Zivilrecht

Examensrelevante Rechtsprechung ZR

Entscheidungen von 2022

Auseinandersetzung nichtehelicher Lebensgemeinschaft über Baugrundstück

Auseinandersetzung nichtehelicher Lebensgemeinschaft über Baugrundstück

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

M und F sind ein Paar. Sie erwerben gemeinsam ein Grundstück, wobei M der F für ihren hälftigen Kaufpreisanteil €40.000 „leiht“. Nach Beginn des Hausbaus scheitert die Beziehung. F baut das Haus fertig und nutzt es allein. Mit M klärt F mündlich, dass sie seinen Grundstücksteil gegen Zahlung von €40.000 erhalten soll. Zudem soll sie erst im Anschluss das eingeräumte Darlehen zurückzahlen müssen. M überlegt es sich anders.

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Einordnung des Falls

Auseinandersetzung nichtehelicher Lebensgemeinschaft über Baugrundstück

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Aufgrund der mündlichen Vereinbarung hat F gegen M einen Anspruch auf Übertragung seines Eigentumsanteils an dem Grundstück (§ 311 Abs. 1 BGB).

Nein!

Ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen, muss notariell beurkundet werden (§ 311b Abs. 1 S. 1 BGB).  Dies gilt auch, wenn lediglich ein Anteil an einem Grundstück übertragen werden soll. Ein Verstoß gegen diese Formvorschrift führt zur Nichtigkeit der Vereinbarung (§ 125 S. 1 BGB). F und M habe keinen Notarvertrag geschlossen, als sie vereinbart haben, dass M ihr seinen Grundstücksanteil überträgt. Vielmehr haben sie dies bloß mündlich vereinbart. Wegen Verstoßes gegen den § 311b Abs. 1 S. 1 BGB ist ihre Vereinbarung mithin unwirksam.
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2. Dass M sich auf den Formmangel beruft, ist nicht treuwidrig, sofern beiden Parteien der Formmangel bewusst war.

Genau, so ist das!

Die Berufung auf die Formunwirksamkeit kann nur unter sehr strengen Voraussetzungen als treuwidrig (§ 242 BGB) angesehen werden. Dafür müssen die Rechtsfolgen der Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts für die betroffene Partei nicht nur hart, sondern schlechthin untragbar sein (so z.B. bejaht bei Existenzvernichtung). Die Berufung auf die Formunwirksamkeit ist dann nicht treuwidrig, wenn beide Parteien die Formbedürftigkeit des Rechtsgeschäfts kannten. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass die Nichtigkeit der Vereinbarung für F schlechthin untragbar wäre. M darf sich daher auf den Formmangel berufen. Im Orginalfall wussten beide Parteien um den Formmangel, sodass allein deshalb ein Verstoß gegen § 242 BGB ausgeschlossen war.

3. Haben F und M durch den geplanten Hausbau eine GbR gegründet, sodass F ein Übertragungsanspruch wegen der Auflösung der GbR aus § 735 Abs. 1 BGB zusteht?

Nein, das trifft nicht zu!

§ 735 BGB regelt die Liquidation der Gesellschaft. Auch bei einer Lebensgemeinschaft kann sich die Vermögensauseinandersetzung nach Beendigung nach den gesellschaftsrechtlichen Regeln richten. Dafür müssten die Partner aber zunächst ausdrücklich oder konkludent einen GbR-Gesellschaftsvertrag geschlossen haben. Dazu müssten sie sich verpflichtet haben, einen gemeinsamen Zweck zu fördern. Wird ein Zweck verfolgt, der nicht über die Verwirklichung der Beziehung hinausgeht, ist das Vorliegen eines auf die Errichtung einer GbR gerichteten Rechtsbindungswillens sehr zweifelhaft. Der Hausbau diente lediglich der Verwirklichung der Lebensgemeinschaft von F und M. Zudem hatten sie bereits vereinbart, die Kosten hälftig zu tragen und dafür einen Darlehensvertrag abgeschlossen. OLG: Diese eigenständigen Vereinbarungen stünden der Annahme eines konkludent geschlossenen Gesellschaftsvertrags entgegen (RdNr 36f.)

4. Ohnehin ist eine mündliche Vereinbarung über die Auseinandersetzung einer Gesellschaft, mit der Eigentum an einem Grundstück übertragen werden soll, formnichtig (§§ 311b Abs. 1 S. 1, 125 BGB).

Ja!

