+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Um Frust abzubauen, wirft A eine Brandflasche in ein abgelegenes herrenloses Haus. Dadurch wird zunächst das obere Stockwerk erheblich beschädigt. In dessen Folge lösen sich Dachziegel, die unweit von dem einsamen Landstreicher L auf den Boden fallen. A ging davon aus, dass sich in dieser Gegend keine Menschen aufhalten. Danach brennt das Haus nieder.
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Einordnung des Falls
§ 306d Abs. 1 Var. 3 StGB
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Indem A das Haus in Brand gesetzt hat, hat er sich wegen Brandstiftung (§ 306 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht.
Nein!
Die Brandstiftung (§ 306 Abs. 1 StGB) fordert die Fremdheit des Tatobjekts. Diese richtet sich nach den zivilrechtlichen Eigentumsverhältnissen. Danach ist eine Sache für den Täter fremd, wenn sie weder in dessen Alleineigentum steht noch herrenlos ist. Ein bebautes Grundstück wird, anders als eine bewegliche Sache (dort § 959 BGB), nicht bereits mit dauerhaftem Verlassen herrenlos. Erforderlich ist, dass der Eigentümer eine Verzichtserklärung beim Grundbuchamt abgibt, die ins Grundbuch eingetragen wird (§ 928 Abs. 1 BGB). Dann hat der Landesfiskus die Möglichkeit, sich das Grundstück anzueignen (§ 928 Abs. 2 BGB). Die Herrenlosigkeit eines Hausgrundstücks ist daher der absolute Ausnahmefall.
Das Haus ist herrenlos und für A nicht fremd. Eine Strafbarkeit nach § 306 Abs. 1 StGB scheidet daher aus.
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2. A hat sich wegen schwerer Brandstiftung (§ 306a Abs. 2 StGB) strafbar gemacht, wenn er "eine in § 306 Abs. 1 StGB bezeichnete Sache" "in Brand gesetzt" hat und "dadurch einen anderen Menschen in die Gefahr einer Gesundheitsschädigung" gebracht hat.
Genau, so ist das!
§ 306a Abs. 2 StGB ist ein selbstständiges Grunddelikt und keine Qualifikation zu § 306 StGB. Dies ergibt sich aus den unterschiedlichen Schutzrichtungen. § 306a Abs. 2 StGB schützt die Gesundheit, § 306 Abs. 1 StGB hingegen das Eigentum. Die Definitionen des Tatobjekts und der Tathandlung sind aber identisch. Insbesondere ist für § 306a Abs. 2 StGB nicht die Fremdheit des Tatobjekts erforderlich.
3. A hat den L in die Gefahr einer Gesundheitsgefährdung gebracht (§ 306a Abs. 2 StGB).
Ja, in der Tat!
Gesundheitsschädigung (wie in § 223 StGB) meint das Hervorrufen oder Steigern eines wenn auch nur vorübergehenden pathologischen Zustandes. Konkrete Gefahr meint eine kritische Situation, in der die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Rechtsgutserfolges besteht und die (mögliche) Rechtsgutsverletzung lediglich zufällig ausbleibt.
L wäre beinahe von den Dachziegeln getroffen worden. Die Gesundheitsschädigung des L ist daher nur durch einen rettenden Zufall ausgeblieben.
4. L wurde "durch" das Inbrandsetzen des A an seiner Gesundheit gefährdet (§ 306a Abs. 2 StGB).
Ja!
Erforderlich ist hier der spezifische Gefahrzusammenhang, das bedeutet, dass sich in der Gesundheitsgefährdung gerade das der Brandstiftungshandlung innewohnende Risiko verwirklichen muss. Eine Gesundheitsgefährdung des L bestand, da die Dachziegel durch die Inbrandsetzung heruntergefallen sind.
5. A handelte vorsätzlich hinsichtlich der Gesundheitsgefährdung des L (§ 15 StGB).
Nein, das ist nicht der Fall!
Vorsatz ist der Wille zur Verwirklichung eines Straftatbestandes in Kenntnis aller seiner objektiven Tatumstände. Auch hinsichtlich der Herbeiführung der Gefahr muss der Täter mindestens mit dolus eventualis handeln. Das heißt: § 18 StGB ist nicht anwendbar. Dies ergibt sich aus dem Umkehrschluss zu § 306d Abs. 1 Var. 3 StGB. Wäre bei § 306a Abs. 2 StGB Fahrlässigkeit ausreichend, wäre es sinnlos, diesen Fall noch einmal ausdrücklich in § 306d Abs. 1 Var. 3 StGB zu regeln.Hier ging A davon aus, dass sich keine Menschen in der Gegend aufhalten. Er handelt nicht vorsätzlich hinsichtlich der Gesundheitsgefährdung des L.
6. Indem A das Haus angezündet hat und "dadurch" den L an seiner "Gesundheit gefährdet" hat, hat er sich wegen fahrlässiger Brandstiftung (§ 306d Abs. 1 Var. 3 StGB) strafbar gemacht.
Ja, in der Tat!
Der Täter muss die konkrete Gefahr einer Gesundheitsgefährdung fahrlässig verursacht haben. Objektiv und subjektiv fahrlässig handelt, wer bei objektiver Vorhersehbarkeit des tatbestandlichen Erfolges die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den konkreten Umständen und nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und imstande ist.
A hat den objektiven Tatbestand des § 306a Abs. 2 StGB verwirklicht. Er hat sich auch nicht umgeschaut, ob sich tatsächlich keine Menschen in der Nähe befinden. Dadurch hat er die im Verkehr erforderlichen Sorgfalt außer Acht gelassen.