Drohung / vis compulsiva
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Trotz ihres beachtlichen Gehalts verlangt V von Großkanzlei-Partnerin T eine Bürgschaftserklärung für die Anmietung einer Wohnung in der Elbphilharmonie. Ts Bekannter B weigert sich, eine solche zu unterzeichnen. Als T ihm eine Pistole vorhält, gibt B nach und unterzeichnet.
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Einordnung des Falls
Drohung / vis compulsiva
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Bei einer durch Zwang oder Drohung hervorgerufenen Unterschrift ist darauf abzustellen, ob der Unterzeichnende Erklärungsbewusstsein hatte.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Indem B widerwillig und unter Todesangst die Bürgschaftserklärung unterzeichnet, hat er eine unechte Urkunde hergestellt (§ 267 Abs. 1 Var. 1 StGB).
Nein!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
b333
29.12.2023, 10:20:37
Worin liegt der Unterschied zu dem vorherigen Fall über die Erbin, die die Hand ihrer Oma mit Gewalt geführt, und dadurch das
Testamentunterschrieben hat ? Ist der entscheidende Punkt die Abgrenzung zwischen
vis absoluta&
vis compulsiva?
besinha
29.12.2023, 13:33:42
Ja, genau. In dem vorherigen Fall wurde der Oma jede Realisierung ihres vorhandenen Willens absolut unmöglich gemacht (
vis absoluta), während in diesem Fall durch das Vorhalten der Waffe „lediglich“ ein psychischer Druck gegen B erzeugt wird, der ihm allerdings noch Handlungsspielräume offen lässt (
vis compulsiva). Bei Anwendung von
vis absolutafehlt der Erklärungswille (keine eigene Handlung), sodass eine unechte Urkunde hergestellt wird. Bei Anwendung von
vis compulsivableibt die Erklärung dem Aussteller zurechenbar, wodurch die Echtheit nicht berührt wird.
b333
29.12.2023, 14:00:13
Dankeschön !
Leo Lee
30.12.2023, 23:41:49
Hallo b333, wie besnadzcn es schon ausgezeichnet erklärt hat, kommt es bei der Geistigkeitstheorie einzig darauf an, wessen „geistiges“ Werk die Erklärung darstellt. Beim Fall, wo die Hand der Oma gewaltsam geführt wird, liegt eben keine Erklärung der Oma vor, sondern die des Täters (nur unter „Nutzung“ der Hand der Oma, was vergleichbar ist in dem Moment mit einem ganz normalen Stift; der Urheber ist und bleibt nach wie vor aber der Täter). Hier wird die Oma zwar „gezwungen“, allerdings ist sie immer noch die geistige Urheberin dieser Erklärung (wobei die Motive hinter dieser Erklärung erstmal unbeachtlich sind). Deshalb liegt hier nach der Geistigkeitstheorie sehr wohl eine Erklärung vor, die auch tats. vom Aussteller stammt. Somit liegt eine echte Urkunde vor. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre von MüKo-StGB 4. Auflage, Erb § 267 Rn. 124 ff. sehr empfehlen :). Einen guten Rutsch ins neue Jahr wünscht dir das Jurafuchsteam!