§ 306d Abs. 2 StGB

22. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T ist auf der Landstraße unterwegs. Er sucht im Radio seinen Lieblingssender, um nach dem stressigen Arbeitstag abschalten zu können. Dabei erkennt er zu spät, dass O mit seinem Auto auf der Straße liegen geblieben ist. Bei dem Autounfall fängt das Auto des O Feuer. Durch die austretenden Gase erleidet O Atembeschwerden.

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Einordnung des Falls

§ 306d Abs. 2 StGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Indem T durch den Verkehrsunfall das Auto des O in Brand gesetzt hat, hat er den objektiven Tatbestand der Brandstiftung (§ 306 Abs. 1 Nr. 4 Var. 1 StGB) erfüllt.

Genau, so ist das!

Das Auto des O ist ein Kraftfahrzeug (§ 306 Abs. 1 Nr. 4 Var. 1 StGB), da es sich um ein Fahrzeug handelt, das durch Maschinenkraft bewegt werden kann (vgl. § 248b Abs. 4 StGB). Da es im im Alleineigentum des O stand, ist es für T fremd. Das Auto ist in Brand gesetzt, da es in einer Weise vom Feuer erfasst ist, dass ein Weiterbrennen aus eigener Kraft möglich ist. Die durch Verkehrsunfälle auftretenden Brände werden ebenfalls von der Inbrandsetzung erfasst.
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2. T hat das Auto fahrlässig in Brand gesetzt (§ 306d Abs. 2 StGB).

Ja, in der Tat!

Im Unterschied zu § 306d Abs. 1 Var. 3 StGB muss der Täter bei § 306d Abs. 2 StGB bereits "die in § 306 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 6 StGB bezeichnete Sache" fahrlässig in Brand gesetzt haben. Objektiv und subjektiv fahrlässig handelt, wer bei objektiver Vorhersehbarkeit des tatbestandlichen Erfolges die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den konkreten Umständen und nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und imstande ist. T war mit dem Suchen seines Lieblingssenders beschäftigt und hat sich nicht auf den Straßenverkehr konzentriert. Dadurch hat er objektiv und subjektiv die erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen.

3. Daneben muss T die "Gesundheitsgefährdung" des O auch fahrlässig verursacht haben (§ 306d Abs. 2 StGB).

Ja!

§ 306d Abs. 2 StGB regelt die Fahrlässigkeit-Fahrlässigkeit-Kombination: Dem Täter muss Fahrlässigkeit hinsichtlich der Tathandlung sowie bezüglich der konkreten Gefahr einer Gesundheitsschädigung vorzuwerfen sein. Objektiv und subjektiv fahrlässig handelt, wer bei objektiver Vorhersehbarkeit des tatbestandlichen Erfolges die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den konkreten Umständen und nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und imstande ist. T hat bereits den Verkehrsunfall und damit den entstandenen Brand fahrlässig verursacht. Hinsichtlich der Gesundheitsgefährdung des O hat T auch die erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen.

4. Zwischen dem fahrlässig verursachten Brand und der fahrlässig verursachten Gesundheitsgefährdung des O liegt der spezifische Gefahrzusammenhang vor.

Genau, so ist das!

Notwendig ist – wie bei den erfolgsqualifizierten Delikten auch – ein spezifischer Gefahrzusammenhang zwischen der Vornahme der Brandstiftung und dem Eintritt des Gefahrerfolgs. Dieser liegt vor, wenn sich die spezifische mit der Verwendung des Tatmittels Feuer verbundene entweder unmittelbar auf das Rechtsgut Gesundheit wirkende Gefährlichkeit (wie Rauchgasentwicklung) oder die über die Einwirkung auf das Tatobjekt vermittelte Gefährlichkeit der Vornahme der Tathandlung (etwa Gefahr durch das Einstürzen des Tatobjekts) im konkreten Gefahrerfolg verwirklicht. Dies ist in Bezug auf die austretenden Gase und den damit verursachten Atembeschwerden zu bejahen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

YAN

yangbo

10.4.2023, 23:02:28

Ich stocke ja schon ein wenig bei der objektiven Vorhersehbarkeit: Ist es denn für einen Dritten vorhersehbar, das ein Auto bei einem Unfall Feuer fängt, wenn man auffährt?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

12.4.2023, 18:33:49

Hallo yangbo, Fahrzeugbrände sind zwar in der Tat seltener, als es Actionfilme suggerieren mögen (vgl. zB https://www.adac.de/verkehr/verkehrssicherheit/gefahrensituation/auto-explosion/). Nichtsdestotrotz ist es durchaus im Bereich des Vorhersehbaren, dass durch eine Beschädigung des Tanks auch ein Feuer bzw. Rauchentwicklung entstehen kann. Insoweit liegt hier unserer Auffassung nach Fahrlässigkeit nahe. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Fiona

Fiona

21.7.2023, 03:31:24

Kann man wirklich von Brandlegung sprechen, wenn bei einer fahrlässigen Sachbeschädigung plötzlich Feuer entsteht?

LELEE

Leo Lee

5.8.2023, 12:13:00

Hallo Fiona, auf den ersten Blick scheint dies in der Tat etwas seltsam, dass durch das plötzliche Hinzutreten des Feuers die

fahrlässige Sachbeschädigung

auf einmal bestraft wird. Beachte jedoch, dass die Brandstiftung (also §§ 306 und 306d I) systematisch gesehen "spezielle Sachbeschädigungsdelikte" sind. Hieraus ergibt sich, dass die fahrlässige Brandstiftung tatsächlich als Sonder- bzw. Ausnahmefall die

fahrlässige Sachbeschädigung

bestraft, was der Gesetzgeber durch die explizite Regelung auch bestätigt hat. I.Ü. ist die

fahrlässige Sachbeschädigung

auch im Falle der fahrlässigen Herbeiführung einer Explosion durch Kernenergie gem. § 307 IV StGB strafbar. Grund ist, dass diese Fälle eben über die bloße Sachbeschädigung hinaus ein großes Gefahrpotenzial mit sich bringen (Feuer, Explosion). Hierzu kann ich die Lektüre von Rengier Strafrecht BT-II, 23. Auflage, § 40 Rn. 2 und Lackner/Kühl/Heger Strafrecht, 30. Auflage, § 306 Rn. 1 empfehlen :) Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo


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