Zwang / vis absoluta

18. Januar 2025

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T ist erbost darüber, dass ihre Omi O sie nicht im Testament bedacht hat. Um eine unkomplizierte Erbeinsetzung zu gewährleisten, fertigt T ein neues Testament an, indem sie entgegen Os Willen gewaltsam deren Hand führt.

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Einordnung des Falls

Zwang / vis absoluta

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Wenn Aussteller und Hersteller einer Urkunde identisch sind, dann liegt immer eine echte Urkunde vor (§ 267 Abs. 1 StGB).

Nein!

Grundsätzlich ist die Echtheit der Urkunde indiziert, wenn körperlicher Hersteller der Urkunde und Aussteller dieselbe Person sind. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn dem Aussteller die verkörperte Erklärung nicht zugerechnet werden kann. Bei einer durch Zwang oder Drohung hervorgerufenen Unterschrift ist darauf abzustellen, ob der Unterzeichnende Erklärungsbewusstsein hatte. Nur wenn anlässlich des Zwangs oder der Drohung jegliches Erklärungsbewusstsein fehlt, wird eine unechte Urkunde hergestellt. Bei der Anwendung von vis absoluta(willensbrechende Gewalt) fehlt der Erklärungswille des Erklärenden mangels eigener Handlung.
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2. Indem T gewaltsam die Hand von O zwecks Errichtung eines neuen Testaments führte, hat sie eine unechte Urkunde hergestellt (§ 267 Abs. 1 Var. 1 StGB).

Genau, so ist das!

Bei einer durch Zwang oder Drohung hervorgerufenen Unterschrift ist darauf abzustellen, ob der Unterzeichnende Erklärungsbewusstsein hatte. Nur wenn anlässlich des Zwangs oder der Drohung jegliches Erklärungsbewusstsein fehlt, wird eine unechte Urkunde hergestellt.T hat Os Hand gewaltsam geführt und damit eine entsprechende Willensbildung der O unmöglich gemacht. Es ist aufgrund der Anwendung von vis absoluta kein Erklärungswille. Damit kann der O die verkörperte Erklärung nicht zugerechnet werden, wodurch eine unechte Urkunde durch T hergestellt worden ist.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Dogu

Dogu

18.4.2024, 12:28:28

Wäre Handlungswille nicht treffender? Analog zu BGB AT.

Burumar🐸

Burumar🐸

16.9.2024, 19:02:10

*Push

JUDI

judith

15.12.2024, 15:01:35

Laut Fischer (§ 267 Rn. 28) kommt es bei einer erzwungenen Unterschrift darauf an, ob der Unterschreibende seine Unterschrift unter

vis absoluta

oder

vis compulsiva

geleistet hat. Eine mit

vis absoluta

erzwungene Unterschrift ist unecht. Wurde die hingegen unter

vis compulsiva

erzwungen, ist die Urkunde nur dann unecht, wenn bereits über die Tatsache der Unterschriftenleistung getäuscht wurde. Ich denke, dass der Begriff des ErklärungsBEWUSSTSEINS hier in der Erklärung abstrakt gewählt wurde, um eindeutig darzustellen, dass der O jegliches allgemeine Bewusstsein fehlte und auf jeden Fall

vis absoluta

gegeben ist. Eine Analogie zum BGB und damit den Voraussetzungen des

Tatbestand

s für Willenserklärungen, ist hier möglich (Puppe/Schuhmann NS-Kommentar StGB § 267 Rn. 71). Der zivilrechtl. Handlungswille, der eine willentliche Steuerung des Verhaltens voraussetzt, wäre mMn auch zutreffender. Rengier (auf den bei dieser Problematik alle „größeren“ Kommentare verweisen) spricht bei Anwendung von

vis absoluta

nur von Erklärungsbewusstsein (Rengier, StrafR BT II § 33 Rn.

34

– 36)

MayonnaiseOperator

MayonnaiseOperator

7.6.2024, 02:42:42

Hi Community, hier wusste O um die rechtserhebliche Beweisfunktion ihrer Erklärung; eine freie, selbstbestimmte Willensbildung der O wurde zwar erheblich eingeschränkt, aber nicht gänzlich aufgehoben. Wäre es hier nicht fremd,

vis absoluta

zu unterstellen?

PAT

Patrick4219

3.8.2024, 22:40:10

Der Wille der Omi O wurde hier aber doch gerade aufgrund dee körperlichen Unterlegenheit gebrochen und nicht nur gebeugt. Eine Willensbeugung wäre gegeben, wenn die O noch eine Möglichleit gehabt hätte sich der Unterzeichnung zu entziehen. Diese war hier jedoch gerade nicht gegeben.


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