Zivilrecht
Examensrelevante Rechtsprechung ZR
Entscheidungen von 2022
Ersatzpflicht der Vorverkaufsstelle bei pandemiebedingt abgesagtem Konzert
Ersatzpflicht der Vorverkaufsstelle bei pandemiebedingt abgesagtem Konzert
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
E betreibt eine Ticket-Vorverkaufsstelle und verkauft für verschiedene Veranstalter Tickets. K kauft bei E im Dezember 2019 ein Konzertticket für Oasis, dass er von E auch erhält. Kurz darauf wird das für April 2020 geplante Konzert coronabedingt abgesagt. Veranstalterin V bietet K als Ersatz einen Wertgutschein an. K lehnt ab und verlangt von E Rückzahlung des Ticketkaufpreises.
Diesen Fall lösen 76,2 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Der BGH hatte zu entscheiden, ob bei einem pandemiebedingt abgesagtem Konzert eine Ersatzpflicht der Vorverkaufsstelle bestehe oder nicht. Der BGH verneinte eine Ersatzpflicht nach § 313 Abs. 1 S. 1 BGB. Das Festhalten am Vertrag sei schon deshalb nicht unzumutbar, weil die Veranstalterin (V) bereit war, für die Absage der Veranstaltung einzustehen. K erhielt als Ersatz für die ausgefallene Veranstaltung einen Wertgutscheine . Für K habe damit eine ihm zumutbare Möglichkeit der vollständigen Entschädigung für den Ausfall der Veranstaltung bestanden. Der Gutschein stellte eine vollständige Kompensation dar, da nach dem 31.12.2021 die Auszahlung verlangt werden konnte (ARt. 240 § 5 Abs. 5 Nr. 2 EGBGB).
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 10 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Haben E und K einen Kaufvertrag über das Ticket als Recht geschlossen (§ 453 Abs. 1 BGB)?
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Kann K von dem Kaufvertrag mit E zurücktreten, weil das Konzert abgesagt wurde?
Nein!
3. Haftet E kaufvertraglich nicht für die Konzertabsage?
Genau, so ist das!
4. Kann K den Vertrag gegenüber E als Fernabsatzgeschäft widerrufen und Kaufpreisrückzahlung verlangen (§§ 312g Abs. 1, 355 Abs. 1, 3 S. 1, 357 BGB)?
Nein, das trifft nicht zu!
5. Steht K ein Widerrufsrecht zu, weil er nicht darüber belehrt wurde, dass ein Widerruf ausgeschlossen ist?
Nein!
6. Kann ein Verbraucher wegen der fehlenden Information einen Anspruch auf Aufhebung des Vertrags gem. §§ 311 Abs. 2, 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 249 Abs. 1 BGB haben?
Genau, so ist das!
7. Wenn die Voraussetzungen der Störung der Geschäftsgrundlage erfüllt sind, ist nicht nur eine Vertragsanpassung, sondern ggf. auch ein Rücktritt vom Vertrag möglich?
Ja, in der Tat!
8. Scheidet § 313 BGB wegen des Vorrangs des Gewährleistungsrechts aus?
Nein!
9. Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags zwischen E und K geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert (§ 313 Abs. 1 S. 1 BGB)?
Genau, so ist das!
10. Bei Kenntnis hätten E und K den Vertrag nicht geschlossen. Ist K ein Festhalten am Vertrag zudem unzumutbar i.S.v. § 313 Abs. 1 BGB?
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
rivertamdea
8.2.2023, 07:40:49
Unmöglichkeit?
rivertamdea
8.2.2023, 07:41:36
Liegt hier nicht ein
absolutes Fixgeschäftvor und die Leistung ist unmöglich geworden, so dass auch die Gegenleistung verweigert werden kann?
meliiiis
8.2.2023, 09:14:42
E schuldet hier nur die Bereitstellung der Tickets. Die
Leistungspflichtaus dem Vertrag ist E bereits nachgekommen, weshalb hier meiner Meinung nach keine Unmöglichkeit vorliegt.
