Referendariat
Die StA-Klausur im Assessorexamen
Das materielle Gutachten
Drittwirkung einer fehlenden Belehrung
Drittwirkung einer fehlenden Belehrung
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
B und M sind eines gemeinschaftlichen Diebstahls verdächtig. B wird vor ihrer polizeilichen Vernehmung nicht über ihr Schweigerecht belehrt. B räumt die gemeinschaftliche Tatbegehung umfassend ein.
Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Drittwirkung einer fehlenden Belehrung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Da B nicht über ihr Schweigerecht belehrt wurde (§§ 163a Abs.4 S.2, 136 Abs.1 S.2 StPO), sind ihre Aussagen im späteren Prozess nicht gegen sie verwertbar.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Da die Angaben der B unter Verletzung des Belehrungsgebots zustande gekommen sind, dürfen sie auch nicht gegen die weitere Beschuldigte M verwertet werden.
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
juraprinzessin123
9.8.2023, 18:27:39
Hier geht es um das Schlagwort „Rechtskreistheorie“, richtig? Am besten auch kurz so bezeichnen 🙃 viele Korrektoren sind sehr Schlagwortorientiert
Lukas_Mengestu
10.8.2023, 09:49:47
Hallo jur
aprinzession, vielen Dank für den Hinweis. Wir haben das Schlagwort hier noch ergänzt! Wichtig ist aber letztlich für das eigene Verständnis, dass die Rechtskreistheorie letztlich nur ein besonderer Unterfall der von der Rechtsprechung verwendeten
Abwägungslehreist. Die Rechtskreistheorie betrifft
Beweiserhebungsverbote, die ausschließliche dem Schutz des Staates (§§ 54, 96 StPO) oder dritter Personen (§§ 55, 81c StPO) dienen. Da hier keine schützenswerte Position des Angeklagten betroffen ist, fällt die Abwägung in diesen Fällen stets zugunsten des staatlichen Verfolgungsinteresses aus, sodass hieraus kein Beweisverwertungsverbot folgt (mehr dazu: Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, Einl. RdNr. 55a). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Bob99
15.10.2023, 18:06:46
In der Antwort kommt ein „grundsätzlich“ vor. Gern würde ich das dann auch in der Frage sehen, weil man ja auch gerne mal von Fangfragen ausgeht. Außerdem stehen in dem Text an einer Stelle zwei „sind“‘s hintereinander.
Lukas_Mengestu
16.10.2023, 14:07:36
Hallo Bob99, vielen Dank für die Nachfrage und den Hinweis. Im abstrakten Maßstab haben wir ein grundsätzlich eingefügt, da in bestimmten Ausnahmefällen (zB bei Kennntis des Beschuldigten über sein Schweigerecht) aus der fehlenden Belehrung kein Beweisverwertungsverbot folgt. In der Frage ging es dagegen um den konkreten Beispielsfall. Da hier keine Anhaltspunkte für eine Ausnahme vorliegen, folgt aus der fehlenden Belehrung der B, dass ihre Aussage im Prozess nicht verwertbar ist, um als Beweismittel gegen sie eingesetzt zu werden. Deswegen bedarf es hier des Zusatzes grundsätzlich nicht :-) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Bob99
16.10.2023, 14:31:00
Alles klar, danke!
glaenzejenseitsvonnullundachtzehn
3.4.2024, 17:33:55
Wie wäre es denn, wenn beide Personen nicht über ihr Schweigerecht belehrt wurden und daraufhin umfassend aussagen? Dann wäre eine Verurteilung beider unprobelmatisch aufgrund der Aussage der jeweils anderen möglich? Gibt es hierbei dann eine Ausnahme, zB weil die Polizei vorsätzlich nicht belehrt in der Hoffnung, dass beide Personen zunächst aussagen werden?
philosophe
6.5.2024, 17:15:25
Das habe ich mich auch gefragt. 🤔
Nocebo
17.5.2024, 09:40:46
Vermutlich ließe sich die allgemeine Regel, dass willkürliche Verstöße besonders schwer wiegen, anwenden?
Felix Finito
7.6.2024, 12:05:18
In der Abwägung des Strafverfolgungsinteresses gegen das Interesse des Beschuldigten an der Bewahrung seiner
Rechtsgüterist die Art des Verschuldens hinsichtlich des Verfahrensverstoßes ein wichtiges Kriterium. Das BVerfG sagt dazu: "Die Annahme eines Beweisverwertungsverbots ist von Verfassungs wegen zumindest bei schwerwiegenden, bewussten oder willkürlichen Verfahrensverstößen, bei denen die grundrechtlichen Sicherungen planmäßig oder systematisch außer Acht gelassen worden sind, geboten (zB. Beschluss vom 20. Mai 2011 - 2 BvR 2072/10). Wenn also in einem Fall wie hier erwiesenermaßen beide Beschuldigten bewusst nicht über ihr Schweigerecht belehrt wurden,muss dies zu einem Beweisverwertungsverbot der Aussagen auch gegenüber dem jeweils anderen Mitbeschuldigten führen.