In der Anklage bezeichnete, aber nicht angeklagte Tat

21. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A ist wegen Körperverletzung angeklagt. Im Anklagesatz wird auch das Tage vorher stattfindende Geschehen, das zur Tat führte, beschrieben. Das Gericht sieht im Vortatgeschehen eine strafbare Nötigung und verurteilt A auch wegen dieser. A geht in Revision.

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Einordnung des Falls

In der Anklage bezeichnete, aber nicht angeklagte Tat

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Nötigung und Körperverletzung stellen verschiedene prozessuale Taten dar. Kann das Gericht die Nötigung dennoch aburteilen, nur weil sie im Konkretum der Anklage beschrieben ist?

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach dem Anklagegrundsatz ist die Staatsanwaltschaft die Anklagebehörde (§ 152 Abs. 1 StPO). Sie allein entscheidet darüber, welches Geschehen angeklagt wird und welches nicht. Auch wenn der Sachverhalt der Nötigung in der Anklage hinreichend genau beschrieben war, ist es dem Gericht versagt, über diesen Sachverhalt zu entscheiden. Angeklagt sind nur die Taten, auf die sich der Verfolgungswille der Staatsanwaltschaft bezieht. Zwar gilt das Legalitätsprinzip, wonach die Staatsanwaltschaft verpflichtet ist, bei einem Anfangsverdacht einzuschreiten. Allerdings ist es nicht zwingend, alle Sachverhalte zum Gegenstand derselben Anklage zu machen.
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2. Der Verfolgungswille der Staatsanwaltschaft ist nur gegeben, wenn das beschriebene Delikt auch im Abstraktum rechtlich gewürdigt wird.

Nein, das trifft nicht zu!

Ob ein konkreter Lebenssachverhalt zum Verfahrensgegenstand gehören soll, ist durch Auslegung der Anklageschrift zu ermitteln. Diese ist aus sich heraus zu interpretieren. Auch ohne Angabe des konkreten Delikts im Abstraktum kann der Verfolgungswille der Anklageschrift entnommen werden. Die Beschreibung eines strafrechtlich relevanten Geschehens im Anklagesatz ist ein Indiz dafür, dass dieses Geschehen vom Verfolgungswillen der Staatsanwaltschaft umfasst ist. Die Auslegung kann aber im Einzelfall etwas anderes ergeben. Insbesondere, wenn erkennbar ist, dass die Beschreibung nur zum Verständnis der offensichtlich angeklagten Tat dienen soll.

3. Liegt der Verfolgungswille nicht vor, hebt das Revisionsgericht das Urteil auf und stellt im Bezug auf die Nötigung das Verfahren ein (§ 354 Abs. 1 StPO).

Ja!

Liegt der Verfolgungswille nicht vor, fehlt es im Bezug auf den Sachverhalt, der die Nötigung beschreibt, an einer wirksamen Anklage, welche eine Verfahrensvoraussetzung darstellt. Das Revisionsgericht muss das Urteil aufheben und das Verfahren im Bezug auf die Nötigung einstellen (§ 354 Abs. 1 StPO). Im Übrigen wird das Urteil an einen anderen Spruchkörper des Ausgangsgerichts zurückverwiesen (§ 354 Abs. 2 StPO). Der BGH entscheidet in analoger Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst, wenn nur noch eine prozessuale Tat verbleibt und sich die Einzelstrafe durch das Wegfallen der übrigen Taten nicht verändern wird.
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