Zivilrecht

Schuldrecht Allgemeiner Teil

Erlöschen des Schuldverhältnisses

Person des Leistenden V - Drittleistung ohne Fremdtilgungswillen

Person des Leistenden V - Drittleistung ohne Fremdtilgungswillen

22. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Mieter M schuldet Gärtnerin G für das Instandsetzen seines Gartens €500 aus einem Werkvertrag (§ 631 BGB), die er nicht bezahlen kann. Eigentümerin E glaubt aufgrund ihrer Eigentümerstellung, sie sei zur Zahlung der abgenommenen Leistung verpflichtet und gibt G das Geld. Dennoch verlangt G von M Zahlung von €500.

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Einordnung des Falls

Person des Leistenden V - Drittleistung ohne Fremdtilgungswillen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Hatte G einen Anspruch, dass M den geschuldeten Werklohn zahlt (§ 631 Abs. 1 Hs. 2 BGB)?

Genau, so ist das!

Durch einen Werkvertrag wird der Besteller verpflichtet, die vereinbarte Vergütung zu entrichten (§ 631 Abs. 1 Hs. 2 BGB). G und M haben einen Werkvertrag geschlossen. M ist nach Abnahme (§ 641 Abs. 1 S. 1 BGB) zur Zahlung verpflichtet.
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2. Kann nur der Schuldner eine geschuldete Leistung erbringen?

Nein, das trifft nicht zu!

In erster Linie ist der Schuldner verpflichtet, die Leistung zu erbringen. Es kann aber auch ein Dritter die Leistung erbringen (§ 267 Abs. 1 S. 1 BGB), sofern es sich nicht um eine persönliche Leistungspflicht handelt und der Dritte mit dem Willen handelt, eine fremde Schuld zu begleichen (Fremdtilgungswillen). Als Dritte gelten nicht Personen, derer sich der Schuldner zur Erfüllung bedient. Deren Handeln wird ihm unmittelbar als eigene Leistung zugerechnet (§ 278 BGB).

3. Handelt es sich bei Ms Leistungspflicht um eine höchstpersönliche Schuld?

Nein!

Eine persönliche Leistungspflicht kann sich aus der Parteivereinbarung, dem Gesetz (§§ 613, 664, 691, 713 BGB )oder der Natur des Schuldverhältnisses ergeben (zB künstlerische Leistungen). Es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass G und M im Hinblick auf die Zahlungspflicht eine höchstpersönliche Schuld vereinbart haben. Somit kann der Werklohn auch durch Dritte entrichtet werden.

4. Erlischt Gs Anspruch durch Leistung der E, obwohl E glaubt selbst zur Zahlung verpflichtet zu sein?

Nein, das ist nicht der Fall!

Ein Dritter kann die Leistung erbringen (§ 267 Abs. 1 S. 1 BGB), sofern es sich nicht um eine persönliche Leistungspflicht handelt und der Dritte mit dem Willen handelt, eine fremde Schuld zu begleichen (Fremdtilgungswillen). E wollte nicht Ms Schuld zum Erlöschen bringen und damit als „Dritte“ handeln. Vielmehr ging sie davon aus, dass sie selbst verpflichtet war das Geld zu zahlen. Da ihr der Fremdtilgungswillen fehlte, ist Gs Anspruch nicht durch Erfüllung erloschen.

5. Hat G weiterhin einen Anspruch, dass M den geschuldeten Werklohn zahlt (§ 631 Abs. 1 Hs. 2 BGB)?

Ja, in der Tat!

Da Gs Werklohnanspruch nicht durch Erfüllung erloschen ist, kann sie weiterhin von M die Zahlung des Werklohns fordern. G bekommt den Werklohn aber auch nicht doppelt. Vielmehr kann E ihre Zahlung von G über das Bereicherungsrecht wieder zurückfordern, da G keinen Rechtsgrund dafür hat, die geleistete Zahlung zu behalten (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

iudexaquo

iudexaquo

30.3.2022, 18:24:33

Könnte G die Forderung nicht einfach an E abtreten, sodass E diese dann bei M geltend macht? Dann müsste M nicht an G zahlen und G müsste das Geld nicht an E zurückzahen. So würde man das hin und her vermeiden.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

31.3.2022, 10:53:16

Hallo dem672, das könnte G durchaus. Fraglich ist nur, ob E ein Interesse daran hat eine Forderung gegen M zu erhalten. Denn M hat sich ja bereits in der Vergangenheit als säumiger Schuldner gezeigt. Denkbar wäre aber zB eine Abtretung des Anspruchs von G an E "

erfüllungshalber

" (statt Herausgabe des Geldes). Kann E die Forderung einziehen, so erspart man sich das "hin und her". Scheitert dies, so bleibt E weiterhin die Möglichkeit bestehen, von G das Geld herauszuverlangen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

LS2024

LS2024

10.5.2024, 15:37:00

mMn ist die Lösung nicht mit der hL und der Ansicht des BGH vereinbar. Die Fremdtilgungsbestimmung ist eine geschäftsähnliche Handlung/Willenserklärung, jedenfalls nach §§ 133, 157 BGB (analog) auszulegen [Staudinger/Bittner/Kolbe (2019) BGB § 267 Rn. 8]. Laut Sachverhalt hat die Vermieterin nur das Geld übergeben, ohne eine sonstige Erklärung abzugeben. Damit hat sie aus der Sicht des Gläubigers konkludent ihren Fremdtilgungswillen zum Ausdruck gebracht. Die Forderung ist somit durch Drittleistung erloschen. Im Übrigen ist der Vertiefungshinweis auch mit der Lösung des Hemdenfalls in der Jurafuchs Einheit Bereicherungsrecht nicht vereinbar. Denn dort wird eine Leistungskondiktion des Hemdenlieferanten gegen den Leistungsempfänger abgelehnt, da aus Sicht des Leistungsempfänger eine Zweckbestimmung nicht erfolgt ist. Mit der selben Argumentation müsste man mMn auch hier die Leistungskondiktion ablehnen und die Vermietern hat sich stattdessen nach § 812 I 1 Var. 2 BGB an den Mieter zu halten. Außer sie würde die Fremdtilgungsbestimmung anfechten, dann läge ja keine Leistung an den Gläubiger vor und damit könnte sie stattdessen gegen den Gläubiger nach § 812 I 1 Var. 2 BGB vorgehen (Oder? Bin mir unsicher, ob das mit der Anfechtung so richtig ist?).

Ala

Ala

21.10.2024, 16:53:43

Ich glaube nach Anfechtung der Tilgungsbestimmung könnte sie aus § 812 I 1 Alt. 1 BGB gegen den Gläubiger vorgehen :)

LS2024

LS2024

22.10.2024, 07:57:10

Hallo @Ala, danke für Deine Antwort. Hast du dafür eine Ratio? Inzwischen bin ich mir nämlich recht sicher, dass nach der oben genannten Begründung (Bei Anfechtung: Mangels Tilgungsbestimmung keine Leistung) die Leistungskondiktion einschlägig ist.

Ala

Ala

22.10.2024, 13:44:55

Eine Ratio wofür, @[LS2024](144077)?

LS2024

LS2024

23.10.2024, 11:50:07

Habe mich verschrieben, sollte heißen: "Inzwischen bin ich mir nämlich recht sicher, dass nach der oben genannten Begründung (Bei Anfechtung: Mangels Tilgungsbestimmung keine Leistung) die *Nicht*leistungskondiktion einschlägig ist." Also was ist deine Begründung dafür, dass man dann nach § 812 I 1 BGB vorginge? @[Ala](241758)


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