Öffentliches Recht
Grundrechte
Körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 GG)
Eingriff in körperliche Unversehrtheit durch Fluglärm
Eingriff in körperliche Unversehrtheit durch Fluglärm
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Anwohner A wohnt sehr dicht an der Start- und Landebahn des großen Flughafens Düsseldorf-Lohausen. Er meint, der Lärm beeinträchtige ihn in seiner körperlichen Unversehrtheit und fordert vom Staat Schutzmaßnahmen. Er fürchtet, dass es noch lauter wird bei Ausbau der Flugrouten.
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Einordnung des Falls
Eingriff in körperliche Unversehrtheit durch Fluglärm
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Auch das psychische Wohlbefinden kann vom Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 GG) erfasst sein.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Der sachliche Schutzbereich der körperlichen Unversehrtheit ist wegen des psychischen Wohlbefindens des A eröffnet.
Genau, so ist das!
3. Damit eine staatliche Schutzpflicht besteht, muss zwingend ein Grundrechtseingriff vorliegen.
Nein, das trifft nicht zu!
4. Lärm kann einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit darstellen.
Ja!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Claudia
11.1.2022, 13:00:16
Wie würde man das in der Klausur prüfen? Für den Fall, kein Eingriff vorliegt.. würde der Prüfungspunkt dann Grundrechtsgefährdung lauten und sich danach dennoch die Rechtfertigung anschließen?
Wendelin Neubert
11.1.2022, 18:06:30
Hallo Claudia, danke für deine Fragen. Zunächst: so würde dieser fall niemals in einer Klausur vorkommen. Die rechtlichen Regelungen, die die Genehmigung eines Flughafenbetriebs sowie der Flugrouten betreffen, sind äußerst komplexes besonderes Verwaltungsrecht und nicht Prüfungsstoff. Der Fall soll verdeutlichen, dass auch Lärmbelästigungen einen Eingriff in Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG begründen können bzw dass der Gesetzgeber seine grundrechtliche Pflicht zum Schutz der Gesundheit auch in solchen Fällen nachkommen muss. In der Praxis müsste sich die Betroffene auf dem Rechtsweg gegen den luftverkehrsrechtlichen Planfeststellungsbeschluss wenden. Das zulässige Maß an Lärmbelastung wird dabei im Rahmen von Sachverständigen-Gutachten ermittelt und es stets Gegenstand von Streit. Hoffe das hilft!
Claudia
12.1.2022, 08:55:19
Dankeschön!
Sassun
17.9.2024, 16:44:02
Könnte mir jemand bitte erklären, was es mit der "
Unerheblichkeit" auf sich hat. In diesem Kapitel wurde sie vermehrt beim Eingriff angesprochen. Der Eingriff umfasst doch aber eigentlich nur Ausführungen zum klassischen und modernen
Eingriffsbegriff. Damit hätte die Erheblichkeit der Schutzbereichsverletzung doch eher weniger zu tun. Ich glaube ich stehe auf dem Schlauch was den Aufbau in der Klausur angeht. Aus der Lösung lese ich folgenden Aufbau: I. Schutzbereich 1. Persönlich [+] 2. Sachlich, Def. Körperliche Integrität [+] II. Eingriff Erheblichkeit? [...]
hannabuma
1.12.2024, 17:08:02
Ich würde sagen dein Aufbau passt soweit, nur dass man beim Eingriff noch zwischen klassischem und modernem
Eingriffsbegriffunterscheiden muss. Die Erheblichkeit prüfst du dann iRd modernen
Eingriffsbegriffs als Voraussetzung. In manchen Definitionen ist die Erheblichkeit auch schon als VSS enthalten, wie zum Beispiel in dieser: Nach dem modernen
Eingriffsbegriffliegt ein Grundrechtseingriff vor, wenn eine staatliche Maßnahme ein grundrechtlich geschütztes Verhalten ganz oder teilweise unmöglich macht, (gleichgültig, ob diese Wirkung final oder unbeabsichtigt, unmittelbar oder mittelbar, rechtlich oder tatsächlich, mit oder ohne Befehl und Zwang erfolgt), sofern die Beeinträchtigung zurechenbar und von einigem Gewicht ist. „von einigem Gewicht“ ist hier das Einfallstor für eine Erheblichkeitsprüfung In einem anderen Fall stand hierzu noch: „In Grundrechte kann nach dem „modernen“ Eingriffsverständnis auch mittelbar eingegriffen werden. Das bedeutet, dass auch faktische Beeinträchtigungen einen Eingriff in die Meinungsfreiheit darstellen können. Es ist allerdings erforderlich, dass die Beeinträchtigung von gewisser Erheblichkeit ist. Bloße Belästigungen stellen keinen Grundrechtseingriff dar. Dies ist nach einem objektiven Maßstab zu bestimmen. Subjektives Empfinden genügt nicht.“
SM2206
12.1.2025, 18:08:22
Die von euch hier immer wieder gebrachte Definition des (modernen) Eingriffs als "jedes staatliche Handeln, das dem Einzelnen ein Verhalten, das in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt, ganz oder teilweise unmöglich macht", passt nicht bei Grundrechten, die Zustände schützen, z.B. beim Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 II 1 GG. Geschützt ist hier nämlich vornehmlich gar kein Verhalten, sondern ein Zustand, eben der am Leben oder körperlich unversehrt zu sein. Die eingangs genannte Eingriffsdefinition ließe sich hier in der Klausur also nicht sinnvoll subsumieren. Das ließe sich vermeiden, indem man offener formuliert, also z.B.: "Eingriff ist jede dem Staat zurechenbare Beeinträchtigung einer vom Schutzbereich erfassten Position."