Recht auf Pflichtverteidiger
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T ist dringend verdächtig, seine vierköpfige Familie umgebracht zu haben. Er wird bei seiner Vernehmung von Polizist P versehentlich nur nach § 136 Abs. 1 S. 2 StPO belehrt. Nachdem P ihn daraufhin weiter befragt, gesteht T irgendwann die Tat.
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Einordnung des Falls
Recht auf Pflichtverteidiger
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. P musste T auch über das Recht auf einen Pflichtverteidiger belehren.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die fehlende Belehrung über die Möglichkeit der Pflichtverteidigerbestellung führt stets zu einem Verwertungsverbot.
Nein, das ist nicht der Fall!
3. Hier ist von einem Verwertungsverbot auszugehen.
Nein, das trifft nicht zu!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Isabell
12.4.2021, 20:15:37
Das kann ich mir nicht vorstellen. Denn hier liegt doch ein Fall der notwendigen Verteidigung vor. Mit der letzten Reform wurden gerade die Angeschuldigtenrechte auf Beistand im Ermittlungsverfahren massiv gestärkt. Dass hier die Abwägung nicht zu einem Verwertungsverbot kommt, hat mich inhaltlich nicht überzeugt.
Speetzchen
13.4.2021, 17:17:03
Hier erfolgt ja eine Abwägung. In Anbetracht der Schwere des Tatvorwurfs scheint mir eine Abwägung zu Lasten des T aber sehr gut vertretbar.
Isabell
23.6.2021, 11:47:43
Ich habe ja auch nicht kritisiert, dass man die Abwägung nicht vorgenommen hat. Ich habe geschildert, warum mich das dargestellte Ergebnis der Abwägung inhaltlich nicht übeezeugt hat 😊
jomolino
25.10.2021, 17:51:52
Bin auch etwas verwundert, v.a. Mit der fast alleinigen Begründung durch die Schwere der Tat, die vorgeworfen wird. Das widerspricht nach meinem Gefühl ja gerade dem Gedanken der notwendigen Verteidigung. Zum einen dem Willen des Gesetzgebers, zum anderen mit dem erst recht Gedanken bzgl. der drohenden Entwicklungen für den Beschuldigten.
Lukas_Mengestu
17.12.2021, 19:18:13
Vielen Dank euch allen! Der BGH hat sich hier letztlich auf 3 Aspekte gestützt: 1) Schwere der Tat = besonders hohes Verfolgungsinteresse; 2) geringe des Verstoßes = der Beamte hatte schlicht nicht mitbekommen, dass die Belehrungspflicht erweitert wurde (also keine Willkür oder Vorsatz), 3) keine Anhaltspunkte dafür, dass sich T nur deshalb keinen Anwalt genommen hat, weil er dazu nicht in der Lage war. Wir haben das hier jetzt noch einmal präzisiert, um Unklarheiten zu vermeiden. Beste Grüße Lukas - für das Jurafuchs-Team