§ 311b Abs. 1 BGB gilt für alle auf eine Änderung der Eigentumsordnung gerichteten Verpflichtungsgeschäfte. OLG: Auch für Auseinandersetzungsvereinbarungen zwischen Gesellschaftern gelte der § 311b Abs. 1 S. 1 BGB, sofern mit der Auseinandersetzung Grundstücksübertragungspflichten einhergehen. Somit bedürfe es zur Wirksamkeit der Vereinbarung der notariellen Beurkundung (RdNr. 38). Auch bei einer Bruchteilsgemeinschaft kommt zwar ein Aufhebungsanspruch in Betracht (§ 749 BGB). Ohne Vereinbarung ist diese bei unteilbaren Gegenständen aber nur durch Verkauf (Zwangsversteigerung) möglich (vgl. § 753 BGB). Daran hatte die Klägerin im Ausgangsfall wohl kein Interesse.

5. Nach der Rechtsprechung des BGH sind Ausgleichsansprüche bei Scheitern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft aus § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB und § 313 Abs. 1 BGB stets ausgeschlossen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach neuerer BGH-Rechtsprechung kommen bei Scheitern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft wegen wesentlicher Beiträge eines Partners, mit denen ein Vermögenswert von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung geschaffen wurde, auch Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung und Wegfall der Geschäftsgrundlage in Betracht.Dazu im Detail BGH, NJW 2008, 3277.

6. F steht gegenüber M zumindest hinsichtlich der von ihr getätigten Investitionen ein Ausgleichsanspruch aus § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB zu.

Nein, das trifft nicht zu!

Ein Anspruch aus Herausgabe einer Zuwendung nach § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 besteht, wenn der mit der Leistung bezweckte Erfolg eines Rechtsgeschäfts nicht eingetreten ist. In Fällen der nichtehelichen Lebensgemeinschaft fordert die Rechtsprechung dafür eine Leistung, die deutlich über das hinausgeht, was das tägliche Zusammenleben der nichtehelichen Lebenspartner erst ermöglicht. OLG: Es fehle schon an einer gemeinschaftsbezogenen Zuwendung der F. Die Investitionen in den Weiterbau des Grundstücks seien schon deshalb nicht ausgleichsfähig, da sie erst nach Beziehungsende erfolgten (RdNr. 49ff.). Mit gleicher Begründung scheiterte der Anspruch aus § 313 Abs. 1 BGB.

7. M könnte dagegen gegen F ein Anspruch auf Rückzahlung des unentgeltlichen Darlehens in Höhe von €40.000 zustehen (§ 488 Abs. 1 S. 2 BGB).

Ja!

Der Anspruch aus § 488 Abs. 1 S. 2 setzt (1) einen wirksamen Darlehensvertrag und (2) die Valutierung des Darlehens voraus. Zur Fälligkeit können die Parteien vertraglich eine Frist festsetzen; ist für die Rückzahlung des Darlehens hingegen keine Zeit bestimmt, hängt die Fälligkeit von einer Kündigung gem. § 488 Abs. 3 BGB ab.

8. Aufgrund der mündlichen Vereinbarung kann M das Darlehen aber erst zurückverlangen (Fälligkeit), nachdem er F seinen Grundstücksanteil übereignet hat.

Nein, das ist nicht der Fall!

Wenn ein gemischter Vertrag rechtlich eine Einheit bildet, erstreckt sich ein Formzwang auf den gesamten Vertrag. Eine rechtliche Einheit liegt vor, wenn die Vereinbarungen nach dem Parteiwillen derart voneinander abhängig sind, dass sie miteinander stehen und fallen sollen. M und F haben einen unbefristeten Darlehensvertrag geschlossen und M hat das Darlehen auch ausgezahlt (valutiert). Zwar haben sie mündlich vereinbart, dass der Rückzahlungsanspruch erst fällig ist, wenn M der F seinen Grundstücksanteil übereignet, doch ist diese Vereinbarung nach § 311b Abs. 1 BGB, § 125 S. 1 BGB formnichtig. Laut OLG handele es sich nämlich um einen gemischten Vertrag (Übertragung eines Miteigentumsanteils am Grundstück und Darlehensrückzahlung), der eine rechtliche Einheit bilde (RdNr. 63). M könnte also die Fälligkeit durch eine Kündigung herbeiführen (§ 488 Abs. 3 S. 2 BGB) und den für F ausgelegten Anteil am Kaufpreis verlangen.
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