/B/S § 51 Rn. 74). Hierfür spricht vorliegend die Rechtsbehelfsbelehrung (Sachs, in: S/B/S § 51 Rn. 59). Dann bedarf es aber -meine ich, abweichend von Nora- nicht einer zusätzlichen
Verpflichtungsklageauf Wiederaufnahme des Verfahrens. Nimmt man für den
Zweitbescheidjedoch an, dass trotz der Rechtsbehelfsbelehrung lediglich das Wiederaufgreifen abgelehnt worden ist, halte ich die Ausführungen von Simon (
Verpflichtungsklage) für triftig.

Juraluchs
27.4.2025, 21:33:57
Die Antworten in den parallelen Threads sind in diesem Zusammenhang ebenfalls zu hinterfragen.
Aleton
1.6.2025, 12:08:44
@[Juraluchs](159960) Also ich bin auch deiner Meinung, dass man mit der
Verpflichtungsklageeher dem Begehr des Klägers erfüllt. Aber eins verstehe ich nicht ganz. Inwiefern ist es im Falle eines
Zweitbescheids zielführend, wenn wir gegen diesen Eine
Anfechtungsklageerheben? Der Erstbescheid entfaltet dennoch weiter seine Wirkung. Wäre es auch nicht hier zielführender nur eine
Verpflichtungsklagezum Wiederaufgreifen des Verfahrens zu erheben? Ich sehe halt keine Konstellation in diesem Bereich, wo eine
Anfechtungsklageirgendwie hilfreich wäre.

In dubio pro libertate
11.12.2023, 15:30:18
Ich habe Schwierigkeiten den dritten Antworttext zu verstehen. Worin liegt die
Regelungswirkungdes Antwortschreibens? Jetzt muss C das Antwortschreiben (formaler VA) zunächst anfechten (anders als davor, als er unmittelbar mit
Verpflichtungsklageauf
§ 51 VwVfGgegen die erste Verfügung vorgehen konnte) - liegt hierin die
Regelungswirkungdes Antwortschreibens?

Christine
26.2.2025, 20:44:18
In der Frage vorher wird davon gesprochen, dass nur noch eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach
§ 51 VwVfGin Frage kommen würde. Dieser setzt allerdings voraus, dass der VA bereits Bestandskraft entfaltet hat. Des Weiteren wird auch im SV angegeben, dass der VA Bestandskraft entfaltet hat. Das wieder herum bedeutet automatisch, dass eine
Anfechtungsklagenach
§ 74 VwGOverfristet
und damit auch nicht mehr statthaft ist. In der letzten Frage wird dann behauptet, ob die
Anfechtungsklagewäre statthaft. Das kann aber, aufgrund der dargelegten Gründen nicht stimmen, oder irre ich mich da komplett?
okalinkk
18.4.2025, 21:38:44
wieso soll hier in dem zweiten Bescheid nur ein
formeller VAvorliegen? wir gehen doch gerade davon aus, dass er in Bezug auf das Wiederaufnahmeverfahren ein VA ist? ————————- hat sich erledigt, die letzte Frage von euch ist hypothetisch gemeint :)