JohnSmith
10.2.2023, 11:21:35
Test
Isabell
8.2.2023, 11:58:21
Mir fehlen hier die Daten wann was getätigt und bekannt wurde, um der Argumentation des BGHs vollständig folgen zu können.
Nora Mommsen
13.2.2023, 17:05:56
Hallo Isabell, danke für deine Rückmeldung. Die Daten sind hier - abgesehen von der angegebenen Reihenfolge der Handlungen - nicht relevant. Ich nehme an, du möchtest darauf hinaus, dass es relevant ist zu welchem Zeitpunkt im Pandemieverlauf die Absage erfolgt ist. Allerdings hat der BGH argumentiert, dass das Angebot eines Wertgutscheins in Höhe des Ticketpreises zwar nicht die Entfallene Geschäftsgrundlage entfallen lässt, mangels
Unzumutbarkeitder § 313 Abs. 1 BGB dennoch nicht greift. Wir haben die Daten zum besseren Verständnis ergänzt. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Pilea
20.10.2023, 20:15:23
Macht es hier einen Unterschied, ob es den Einzelpersonen verboten wird, eine Großveranstaltung zu besuchen, oder ob den Veranstaltern das Veranstalten untersagt wurde?
Cosmonaut
13.1.2024, 16:27:20
Hallo, mE Nein, da hier grundsätzlich darauf abgestellt wurde, dass sich die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen geändert haben (die betreffen sowohl Einzelperson als auch Veranstalter).
NathalieK
5.11.2023, 20:27:05
Es wurde doch bereits davor ein Schadensersatzanspruch bejaht, wegen Verletzung der mangelnden Belehrung. Wieso wurde nachträglich noch auf
§ 313 BGBeingegangen?
Nora Mommsen
7.11.2023, 11:29:57
Hallo NathalieK, danke für deine Frage! Die Rechtsfolge des
§ 313 BGBist eine andere. Während du richtig sagst, dass ein Schadensersatz bereits bejaht wurde ist § 315 BGB entweder auf Vertragsanpassung oder auf Rücktritt gerichtet. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
An
16.11.2023, 08:41:57
Nikudo
10.1.2024, 10:42:42
Ich habe den Punkt auch nicht verstanden. Deswegen habe ich Mal in das zitierte Urteil geschaut und folgende Passage in Rn. 57 zu dem etwaigen Schadensersatzanspruch wegen unterlassener Belehrung gefunden: „Ein allenfalls in Betracht kommender Schadensersatzanspruch wegen einer pflichtwidrig unterlassenen Information ist bereits nicht streitgegenständlich. Ohnehin hat der Kläger nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts auch nicht vorgetragen, dass er den Rechtskaufvertrag nicht abgeschlossen hätte, wenn er zutreffend darüber belehrt worden wäre, dass ein Widerrufsrecht nicht besteht. Dies wäre indes Voraussetzung eines etwaigen Schadensersatzanspruchs.“ Dem Urteil zu Folge scheitert der Schadensersatzanspruch an zwei Punkten: 1. Der Schadensersatz ist nicht streitgegenständlich gewesen. Dieser Punkt erschließt sich mir nicht so ganz, weil der Satz im luftleeren Raum ohne Begründung steht. Der Streitgegenstand setzt sich aus dem Lebenssachverhalt und dem Antrag zusammen. Ich denke, dass der Kläger zu wenig für den Schadensersatzanspruch vorgetragen hat oder der Antrag schlicht nicht auf Schadensersatz gerichtet ist. Falls ich mich in diesem Punkt irre, bitte korrigieren :) 2. Es liegt kein kausaler Schaden vor, weil der Käufer auch bei Belehrung über das mangelnde Widerrufsrecht den Vertrag geschlossen hätte. Deswegen stellt der Rechtskauf (Ticketpreise) keinen kausalen Schaden dar. Der Punkt ist einleuchtend und führt dazu, dass der Schadensersatzanspruch scheitert.