Zwang / vis absoluta
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T ist erbost darüber, dass ihre Omi O sie nicht im Testament bedacht hat. Um eine unkomplizierte Erbeinsetzung zu gewährleisten, fertigt T ein neues Testament an, indem sie entgegen Os Willen gewaltsam deren Hand führt.
Diesen Fall lösen 86,1 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Zwang / vis absoluta
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Wenn Aussteller und Hersteller einer Urkunde identisch sind, dann liegt immer eine echte Urkunde vor (§ 267 Abs. 1 StGB).
Nein!
Jurastudium und Referendariat.
2. Indem T gewaltsam die Hand von O zwecks Errichtung eines neuen Testaments führte, hat sie eine unechte Urkunde hergestellt (§ 267 Abs. 1 Var. 1 StGB).
Genau, so ist das!
Fundstellen
Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Dogu
18.4.2024, 12:28:28
Wäre Handlungswille nicht treffender? Analog zu BGB AT.
Burumar🐸
16.9.2024, 19:02:10
*Push
judith
15.12.2024, 15:01:35
Laut Fischer (§ 267 Rn. 28) kommt es bei einer erzwungenen Unterschrift darauf an, ob der Unterschreibende seine Unterschrift unter
vis absolutaoder
vis compulsivageleistet hat. Eine mit
vis absolutaerzwungene Unterschrift ist unecht. Wurde die hingegen unter
vis compulsivaerzwungen, ist die Urkunde nur dann unecht, wenn bereits über die Tatsache der Unterschriftenleistung getäuscht wurde. Ich denke, dass der Begriff des ErklärungsBEWUSSTSEINS hier in der Erklärung abstrakt gewählt wurde, um eindeutig darzustellen, dass der O jegliches allgemeine Bewusstsein fehlte und auf jeden Fall
vis absolutagegeben ist. Eine Analogie zum BGB und damit den Voraussetzungen des
Tatbestands für Willenserklärungen, ist hier möglich (Puppe/Schuhmann NS-Kommentar StGB § 267 Rn. 71). Der zivilrechtl. Handlungswille, der eine willentliche Steuerung des Verhaltens voraussetzt, wäre mMn auch zutreffender. Rengier (auf den bei dieser Problematik alle „größeren“ Kommentare verweisen) spricht bei Anwendung von
vis absolutanur von Erklärungsbewusstsein (Rengier, StrafR BT II § 33 Rn.
34– 36)
MayonnaiseOperator
7.6.2024, 02:42:42
Hi Community, hier wusste O um die rechtserhebliche Beweisfunktion ihrer Erklärung; eine freie, selbstbestimmte Willensbildung der O wurde zwar erheblich eingeschränkt, aber nicht gänzlich aufgehoben. Wäre es hier nicht fremd,
vis absolutazu unterstellen?
Patrick4219
3.8.2024, 22:40:10
Der Wille der Omi O wurde hier aber doch gerade aufgrund dee körperlichen Unterlegenheit gebrochen und nicht nur gebeugt. Eine Willensbeugung wäre gegeben, wenn die O noch eine Möglichleit gehabt hätte sich der Unterzeichnung zu entziehen. Diese war hier jedoch gerade nicht gegeben.