Referendariat

Die Revisionsklausur im Assessorexamen

Begründetheit I: Vorliegen der Verfahrensvoraussetzungen

Nachtragsanklage - Verhältnis von Nachtragsanklage und Verfahrensverbindung

Nachtragsanklage - Verhältnis von Nachtragsanklage und Verfahrensverbindung

21. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A ist wegen mehrfachen Kindesmissbrauchs angeklagt. Die Geschädigte schildert im Prozess weitere Taten. Die Staatsanwaltschaft klagt diese Taten neu an. Dann beantragt sie die Verbindung mit der anhängigen Sache. Richterin R beschließt ohne Zustimmung von A die Verbindung.

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Einordnung des Falls

Nachtragsanklage - Verhältnis von Nachtragsanklage und Verfahrensverbindung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Nach Eröffnung des Hauptverfahrens ist eine Verbindung von mehreren Verfahren stets unzulässig (§ 4 Abs. 1 StPO).

Nein, das ist nicht der Fall!

§ 4 Abs. 1 StPO eröffnet die Möglichkeit, zusammenhängende Strafsachen auch nach Eröffnung des Hauptverfahrens auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder des Angeklagten zu in einem Verfahren zu verbinden. Die Verbindung kam vorliegend in Betracht, da A mehrerer Straftaten beschuldigt wurde (vgl. § 3 StPO).
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2. Die Verbindung der Verfahren nach Eröffnung des Hauptverfahrens war vorliegend ohne Zustimmung des A zulässig (§ 4 Abs. 1 StPO).

Nein, das trifft nicht zu!

Die Verbindung ist unzulässig, wenn eine weitere Anklage gegen denselben Angeklagten außerhalb der Hauptverhandlung erhoben und zu einem bereits anhängigen Verfahren in einer laufenden Hauptverhandlung hinzuverbunden wird, sofern dadurch die Voraussetzungen der Nachtragsanklage (§ 266 StPO) umgangen werden (wie hier die Zustimmung des Angeklagten). Die Nachtragsanklage ist also Spezialregelung zu § 4 StPO, die speziell für die Fälle geschaffen wurde, in denen während der Hauptverhandlung neue Tatsachen zutage treten, die eine neue Tat darstellen und über die im gleichen Verfahren entschieden werden soll.

3. Wenn das Gericht ohne As Zustimmung die Taten verbinden will, ist dies nur möglich, wenn die Hauptverhandlung insgesamt neu begonnen wird.

Ja!

Liegen die Voraussetzungen der Nachtragsanklage (§ 266 StPO) nicht vor, hat der Tatrichter zwei Möglichkeiten. (1) Er kann zunächst die begonnene Hauptverhandlung im ursprünglichen angeklagten Umfang zum Abschluss bringen und über die weitere Anklage in einem gesonderten Verfahren entscheiden. (2) Er kann auch beide Verfahren nach § 4 StPO verbinden und sie insgesamt zum Gegenstand einer neu zu beginnenden, einheitlichen Hauptverhandlung machen. Das Gericht wird im Einzelfall abwägen, was weniger belastend ist: ein Neustart mit dem Verlust der bisherigen Beweisergebnisse oder eine doppelte Beweisaufnahme.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

PI

Pit

16.5.2024, 16:48:53

Als Merkhilfe dient für mich der Titel von § 4 StPO. Der spricht von "Verbindung und Trennung RECHTSHÄNGIGER Strafsachen". Tritt eine neue

prozessuale Tat

auf, so wurden diese mangels Anklage noch nicht "rechtshängig". Das Problem hierbei ist allerdings, dass dadurch nicht der Fall erfasst wird, dass das Gericht den Prozess insgesamt von vorn beginnen kann. Ergibt sich so leider nicht direkt aus der Kommentierung von § 4 StPO (M-G/S, 66. Aufl., Rn. 9), sondern erst aus der dortigen Verweisung in § 266 StPO (M-G/S, 66. Aufl., Rn. 4).


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