Zivilrecht

Schuldrecht Allgemeiner Teil

Gläubiger- /Schuldnermehrheit

Gestörte Gesamtschuld – Vertraglicher Haftungsausschluss

Gestörte Gesamtschuld – Vertraglicher Haftungsausschluss

6. Dezember 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

T nimmt Anhalter A in ihrem Tesla mit. Sicherheitshalber vereinbart sie mit A wirksam einen Haftungsausschluss für Schäden infolge eines Verkehrsunfalls. Tatsächlich kommt es später zu einem Unfall mit Fs Smart, bei dem A verletzt wird. T und F treffen gleich hohes Verschulden.

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Einordnung des Falls

Gestörte Gesamtschuld – Vertraglicher Haftungsausschluss

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A kann von F Schadensersatz für die erlittenen Verletzungen nach § 7 Abs. 1 StVG verlangen.

Ja, in der Tat!

Die Halterhaftung aus § 7 Abs. 1 StVG setzt voraus: (1) Rechtsgutverletzung; (2) Verursachung bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs; (3) Haltereigenschaft des Anspruchsgegners; (4) kein Ausschluss des Anspruchs (§ 7 Abs. 2 und 3, § 8, § 17 Abs. 3 StVG).As Körper und Gesundheit wurden bei dem Unfall der beiden Wagen verletzt. Die Verletzung ereignete sich bei Betrieb des Smarts und F ist auch dessen Halter. Ausschlussgründe sind nicht ersichtlich.Ebenso besteht ein Anspruch aus §§ 7, 18 StVG (Fahrerhaftung) bzw. § 823 Abs. 1 BGB).
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2. A kann ebenfalls von T Schadensersatz für die erlittenen Verletzungen nach § 7 Abs. 1 StVG verlangen.

Nein!

Die Anspruchsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 StVG liegen grundsätzlich auch gegenüber T vor. Allerdings haben T und A wirksam individualvertraglich einen Haftungsausschluss geschlossen für Verletzungen, die im Zusammenhang mit einem Unfall stehen. Damit scheidet ein Anspruch des A gegen T aus § 7 Abs. 1 StVG aus. Gleiches gilt für die Ansprüche aus §§ 7, 18 StVG, § 823 Abs. 1 BGB, §§ 823 Abs. 2 i.V.m. § 229 StGB.Beachte: In allgemeinen Geschäftsbedingungen würde ein solcher Ausschluss regelmäßig an § 309 Nr. 7a BGB scheitern.

3. Ohne den Haftungsausschluss hätte A auch von T Schadensersatz verlangen können. T und F wären dann Gesamtschuldner (§ 840 Abs. 1 BGB).

Genau, so ist das!

Sind für den aus einer unerlaubten Handlung entstehenden Schaden mehrere nebeneinander verantwortlich, so haften sie nach § 840 Abs. 1 BGB als Gesamtschuldner. Die Höhe der Anteile richtet sich analog § 254 BGB nach dem Verursachungs- und Schuldbeitrag.Ohne den Haftungsausschluss hätte A gegen F und T Ansprüche aus unerlaubter Handlung. Damit wären sie Gesamtschuldner. Der leistende Schuldner könnte dann auch bei dem jeweils anderen Rückgriff nehmen (§ 426 Abs. 1 S. 1 BGB bzw. § 426 Abs. 2 BGB).

4. Kann F bei T nach der Kürzungslösung (h.L.) Regress nehmen (§ 426 Abs. 1 bzw. Abs. 2 BGB), wenn er von A in Anspruch genommen wird?

Nein, das trifft nicht zu!

Nach der Kürzungslösung soll dem privilegierten Schuldner die Privilegierung des vertraglichen Haftungsausschlusses erhalten bleiben. Die Nachteile des Haftungsausschlusses soll vielmehr der Geschädigte tragen, der sich auf den Ausschluss eingelassen hat.Nach der herrschenden Lehre kann F zwar keinen Rückgriff bei T nehmen. Sie kann A allerdings den vertraglichen Haftungsausschluss entgegenhalten und lediglich seinen eigenen Anteil zahlen. Da T und F hier die gleichen Verursachungs- und Verschuldensanteile treffen, wäre der Anspruch um die Hälfte zu kürzen.

5. Kann F bei T nach der Fiktionslösung (BGH) Regress nehmen, wenn er von A in Anspruch genommen wird?

Ja!

Nach der Rechtsprechung dürfe die vertragliche Haftungsfreistellung im Verhältnis des Dritten und des privilegierten Schädigers keine Auswirkung haben, da dies sonst einen unzulässiger Vertrag zulasten Dritter sei. Das Bestehen einer Gesamtschuld wird fingiert, sodass die §§ 421 ff. BGB Anwendung finden.Nach der Rechtsprechung kann F somit bei T Regress nehmen.Die Rechtsprechung billigt dem privilegierten Schädiger dann wiederum zu, seinen Anteil vom Geschädigten zurückzufordern. Es kommt zu einem Regresskreisel durch den wirtschaftlich letztlich ein vergleichbares Ergebnis wie bei der Kürzungslösung erzielt wird.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Helena

Helena

25.2.2022, 14:43:12

Wirklich tolle neue Kapitel! Freut mich, dass die

gestörte Gesamtschuld

uns jetzt auch hier heimsucht <3

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

25.2.2022, 16:47:02

Vielen Dank für das liebe Feedback, Helena :-)

WASAB

wasabi

2.9.2024, 14:59:20

Das Ergebnis ist wirtschaftlich vergleichbar. Wo liegen denn die rechtlichen Unterschiede bei den beiden möglichen Lösungsvarianten?

BLAC

Blackiel

16.9.2024, 15:01:26

Bei der Kürzungslösung wird der Anspruch des Geschädigten in Höhe der Privilegierung gekürzt. Das heißt, der Geschädigte kann nur vom Dritten den gekürzten Anspruch (hier die Hälfte) verlangen. Bei der Fiktionslösung wird trotz der

Haftungsprivilegierung

eine

Gesamtschuld

fingiert, so dass der Geschädigte den Anspruch in voller Höhe vom Dritten verlangen kann und der Dritte seinerseits Regress beim (eigentlich) Haftungsprivilegierten nehmen kann. Wirtschaftlich kommen beide zum selben Ergebnis, soweit jeder zahlungsfähig bleibt. Wird der Haftungsprivilegierte insolvent, dann bleibt der Dritte auf dem Schaden sitzen. Der Unterschied beider Lösungen ist also die Frage, wer das Insolvenzrisiko tragen soll.


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