Einführungsfall: Formwirksamkeit eines Online-Strafantrags

17. April 2025

14 Kommentare

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A beleidigt den Mitarbeiter M des Jobcenters (§ 185 StGB). Ms Dienstvorgesetzte D stellt elektronisch Strafantrag bei der „Onlinewache“ der Polizei. Sie muss zur Identifizierung ihre Personalausweisnummer angeben. A wird verurteilt und will sich mit der Revision wehren.

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Einordnung des Falls

Einführungsfall: Formwirksamkeit eines Online-Strafantrags

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. As Revision hat Erfolg, wenn ein wirksamer Strafantrag fehlt (§ 194 Abs. 1 S. 1 StGB).

Ja, in der Tat!

Fehlt ein wirksamer Strafantrag, ist dies bei absoluten Antragsdelikten ein Verfahrenshindernis. Dies führt zur Einstellung des Verfahrens.Bei der Beleidigung (§ 185 StGB) handelt es sich um ein absolutes Antragsdelikt, bei dem der fehlende Strafantrag nicht durch die Bejahung des öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ersetzt werden kann (§ 194 Abs. 1 S. 1 StGB). Fehlt der Strafantrag hier, so hätte das Verfahren eingestellt werden müssen. As Revision wegen dieses Verfahrenshindernis hätte Erfolg.
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2. Konnte hier nur der Verletzte den Strafantrag stellen (§§ 77 Abs. 1, 77a StGB)?

Nein!

Grundsätzlich ist nur der Verletzte berechtigt, Strafantrag zu stellen. Es können aber auch andere Personen antragsberechtigt sein, wenn dies gesetzlich bestimmt ist (§ 77 Abs. 1 StGB). So etwa dessen Angehörige (§ 194 Abs. 1 S. 6, § 77 Abs. 2 StGB) oder die Dienstvorgesetzte (§ 77a StBG). Der beleidigte Mitarbeiter war Amtsträger und die Dienstvorgesetzte entsprechend zur Antragsstellung ermächtigt, da die Beleidigung während der Dienstausübung stattfand (§ 77a Abs. 1 StGB i.V.m. § 194 Abs. 3 S. 1 StGB).

3. Nach § 158 Abs. 2 StPO a.F. musste der Strafantrag schriftlich oder zu Protokoll gestellt werden. Hätte D danach wirksam Strafantrag gestellt?

Nein, das ist nicht der Fall!

Bei absoluten Antragsdelikten war der Strafantrag schriftlich oder zu Protokoll zu stellen (§ 158 Abs. 2 StPO a.F.) Die wohl h.M. lehnte die Zulassung eines elektronischen Antrags ab, wenn dieser keine qualifizierte elektronische Signatur enthielt (§ 32a StPO) und nicht über einen sicheren Ermittlungsweg versendet wurde. Begründung: Mangels persönlichen Kontaktes mit der Polizei, könne keine Klarheit über die Identität des Antragsstellers und seinen Verfolgungswillen erlangt werden. Über die Eingaben lasse sich nur der genutzte PC, nicht aber dessen Nutzer ermitteln. Weiterhin schütze das Formerfordernis den Antragssteller vor einem übereilten Strafantrag. Auch dies sei beim Online-Antrag nicht gegeben.Ein wirksamer Strafantrag läge mangels elektronischer Signatur und sicheren Übermittlungsweges hier nicht vor.

4. Nach der Änderung des § 158 Abs. 2 StPO kann man den Strafantrag nunmehr formfrei stellen.

Nein, das trifft nicht zu!

Der Strafantrag kann bei der Staatsanwaltschaft, der Polizei und den Amtsgerichten angebracht werden und ist zu dokumentieren (§ 158 Abs. 1 S. 1, 2 StPO). Bei Straftaten, deren Verfolgung nur auf Antrag eintritt, müssen nunmehr die Identität und der Verfolgungswille der antragstellenden Person sichergestellt sein (§ 158 Abs. 2 StPO).Die alte Rechtsprechung lockerte das Schriftformerfordernis nur für den analogen Antrag. Es mussten nur Identität und Verfolgungswille sichergestellt sein. Mit der Neuregelung erstreckt der Gesetzgeber diese Rechtsprechung nun auch auf den elektronischen Antrag, der bisher nur mit elektronischer Signatur (§ 32a StPO) oder über einen sicheren Übermittlungsweg möglich war.

5. D hat nach der neuen Gesetzeslage wirksam Strafantrag gestellt (§ 158 Abs. 2 StPO).

Ja!

Bei Straftaten, deren Verfolgung nur auf Antrag eintritt, müssen Identität und Verfolgungswille des Antragsstellers sichergestellt sein. Aus der Erklärung muss in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise ersichtlich sein, von wem die Erklärung herrührt, und feststehen, dass es sich nicht um einen Entwurf handelt, sondern der Antrag mit Wissen und Wollen des Berechtigten der zuständigen Stelle zugeleitet wurde.Aus Ds Strafantrag ergibt sich der eindeutige Wunsch nach Strafverfolgung. Durch die Angabe der Personalausweisnummer kann ihre Identität nach dem gesetzgeberischen Willen auch hinreichend sicher festgestellt werden. Ihr Strafantrag war wirksam. Nach dem Willen des Gesetzgebers genügt auch der Antrag über eine behördlich bekannte Mailadresse oder die Feststellung der Identität im Nachgang, etwa durch Rückfragen. Die Schwelle für wirksame Online-Strafanträge wurde damit erheblich gesenkt.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

ALE

alexisa

24.11.2023, 08:18:19

Ist es richtig, dass hier das Fehlen der Verfahrensvoraussetzung nicht behebbar wäre und somit das Urteil im Rahmen der Revision auszuheben wäre (wenn man der h.M. folgt, dass der Online-Antrag nicht genügt)?

FI

Fischerino

10.12.2023, 13:33:13

ich denke hierfür fehlen noch ein paar Angaben im Sachverhalt. Theoretisch könnte der

Strafantrag

ja noch nachgeholt werden. Aber ansonsten dürfte Aufhebung + Einstellung zu tenorieren sein :)

JURAFU

jurafuchsles

3.1.2024, 10:27:43

Ich dachte der

Strafantrag

kann eben nicht im Verfahren nachgeholt werden (Anklagebehörde ist die StA und die Frist zur Stellung des Antrags sollte regelmäßig auch abgelaufen sein). Die StA sollte deswegen bei relativen Antragsdelikten auch immer schauen, dass das öffentliche Interesse bejaht wird (auch falls der Antrag zurückgenommen wird).

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

14.3.2024, 11:04:13

Hallo zusammen, vielen Dank für die gute Nachfrage! In der Tat wäre es grundsätzlich denkbar, dass ein

fehlender Strafantrag

noch nachgeholt wird, aber eben nur, solange die dreimonatige

Antragsfrist

(§ 77b StGB) läuft. Da die Verhandlung in der Regel deutlich später terminiert wird, ist dies dann regelmäßig zu spät. Ohne fehlenden

Strafantrag

wird die Staatsanwaltschaft deswegen zumindest bei absoluten Antragsdelikten von einer Anklageerhebung absehen bzw. das Gericht die Hauptverhandlung schon gar nicht eröffnen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

SEBA

Sebastiano82

21.12.2024, 10:51:21

Vielleicht könnte man hier noch ergänzen, dass bei den relativen Antragsdelikten die StA das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejahen kann und diese Erklärung nicht der Frist für die Stellung des

Strafantrag

es unterliegt. Die Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses durch die StA ist in jeder Lage des Verfahrens, sogar noch in der Rechtsmittelinstanz möglich.


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