Zivilrechtliche Nebengebiete

Handelsrecht

Allgemeine Regeln für Handelsgeschäfte (§§ 343-372 HGB)

Schweigen im Handelsverkehr, Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben (vorheriger Widerspruch)

Schweigen im Handelsverkehr, Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben (vorheriger Widerspruch)

24. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Bäcker B einigt sich mit Landwirtin L über die wöchentliche Lieferung von 50kg Vollkornmehl für €50 für insgesamt sechs Monate. B stellt bei den Verhandlungen klar, dass er mit der Geltung fremder AGB nicht einverstanden ist. L übersendet B ein Bestätigungsschreiben, in der sie auf ihre AGB Bezug nimmt. B wirft das Schreiben weg.

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Einordnung des Falls

Schweigen im Handelsverkehr, Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben (vorheriger Widerspruch)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Zwischen B und L ist nach den Verhandlungen ein Sukzessivlieferungsvertrag über die wöchentliche Lieferung von 50kg Vollkornmehl zustande gekommen.

Ja!

Ein Vertrag setzt inhaltlich übereinstimmende, mit Bezug aufeinander abgegebene Willenserklärungen voraus (Angebot und Annahme, §§ 145ff. BGB). Dies schließt eine Übereinstimmung der wesentlichen Vertragsbestandteile (essentialia negotii) ein. Ein Sukzessivlieferungsvertrag ist ein einheitlicher Vertrag, der auf die entgeltliche Lieferung einer im Voraus festgelegten Gesamtmenge vertretbarer Sachen in zeitlich aufeinander folgenden Raten zu bestimmten Terminen oder auf Abruf gerichtet ist. B und L haben sich über die wöchentliche (aufeinanderfolgende Raten) Lieferung von 50kg Mehl (vorbestimmte Menge) für den Zeitraum von sechs Monaten zum Preis von €50 pro 50kg wirksam geeinigt.
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2. Der Vertrag zwischen B und L könnte nach den Grundsätzen zum kaufmännischen Bestätigungsschreiben dahingehend geändert worden sein, dass die AGB der L nun Vertragsbestandteil sind.

Genau, so ist das!

Der Empfänger eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens muss diesem widersprechen, wenn er mit dem Inhalt nicht einverstanden ist. Das Unterlassen einer Erklärung gilt aufgrund dieser gewohnheitsrechtlichen Pflicht als Zustimmung zum Inhalt des Schreibens. Voraussetzung ist, dass (1) Kaufleute oder sonstige Unternehmer (2) Vertragsverhandlungen geführt haben und der Empfänger eines (3) zeitlich darauffolgend zugegangenen Bestätigungsschreibens (4) nicht unverzüglich widersprochen hat. Der Absender muss (5) schutzwürdig sein. Schweigt der Empfänger auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben, gilt der Inhalt des Schreibens als Vertragsinhalt.

3. B und L sind Kaufleute oder sonstige Unternehmer.

Ja, in der Tat!

Damit die Grundsätze zum kaufmännischen Bestätigungsschreiben Anwendung finden, müssen die Beteiligten Kaufleute (§ 1-6 HGB) oder sonstige Unternehmer (§ 14 BGB) sein. Die Kaufmannseigenschaft richtet sich nach §§ 1-6 HGB. Unternehmer (§ 14 BGB) ist, wer unternehmerisch am Wirtschaftsverkehr teilnimmt, und von wem erwartet werden kann, dass er die Gepflogenheiten des kaufmännischen Wirtschaftsverkehrs kennt und anwendet (Kleingewerbetreibende und Freiberufler). L ist Landwirtin, B ist Bäcker. Auch wenn einer der beiden nicht Kaufmann ist, so nehmen beide Parteien zumindest am Wirtschaftsverkehr teil und sind daher Unternehmer.

4. Zwischen B und L haben Vertragsverhandlungen stattgefunden.

Ja!

Vertragsverhandlungen sind Vorgänge, bei denen über die konkreten Konditionen eines zu schließenden Vertrages gesprochen wird. B und L hatten sich bei diesen Verhandlungen sogar schon geeinigt.

5. B ist unmittelbar nach den Vertragsverhandlungen ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben von L zugegangen.

Genau, so ist das!

Ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben gibt den Inhalt eines aus Sicht des Absenders bereits geschlossenen Vertrages wieder. Erforderlich ist, dass der Absender nach dem Inhalt des Schreibens an den Abschluss eines Vertrages während der Vertragsverhandlungen glaubt. Dieses muss in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang zu den Vertragsverhandlungen zugehen (§ 130 Abs. 1 BGB). B unmittelbar nach den Verhandlungen ein Schreiben der L zugegangen, in der sie den Inhalt der bereits stattgefundenen Einigung schriftlich festhält. Darüber hinaus nimmt L auf ihre AGB Bezug.

6. B hat dem Inhalt des kaufmännischen Bestätigungsschreibens unverzüglich (§ 121 Abs. 1 S. 1 BGB) nach dessen Zugang widersprochen.

Nein, das trifft nicht zu!

Ein Widerspruch liegt in der Erklärung des Empfängers, dass kein Vertrag zu den im Bestätigungsschreiben genannten Bedingungen zustande gekommen ist. Er muss unverzüglich erfolgen, also ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 S. 1 BGB). Wann dies der Fall ist, bemisst sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach Art und Bedeutung des Geschäfts. Ein Widerspruch nach mehr als einer Woche gilt im Regelfall als verfristet. B hat das Bestätigungsschreiben weggeworfen.

7. L als Absenderin des kaufmännischen Bestätigungsschreibens ist schutzwürdig.

Nein!

Der Absender eines Schreibens ist nicht schutzwürdig, wenn er im Bestätigungsschreiben von vorher Vereinbarten (1) bewusst abweicht oder (2) inhaltlich so weit davon abweicht, dass er vernünftigerweise nicht mit dem Einverständnis des Empfängers rechnen kann. Die Schutzwürdigkeit fehlt auch (3) bei sich kreuzenden Bestätigungsschreiben und (4) wenn der Empfänger den dort bestätigten vermeintlichen Vertragsschluss zuvor ausdrücklich verweigert hat. B hat bei den Vertragsverhandlungen ausdrücklich geäußert, mit den AGB nicht einverstanden zu sein. L darf sich daher nicht darauf verlassen, dass eine widerspruchslose Hinnahme des Schreibens ein Einverständnis zu der Einbeziehung der AGB darstellt.

8. Zwischen B und L ist nach den Verhandlungen ein Sukzessivlieferungsvertrag über die wöchentliche Lieferung von 50kg Vollkornmehl unter Einbeziehung der AGB der L zustande gekommen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Das Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben hat zur Folge, dass der Inhalt des Schreibens als Vertragsinhalt gilt. War der Vertrag vorher bereits mit einem anderen Inhalt geschlossen worden, wird das formlos Vereinbarte nachträglich ergänzt oder abgeändert. War eine rechtswirksame Einigung bisher gescheitert, kommt der Vertrag mit dem Inhalt des Schreibens erst zustande. L ist als Absenderin des kaufmännischen Bestätigungsschreibens nicht schutzwürdig, sodass der Vertragsinhalt durch den Inhalt des Schreibens (Geltung der AGB) nicht verändert wird. Der Vertrag bleibt in seiner ursprünglichen Gestalt (keine Geltung der AGB) bestehen.
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