Drohung / vis compulsiva

21. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Trotz ihres beachtlichen Gehalts verlangt V von Großkanzlei-Partnerin T eine Bürgschaftserklärung für die Anmietung einer Wohnung in der Elbphilharmonie. Ts Bekannter B weigert sich, eine solche zu unterzeichnen. Als T ihm eine Pistole vorhält, gibt B nach und unterzeichnet.

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Einordnung des Falls

Drohung / vis compulsiva

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Bei einer durch Zwang oder Drohung hervorgerufenen Unterschrift ist darauf abzustellen, ob der Unterzeichnende Erklärungsbewusstsein hatte.

Ja, in der Tat!

Grundsätzlich ist die Echtheit der Urkunde indiziert, wenn körperlicher Hersteller der Urkunde und Aussteller dieselbe Person sind. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn dem Aussteller die verkörperte Erklärung nicht zugerechnet werden kann. Bei einer durch Zwang oder Drohung hervorgerufenen Unterschrift ist darauf abzustellen, ob der Unterzeichnende Erklärungsbewusstsein hatte. Nur wenn anlässlich des Zwangs oder der Drohung jegliches Erklärungsbewusstsein fehlt, wird eine unechte Urkunde hergestellt. Bei der Anwendung von vis compulsiva(willensbeugende Gewalt) und der durch Drohung ausgeübte Zwang wird die Echtheit der Urkunde nicht berührt.
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2. Indem B widerwillig und unter Todesangst die Bürgschaftserklärung unterzeichnet, hat er eine unechte Urkunde hergestellt (§ 267 Abs. 1 Var. 1 StGB).

Nein!

Wird der Aussteller einer Urkund durch vis compulsiva zur Erklärung genötigt, so bleibt ihm die Erklärung dennoch zurechenbar und die Echtheit der Urkunde wird nicht berührt.B unterzeichnet die Bürgschaftserklärung zwar nur aufgrund der vorgehaltenen Pistole. Er ist sich jedoch bewusst, dass er eine solche unterzeichnet. Aufgrund des vorliegenden Erklärungsbewusstseins liegt eine echte Urkunde vor. Eine Strafbarkeit der T wegen Urkundenfälschung in mittelbarer Täterschaft (§§ 267 Abs. 1, 25 Abs. 1 Var. 2 StGB) scheidet damit aus. Jedoch kommen räuberische Erpressung und Nötigung in Betracht. B kann ferner die Bürgschaftserklärung wegen widerrechtlicher Drohung anfechten (§ 123 Abs. 1 BGB).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

B333

b333

29.12.2023, 10:20:37

Worin liegt der Unterschied zu dem vorherigen Fall über die Erbin, die die Hand ihrer Oma mit Gewalt geführt, und dadurch das

Testament

unterschrieben hat ? Ist der entscheidende Punkt die Abgrenzung zwischen

vis absoluta

&

vis compulsiva

?

BES

besinha

29.12.2023, 13:33:42

Ja, genau. In dem vorherigen Fall wurde der Oma jede Realisierung ihres vorhandenen Willens absolut unmöglich gemacht (

vis absoluta

), während in diesem Fall durch das Vorhalten der Waffe „lediglich“ ein psychischer Druck gegen B erzeugt wird, der ihm allerdings noch Handlungsspielräume offen lässt (

vis compulsiva

). Bei Anwendung von

vis absoluta

fehlt der Erklärungswille (keine eigene Handlung), sodass eine unechte Urkunde hergestellt wird. Bei Anwendung von

vis compulsiva

bleibt die Erklärung dem Aussteller zurechenbar, wodurch die Echtheit nicht berührt wird.

B333

b333

29.12.2023, 14:00:13

Dankeschön !

LELEE

Leo Lee

30.12.2023, 23:41:49

Hallo b333, wie besnadzcn es schon ausgezeichnet erklärt hat, kommt es bei der Geistigkeitstheorie einzig darauf an, wessen „geistiges“ Werk die Erklärung darstellt. Beim Fall, wo die Hand der Oma gewaltsam geführt wird, liegt eben keine Erklärung der Oma vor, sondern die des Täters (nur unter „Nutzung“ der Hand der Oma, was vergleichbar ist in dem Moment mit einem ganz normalen Stift; der Urheber ist und bleibt nach wie vor aber der Täter). Hier wird die Oma zwar „gezwungen“, allerdings ist sie immer noch die geistige Urheberin dieser Erklärung (wobei die Motive hinter dieser Erklärung erstmal unbeachtlich sind). Deshalb liegt hier nach der Geistigkeitstheorie sehr wohl eine Erklärung vor, die auch tats. vom Aussteller stammt. Somit liegt eine echte Urkunde vor. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre von MüKo-StGB 4. Auflage, Erb § 267 Rn. 124 ff. sehr empfehlen :). Einen guten Rutsch ins neue Jahr wünscht dir das Jurafuchsteam!


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