Außerordentliche Kündigung aufgrund unberechtigt aufgeschriebener Überstunden
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Angestellter A erhielt früher immer eine Erschwerniszulage (Hitze- oder Schmutzbelastung). Als er zum Abteilungsleiter ernannt wird, streicht der Arbeitgeber E die Zulage. Personalreferentin P empfiehlt dem A, als Ersatz monatlich 7 Überstunden geltend zu machen. So macht es A mehrere Jahre. Als E davon erfährt, kündigt er A fristlos.
Einordnung des Falls
Außerordentliche Kündigung aufgrund unberechtigt aufgeschriebener Überstunden
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Eine fristlose Kündigung bedarf eines „wichtigen Grundes“ (§ 626 Abs. 1 BGB).
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Ja!
2. Die Geltendmachung nicht geleisteter Überstunden durch A stellt nur dann einen wichtigen Grund dar, wenn dies strafbar war.
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Nein, das ist nicht der Fall!
3. Indem A Überstunden abgerechnet hat, die er nicht erbracht hat, hat er seine arbeitsvertraglichen Nebenpflichten verletzt (§ 241 Abs. 2 BGB).
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Ja, in der Tat!
4. E kann nur aus wichtigem Grund (§ 626 Abs. 1 BGB) kündigen, wenn A die Nebenpflichtverletzung (schwerer Vertrauensbruch) verschuldet hat (§ 276 Abs. 2 BGB).
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Nein!
5. A unterlag einem unverschuldeten Rechtsirrtum.
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Nein, das ist nicht der Fall!
6. Eine außerordentliche Kündigung ist nur möglich, wenn es kein milderes Gestaltungsmittel gibt.
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Ja, in der Tat!
7. Die fristlose Kündigung des A ist vorliegend verhältnismäßig. Dem E kann ein milderes Mittel (z.B. Abmahnung) nicht zugemutet werden.
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Ja!
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Dominik
18.9.2019, 09:47:20
Es wäre interessant zumindest eine beispielhafte Lösungsskizze zu sehen wo genau die Argumente oder die Problemschwerpunkte anzusprechen sind.

Christian Leupold-Wendling
25.9.2019, 10:41:19
Hi Dominik, sehr gern! Die Prüfung der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung würden wir so strukturieren: 1. Erklärung (ggf. Auslegung), Form (§ 623 BGB), Zugang der Kündigung 2. Ggf. Beteiligung des Betriebsrats 3. Spezielle Unwirksamkeitsgründe der außerordentlichen Kündigung a) Die außerordentliche Kündigung kann nicht vertraglich ausgeschlossen werden b) Besonderer Kündigungsschutz 4. Kündigungserklärungsfrist (§ 626 Abs. 2 BGB) 5. Wichtiger Grund (§ 626 Abs. 1 BGB) a) „An sich“ geeigneter Kündigungsgrund: Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände typischerweise ein legitimer Kündigungsgrund (P) Schwerer Vertrauensmissbrauch/Verletzung der Rücksichtsnahmepflicht; unerheblich, ob bereits Strafbarkeit gegeben (P) Verschulden nach § 276 Abs. 1 BGB: außerordentliche Kündigung ist keine Sanktion für Fehlverhalten; Grundsätze der Strafzumessung nach StGB nicht heranzuziehen Vorliegend Pflicht zur korrekten Dokumentation der geleisteten Arbeitszeit missachtet (P) Rechtsirrtum: hier kollusives Zusammenwirken; Erkennbarkeit des Fehlverhaltens b) Unzumutbarkeit: Arbeitgeber kann auch im konkreten Fall nicht zugemutet werden, bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zu warten aa) Konkrete Umstände des Einzelfalls, insb. Auswirkungen der Pflichtverletzung, der Grad des Verschuldens, langjährige Betriebszugehörigkeit („Vertrauenskapital“) bb) Umfassende Interessenabwägung & Verhältnismäßigkeitsprüfung: Mildere Mittel: z.B. Abmahnung, ordentliche Kündigung (P) Bei verhaltensbedingter Kündigung grds. zunächst Abmahnung; Ausnahmen - wenn von vorneherein mit keiner Verhaltensänderung zu rechnen ist oder - es so eine gravierende Pflichtverletzung ist, dass der Arbeitgeber dies auch nicht einmalig hinnehmen muss und dies für den Arbeitnehmer erkennbar war Vorliegend jahrelange bewusst falsche Abrechnung als gravierende Pflichtverletzung

Im🍑nderabilie
24.12.2022, 10:30:20
Es geht nicht aus dem SV hervor, dass A als Abteilungsleiter nicht mehr Hitze und Staub ausgesetzt ist :) Eine Ergänzung wäre nett, sonst muss man bei den Aufgaben raten.