Zivilrecht

Sachenrecht

Sicherungsrechte an beweglichen Sachen

Unwirksame Eigentumsübertragung vom Nichtberechtigten, Umdeutung in Erwerb des Anwartschaftsrechts

Unwirksame Eigentumsübertragung vom Nichtberechtigten, Umdeutung in Erwerb des Anwartschaftsrechts

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

B erwirbt von A unter Eigentumsvorbehalt einen Sportwagen. A behält den Fahrzeugbrief. Am 02.05. veräußert B den Wagen an C. Sie behauptet, sie sei Eigentümerin und habe den Fahrzeugbrief verloren. Am 09.05. erfährt C von dem Eigentumsvorbehalt und bezahlt den ausstehenden Betrag an A.

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Einordnung des Falls

Unwirksame Eigentumsübertragung vom Nichtberechtigten, Umdeutung in Erwerb des Anwartschaftsrechts

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Hat C am 02.05. das Eigentum an dem Sportwagen gutgläubig erworben (§§ 929 S. 1, 932 Abs. 1 BGB)?

Nein, das trifft nicht zu!

Der gutgläubige Erwerb einer beweglichen Sache nach §§ 929 S. 1, 932 I BGB setzt voraus: (1) Einigung, (2) Übergabe, (3) Einigsein bei Übergabe, (4) Verkehrsgeschäft, (5) Gutgläubigkeit, (6) keine abhandengekommene Sache (§ 935 Abs. 1 BGB).B und C haben sich über den Eigentumsübergang auf C geeinigt und B hat den Wagen an C übergeben. Auf Erwerber- und Veräußererseite handeln unterschiedliche Personen (=Verkehrsgeschäft). Allerdings wusste C, dass B nicht im Besitz des Fahrzeugbriefs ist. Wer sich beim Kauf eines Kfz diesen nicht vorzeigen lässt, handelt jedenfalls in grob fahrlässiger Unkenntnis der Eigentümerstellung. C war mithin bösgläubig.
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2. Hat C zumindest das Anwartschaftsrecht an dem Wagen am 02.05. erworben (§ 929 S. 1 BGB analog)?

Ja!

Scheitert der gutgläubige Erwerb einer Sache vom Anwartschaftsberechtigten, ist nach der h.M. zu prüfen, ob die Übereignung in eine wirksame Übertragung des Anwartschaftsrechts umgedeutet werden kann (§ 140 BGB). Dies ist in der Regel der Fall, weil im Willen zur Übertragung des „Voll-Eigentums“ auch der Wille zur Übertragung des Anwartschaftsrechts als „Weniger“ enthalten ist.Der gutgläubige Erwerb ist an der Bösgläubigkeit des C gescheitert. Vorliegend kommt daher lediglich eine Übertragung des Anwartschaftsrechts am Sportwagen in Betracht. Es ist kein Grund ersichtlich, aus dem B und C nicht zumindest die Übertragung des Anwartschaftsrechts gewollt haben. Bezüglich des Anwartschaftsrechts ist B auch verfügungsberechtigt.

3. Wird C mit Bezahlung der letzten Rate am 09.05. Eigentümer des Sportwagens?

Genau, so ist das!

Wird das Anwartschaftsrecht auf einen Dritten übertragen, erwirbt auch dieser bei Bedingungseintritt unmittelbar und ohne weitere Zwischenschritte das Eigentum an der Sache.Der Sportwagen wurde unter Eigentumsvorbehalt, d.h. der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung übereignet. Am 09.05. bezahlt C an A die letzte Rate. Dies ist nach § 267 Abs. 1 S. 1 BGB ohne Weiteres möglich. Damit tritt die Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung ein und C erwirbt das Eigentum an dem Sportwagen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

EVA

evanici

18.9.2023, 19:34:01

Wieso fehlt der "Rechtsschein" beim Schema des gutgläubigen Erwerbs §§ 929 S. 1, 932? Deutet ihr den in die Übergabe (=Besitz) rein?

CAN

cann1311

18.9.2023, 21:19:23

Den brauchst du nicht zu deuten, der ist in § 1006 BGB so normiert.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

26.9.2023, 15:46:20

Hallo ihr beiden, aus § 1006 geht hervor wieso wir nicht einen gesonderten Punkt in dem Schema haben. Der Rechtsschein entsteht nicht aus sich heraus, sondern muss durch etwas begründet werden. Im gutgläubigen Erwerb nach §§ 929 S. 1, 932 BGB begründet die Übergabe - also der Besitz des Verkäufers und die Fähigkeit den Besitz zu übermitteln den Rechtsschein, an den die Gutgläubigkeit berechtigterweise anknüpfen darf. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team


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