Referendariat
Die Revisionsklausur im Assessorexamen
Begründetheit I: Vorliegen der Verfahrensvoraussetzungen
Strafantrag als Verfahrensvoraussetzung (Einführungsfall)
Strafantrag als Verfahrensvoraussetzung (Einführungsfall)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A wird wegen Beleidigung (§ 185 StGB) verurteilt. Die Geschädigte G äußerte bei der Polizei, es sei ihr egal, ob A bestraft werde. Dabei bleibt sie bis zum Ablauf der Strafantragsfrist (§ 77b StGB). Staatsanwalt S klagte trotzdem an, weil „As Verhalten nicht ungestraft bleiben könne“.
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Einordnung des Falls
Strafantrag als Verfahrensvoraussetzung (Einführungsfall)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die Revision ist begründet, wenn eine von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung fehlt oder das Urteil auf einer verfahrensrechtlichen oder einer sachlichrechtlichen Gesetzesverletzung beruht.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Das Revisionsgericht muss das Fehlen von Verfahrensvoraussetzungen nur prüfen, wenn A dies rügt (§ 344 Abs. 2 StPO).
Nein, das trifft nicht zu!
3. Das Fehlen eines notwendigen Strafantrags ist ein Verfahrenshindernis.
Ja!
4. Ein Strafantrag ist die bloße Mitteilung eines strafrechtlich möglicherweise relevanten Sachverhalts (§ 158 Abs. 1 StPO).
Nein, das ist nicht der Fall!
5. Vorliegend hat G einen Strafantrag gestellt.
Nein, das trifft nicht zu!
6. Kann für die Anklage der Beleidigung (§ 185 StGB) hier der fehlende Strafantrag durch die Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses ersetzt werden (§ 194 Abs. 1 S. 1 StGB)?
Nein!
7. Das Fehlen von Verfahrensvoraussetzungen hat stets die Einstellung des Verfahrens zur Folge (vgl. §§ 354, 355 StPO).
Nein, das ist nicht der Fall!
8. A kann erfolgreich in Revision gehen.
Ja, in der Tat!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Mathis
7.11.2024, 23:15:24
In der Aufgabe heißt es: „Die Revision ist begründet, wenn das Urteil auf dem Fehlen einer Verfahrensvoraussetzung, einer verfahrensrechtlichen oder einer sachlichrechtlichen Gesetzesverletzung beruht.“ Das ist nicht ganz präzise, da es beim Fehlen einer Verfahrensvoraussetzung auf ein Beruhen nicht ankommt.
dario.b
11.11.2024, 18:59:56
Sehe ich genauso 👍🏻 Sauberer wäre: Die Revision ist begründet, wenn ein (von Amts wegen zu berücksichtigendes) Verfahrenshindernis vorliegt oder das Urteil auf einer verfahrensrechtlichen oder sachlich-rechtlichen Gesetzesverletzung beruht.
PhilippRhein
12.11.2024, 20:03:47
Die Kritik ist zwar berechtigt; jedoch wird zT auch vertreten, dass das angegriffene Urteil auf dem Verfahrenshindernis beruhen muss (etwa Wolters/Janko JuS 2004, 684, 685). Die Auffassungen kommen aber natürlich nie zu unterschiedlichen Ergebnissen: Ein Sachurteil beruht immer auf einer Rechtsverletzung, wenn ein Verfahrenshindernis bestand, da ein solches ja gerade der Entscheidung durch Sachurteil entgegen steht (außer bei Bestrafungshindernis und Freispruchreife). In der didaktischen Literatur wird daher auch vertreten, ein Beruhen auch bei Verfahrenshindernissen kurz festzustellen (Sobota/Wipplinger, Die strafrechtliche Revision im Assessorexamen, 2. Aufl. 2021, Abschnitt B Kapitel 2 RN. 76).
Mathis
17.11.2024, 18:10:12
Ich verstehe den Gedanken, allerdings entspricht es nicht der Praxis der Revisionsgerichte, das Beruhen im Zusammenhang mit Verfahrenshindernissen zu erwähnen. Außerdem sehe ich die Gefahr, dass durch entsprechende Formulierungen in der Klausur der Eindruck erweckt wird, man gehe fälschlicherweise davon aus, dass das Beruhen auch im Hinblick auf etwaige Verfahrenshindernisse zum notwendigen Revisionsvorbringen gehöre.
Sebastian Schmitt
20.11.2024, 09:57:57
Hallo @[Mathis](208543), vielen Dank Dir für Deinen Hinweis und den anderen für die gute Diskussion. Nach meinem Eindruck entspricht es ebenfalls der (wohl) überwiegenden Praxis, bei den Verfahrensvoraussetzungen ein Beruhen nicht gesondert zu prüfen. Dass es anderslautende Stimmen gibt, darf Euch gerne darin bekräftigen, Euch für eine andere Variante zu entscheiden, insbesondere dann, wenn Ihr das in Eurem Gerichtsbezirk so beigebracht bekommt. Wir wollen uns für unsere Fälle allerdings aus pragmatischen Gründen der (wohl) Mehrheit anschließen und haben die Aufgabe daher entsprechend angepasst. Viele Gr´üße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team