Referendariat
Die Revisionsklausur im Assessorexamen
Zulässigkeit der Revision
Wiedereinsetzung: unverschuldete Säumnis wegen unwirksamen Rechtsmittelverzicht
Wiedereinsetzung: unverschuldete Säumnis wegen unwirksamen Rechtsmittelverzicht
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A wird am 23.11. wegen Raubes verurteilt. Nach Beratung mit ihrer Verteidigerin V gibt A zu Protokoll, auf Rechtsmittel zu verzichten. Am 15.12. beichtet V der A, dass sie vor der Verhandlung die Zulassung verloren hatte. Nun will A doch Revision einlegen.
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Einordnung des Falls
Wiedereinsetzung: unverschuldete Säumnis wegen unwirksamen Rechtsmittelverzicht
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. A kann noch fristgerecht Revision einlegen, da die Revisionseinlegungsfrist hier einen Monat beträgt (§ 341 Abs. 1 StPO).
Nein, das trifft nicht zu!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die Revisionseinlegung ist allerdings möglich, sofern A Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.
Ja!
3. Ein Wiedereinsetzungsantrag ist stets unbegründet, wenn der Angeklagte erklärt, auf Rechtsmittel zu verzichten, da es dann an einer Verhinderung im Sinne von § 44 S. 1 StPO fehlt.
Nein, das ist nicht der Fall!
4. Hat A wirksam den Rechtsmittelverzicht erklärt?
Nein, das trifft nicht zu!
5. A kann somit einen begründeten Wiedereinsetzungsantrag stellen.
Ja!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Maurice Fritz
12.3.2023, 13:11:08
Ich verstehe die Subsumtion nicht. Gehindert ist er, wenn er die Frist einlegen wollte, aber nicht eingelegt hat. Sagt man dann hier, dass er RM einlegen "wollte", weil er einem Irrtum hinsichtlich des wirksamen RM-Verzichts unterlag? I.E. kann ich den Fall nachvollziehen, aber die Begründung leuchtet mir nicht wirklich ein.
se.si.sc
12.3.2023, 20:20:53
Ich verstehe deine Verwirrung. Meines Erachtens sieht es schulbuchmäßig so aus: Wir prüfen die
Zulässigkeit und Begründetheitder Revision. IRd Zulässigkeit des Revisionsantrags kommen wir zur Frist und müssten feststellen, dass die Einlegungsfrist des § 341 I StPO eindeutig abgelaufen ist. In der Folge müssen wir dann eine Wiedereinsetzung nach § 44 StPO prüfen, um die Frist noch zu "retten". Vorliegend müssten wir dann inzident auf die Unwirksamkeit des Verzichts nach § 302 StPO eingehen, weil wir nur mit der Unwirksamkeit des Verzichts aufgrund der Mitwirkung einer nicht mehr zugelassenen Verteidigerin begründen können, warum überhaupt eine Verhinderung beim Einhalten einer Frist vorliegt. Wäre der Verzicht nämlich wirksam, müsste man schon an einer solchen Verhinderung zweifeln, denn dabei handelt es sich gerade um eine UN-freiwillige Nichteinhaltung einer Frist (MüKo-StPO, § 344 Rn. 38). Wir kämen jedenfalls zur Unwirksamkeit des Verzichts. Der BGH begründet das in einer Entscheidung damit (BGH NStZ 2002, 379), dass in der ersten Instanz (dort LG) schon der nach § 140 I StPO zwingend vorgeschriebene Verteidiger "gefehlt" hat und der Verzicht deshalb unwirksam war. So kämen wir dann zur Wiedereinsetzung. Dort wäre in unserem Fall wohl anzusprechen, dass ein Irrtum hinsichtlich der sachlichen Rechtslage grds. keinen Wiedereinsetzungsantrag rechtfertigt. Eine Ausnahme gilt jedoch dann, wenn, wie hier, eine nicht mehr zugelassene Verteidigerin an der (letztlich unwirksamen) Verzichtserklärung mitgewirkt hat (KK-StPO, § 44 Rn. 26 mit Verweis auf BGH NStZ 2002, 379). Das begründet der BGH mit einem "enttäuschten Vertrauen" des Angeklagten auf die Zulassung seines Verteidigers und den so zustande gekommenen Verzicht. Nach meinem Eindruck wird es da etwas schwammig, ich sehe jedenfalls nicht, dass dieses "enttäuschte Vertrauen" vom BGH ganz präzise an einem Kriterium der Wiedereinsetzungsprüfung festgemacht wird.