Öffentliches Recht

Grundrechte

Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG)

Sitzblockaden: Nonverbale Kommunikation mit politischem Aspekt genügt

Sitzblockaden: Nonverbale Kommunikation mit politischem Aspekt genügt

24. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Mitglieder der Aktionsgruppe A ketten sich an das Haupttor einer Wiederaufbereitungsanlage, um gegen Atomkraft zu protestieren. Fahrzeuge können das Haupttor nicht mehr passieren.

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Einordnung des Falls

Sitzblockaden: Nonverbale Kommunikation mit politischem Aspekt genügt

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Teilnehmer einer Versammlung müssen sich mündlich äußern, damit der sachliche Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG eröffnet ist.

Nein, das trifft nicht zu!

Nach dem Versammlungsbegriff ist eine Versammlung (1) eine örtliche Zusammenkunft (2) mehrerer Personen (3) zu einem gemeinsamen Zweck. Der gemeinsame Zweck der Versammlung muss nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG in der Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung liegen und sich in irgendeiner Weise nach außen manifestieren. Die danach vorausgesetzte, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtete Erörterung oder Kundgebung ist nicht auf verbale Äußerungen angewiesen.
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2. Wenn sich die Teilnehmer nicht mündlich äußern, so müssen sie zumindest andere Hilfsmittel der Kommunikation (wie etwa Transparente, Flyer, Banner) benutzen.

Nein!

Ausreichend für einen kollektiven Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung ist schlüssiges Verhalten. Dies kann auch in Form einer Sitzblockade geschehen. Die Teilnehmer sitzen angekettet vor dem Haupttor und zeigen damit ihren Widerstand gegen das Bauvorhaben, machen aufmerksam auf die Gefahren von Atomkraft. BVerfG: Die mit dem Anketten beabsichtigte Unterbrechung des Zugangs "war nicht Selbstzweck, sondern ein dem Kommunikationsanliegen untergeordnetes Mittel zur symbolischen Unterstützung ihres Protests und damit zur Verstärkung der kommunikativen Wirkung in der Öffentlichkeit" (RdNr. 40).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Edward Hopper

Edward Hopper

29.6.2022, 21:12:38

Wäre hier für den sachlichen Schutzbereich nicht auch wichtig ob diese Demo friedlich ist hinsichtlich einer Nötigung 240 StGB, da diese sich angekettet haben und somit körperlicher Zwang besteht?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

30.6.2022, 11:25:56

Hallo besserwisser, in der Tat ist der Schutzbereich der Versammlungsfreiheit nur für friedliche Versammlungen eröffnet. Allerdings werden hieran nicht allzu hohe Anforderungen gestellt. Unfriedlich ist eine Versammlung erst, „wenn Handlungen von einiger Gefährlichkeit wie etwa aggressive Ausschreitungen gegen Personen oder Sachen oder sonstige Gewalttätigkeiten stattfinden, nicht schon, wenn es zu Behinderungen Dritter kommt“ (BVerfG NJW 2002, 1031 (1032)). Das BVerfG lehnte hier insoweit die Unfriedlichkeit ab: "Ungeachtet der strafrechtlichen Bewertung als Gewalt kann das Verhalten der Teilnehmer der Blockadeaktion daher nicht als unfriedlich angesehen werden. Für die Begrenzung des Schutzbereichs des Art. 8 I GG ist jedoch allein der verfassungsrechtliche Begriff der Unfriedlichkeit maßgebend, nicht der umfassendere

Gewaltbegriff

des § 240 StGB ". Die tatbestandlich erfüllte Nötigung führt hier insoweit nicht zum Ausschluss der Versammlungsfreiheit. Diese lässt dann wiederum die Rechtswidrigkeit der Nötigung entfallen (nicht

verwerflich

), sodass sich die Teilnehmer hier im Ergebnis auch nicht strafbar machen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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