Zivilrechtliche Nebengebiete

Handelsrecht

Allgemeine Regeln für Handelsgeschäfte (§§ 343-372 HGB)

Schweigen im Handelsverkehr, Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben (Anfechtung)

Schweigen im Handelsverkehr, Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben (Anfechtung)

24. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Gastronomin G führt Verhandlungen mit der K-GmbH über den Kauf eines Industrieherds. Am nächsten Tag erhält G ein Bestätigungsschreiben über den vermeintlich geschlossenen Vertrag. G hat jedoch ein besseres Angebot bekommen und ignoriert das Schreiben. Als die K-GmbH Abnahme verlangt, bestreitet G den Bestand eines Vertrags.

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Einordnung des Falls

Schweigen im Handelsverkehr, Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben (Anfechtung)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Durch Gs Schweigen ist der Vertrag mit dem Inhalt des Bestätigungsschreibens der K-GmbH zustande gekommen.

Ja!

Schweigt der Empfänger auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben, gilt der Inhalt des Schreibens als Vertragsinhalt. Voraussetzung ist, dass (1) Kaufleute oder sonstige Unternehmer (2) Vertragsverhandlungen geführt haben und der Empfänger eines (3) zeitlich darauffolgend zugegangenen Bestätigungsschreibens (4) nicht unverzüglich widersprochen hat. Der Absender muss (5) schutzwürdig sein. Die K-GmbH ist Form-Kaufmann (§ 13 Abs. 3 GmbHG, § 6 Abs. 1 HGB), G als Gastronomin zumindest Unternehmerin (§ 14 BGB). Nach den Vertragsverhandlungen über den Herd ist G unmittelbar ein Bestätigungsschreiben der K-GmbH zugegangen, welches sie ignorierte. Ihr Schweigen gilt als Zustimmung, der Vertrag ist mit Inhalt des Schreibens zustande gekommen.
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2. Gs Schweigen auf das Bestätigungsschreiben der K-GmbH ist keine Willenserklärung und deshalb nicht anfechtbar (§§ 119ff., 142ff. BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Das Schweigen eines Kaufmanns ist keine Willenserklärung, gilt jedoch als eine solche. Daher kann es zumindest analog §§ 119 ff., 142 ff. BGB angefochten werden. Argument: Kann der Antragsempfänger eine zum Vertragsschluss führende Erklärung anfechten, muss dies auch für ein zum Vertragsschluss führendes Schweigen gelten. Voraussetzung für die Anfechtung sind (1) Anfechtungsgrund (§§ 119, 120, 123 BGB) und (2) eine Anfechtungserklärung (§ 143 BGB) (3) innerhalb der Anfechtungsfrist (§§ 121, 124 BGB). Die Anfechtung darf (4) nicht ausgeschlossen sein (§ 144 BGB).

3. Der Irrtum über die Bedeutung des Schweigens stellt einen zur Anfechtung berechtigenden Inhaltsirrtum dar (§ 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB) (Anfechtungsgrund).

Nein, das trifft nicht zu!

Der Zweck der Grundsätze zum kaufmännischen Bestätigungsschreiben liegt darin, dass das Schweigen zugunsten des Verkehrsschutzes auch als Zustimmung gewertet wird, wenn dem Angebotsempfänger der Annahmewille fehlt. Würde die Unkenntnis dieser Wertung zur Anfechtung berechtigen, würde der Schutzzweck unterlaufen. Der Irrtum über die Bedeutung des Schweigens stellt daher einen unbeachtlichen Rechtsfolgenirrtum dar. G ignoriert das Bestätigungsschreiben und ist sich dessen Folge nicht bewusst. Sie irrt gerade über die Bedeutung ihres Schweigens.

4. Ein Irrtum über den Inhalt des kaufmännischen Bestätigungsschreibens stellt einen zur Anfechtung berechtigenden Inhaltsirrtum dar (§ 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB) (Anfechtungsgrund).

Ja!

Der Irrtum über die Bedeutung des Schweigens stellt einen unbeachtlichen Rechtsfolgenirrtum dar. Dem Schweigende steht aber nach herrschender Meinung ein Anfechtungsgrund zu Seite, wenn er über den Inhalt des Schreibens irrt (§ 119 Abs. 1 BGB) und bewusst keinen Widerspruch erhebt. Auch arglistige Täuschung oder Drohung berechtigen zur Anfechtung des Schweigens (§ 123 BGB). Einschränkend wird teilweise vorausgesetzt, dass der Irrtum nicht auf einer Sorgfaltswidrigkeit des Empfängers beruht (etwa nur flüchtiges Lesen). Das kaufmännische Bestätigungsschreiben soll etwaige Missverständnisse gerade beseitigen (Klarstellungszweck), sodass eine sorgfältige Prüfung vom Empfänger erwartet wird.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

IS

IsiRider

2.12.2023, 11:16:45

G hat sich doch nicht über den Inhalt geirrt oder? Dann würde wieder der Schutzzweck ausgehöhlt werden.

HAN

hannabuma

25.12.2023, 00:11:02

Ich sehe im SV keine Hinweise darauf, dass G sich über den Inhalt geirrt hat. Ich denke die Frage wurde hier unabhängig von dem Fall gestellt.


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