Zivilrecht

Schuldrecht Allgemeiner Teil

Erlöschen des Schuldverhältnisses

Person des Leistenden VI – nachträgliche Tilgungsbestimmung

Person des Leistenden VI – nachträgliche Tilgungsbestimmung

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A nimmt bei der B-Bank ein Darlehen über €5.000 auf. C bürgt für A. Da As Pläne scheitern, zahlt C das Geld an B wegen der übernommenen Bürgschaft. Später zeigt sich, dass die Bürgschaft unwirksam war. C teilt B mit, sie solle das Geld dennoch behalten und zur Tilgung der Forderung gegen A nutzen.

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Einordnung des Falls

Person des Leistenden VI – nachträgliche Tilgungsbestimmung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Hatte B einen Anspruch darauf, dass A das Darlehen zurückzahlt (§ 488 Abs. 1 BGB)?

Ja!

Bei einem Darlehensvertrag ist der Darlehensgeber verpflichtet, den vereinbarten Geldbetrag zur Verfügung zu stellen (§ 488 Abs. 1 S.1 BGB). Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, das Darlehen bei Fälligkeit zurückzuzahlen und - sofern vereinbart - Zinsen zu zahlen (§ 488 Abs. 1 S.2 BGB). Zwischen A und B besteht ein Darlehensvertrag. Somit war A verpflichtet das Darlehen bei Fälligkeit zurückzahlen.
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2. Kann nur der Schuldner eine geschuldete Leistung erbringen (§ 267 Abs. 1 S. 1 BGB)?

Nein, das ist nicht der Fall!

In erster Linie ist der Schuldner verpflichtet, die Leistung zu erbringen. Es kann aber auch ein Dritter die Leistung erbringen (§ 267 Abs. 1 S. 1 BGB), sofern es sich nicht um eine persönliche Leistungspflicht handelt und der Dritte mit dem Willen handelt, eine fremde Schuld zu begleichen (Fremdtilgungswillen). Als Dritte gelten nicht Personen, derer sich der Schuldner zur Erfüllung bedient. Deren Handeln wird ihm unmittelbar als eigene Leistung zugerechnet (§ 278 BGB).

3. Handelt es sich bei As Leistungspflicht um eine höchstpersönliche Schuld?

Nein, das trifft nicht zu!

Eine persönliche Leistungspflicht kann sich aus der Parteivereinbarung, dem Gesetz (§§ 613, 664, 691, 713 BGB)oder der Natur des Schuldverhältnisses ergeben (zB künstlerische Leistungen). Es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass A und B im Hinblick auf die Zahlungspflicht eine höchstpersönliche Schuld vereinbart haben. Somit kann das Darlehen auch durch Dritte entrichtet werden.

4. Hat C ursprünglich die Forderung der B gegen A als Dritte erfüllen wollen (§ 267 Abs. 1 S. 1 BGB)?

Nein!

Die Bürgschaft begründet eine von der Verbindlichkeit des Hauptschuldners zu unterscheidende, rechtlich selbstständige Verpflichtung des Bürgen. C wollte nicht As Schuld zum Erlöschen bringen und damit als „Dritte“ handeln. Vielmehr ging sie davon aus, dass sie selbst aufgrund des Bürgschaftsvertrages verpflichtet war das Geld zu zahlen. Da ihr der Fremdtilgungswillen fehlte, ist Bs Anspruch zunächst nicht durch Erfüllung erloschen.

5. Ist der Anspruch der B dadurch erloschen, dass C der B mitteilte, er wolle trotz unwirksamer Bürgschaft leisten (§ 362 Abs. 1, 267 Abs. 1 S. 1 BGB)?

Genau, so ist das!

Ein Dritter kann die Leistung erbringen (§ 267 Abs. 1 S. 1 BGB), sofern es sich nicht um eine persönliche Leistungspflicht handelt und der Dritte mit dem Willen handelt, eine fremde Schuld zu begleichen (Fremdtilgungswillen). Nach der herrschenden Meinung kann eine einmal getroffene Tilgungsbestimmung auch noch nachträglich geändert werden.C hat erkannt, dass er nicht zur Zahlung verpflichtet und damit „Dritte“ iSd § 267 Abs. 1 S. 1 BGB ist. Durch den Hinweis an B, dass diese das Geld behalten kann, hat er seine Tilgungsbestimmung nachträglich zugunsten der A geändert.

6. Ist A gegenüber C zur Rückzahlung verpflichtet?

Ja, in der Tat!

Durch die zulässige Leistung des Dritten (§ 267 Abs. 1 S. 1 BGB), erlischt die Forderung des Gläubigers (§ 362 Abs. 1 BGB). Ein gesetzlicher Forderungsübergang findet nicht statt (anders bei einem Ablösungsrecht des Dritten, § 268 Abs. 3 BGB). Rückgriffsansprüche des Dritten gegen den Schuldner können sich allerdings aufgrund vertraglicher Basis (zB Auftrag, §§ 662, 670 BGB), durch berechtigte (§ 677, 683 S. 1, 670 BGB) oder unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 684, 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB) ergeben.As Darlehensverpflichtung gegenüber B ist durch Leistung des C erloschen. Vertragliche Abreden zwischen A und C ergeben sich nicht aus dem Sachverhalt. Es besteht aber jedenfalls eine Rückzahlpflicht aus der (un-) berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

CR7

CR7

2.4.2023, 09:47:51

Ist es hier dann eine berechtigte GoA oder unberechtigt?

Johannes Hohenadler

Johannes Hohenadler

24.4.2023, 04:29:09

Aber es ist nicht ersichtlich, dass ein Vertrag zwischen A und C geschlossen wurden. Wenn ein Dritter zahlt ist der ursprüngliche Schuldner dem Dritten gegenüber immer zur Rückzahlung verpflichtet?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

24.4.2023, 10:18:21

Hallo muclaw, vielen Dank für die Rückfrage! Schau Dir hierzu gerne noch einmal den letzten Hinweistext an. Als Anspruchsgrundlage kommen nicht nur vertragliche Ansprüche des Dritten, sondern auch gesetzliche Rückgriffsansprüche (berechtigte/unberechtigte GoA) in Betracht, für die es keiner vertraglichen Verbindung bedarf. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Johannes Hohenadler

Johannes Hohenadler

24.4.2023, 11:09:35

Ok, d.h. wenn du jetzt eine Rechnung für mich bezahlst und ich willige ein, kannst du das Geld von mir zurückverlangen. Wenn ich mit deiner Zahlung nicht einverstanden bin, besteht für dich kein Anspruch?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

24.4.2023, 11:49:25

Noch nicht ganz :-) Deine Einwilligung ist zunächst irrelevant. Widersprichst Du, besteht allenfalls die Möglichkeit, dass der Gläubiger die Leistung des Dritten ablehnt (§ 267 Abs. 2 BGB). Nur in diesem Fall bleibt Deine Schuld ihm gegenüber bestehen und Du bist nur dem ursprünglichen Gläubiger gegenüber verpflichtet. In den übrigen Fällen bist Du dem Dritten gegenüber (gesetzlich) verpflichtet (also in Deinem Beispiel mir), den aufgewendeten Betrag zu ersetzen. Sämtliche Rechte, die Dir aber gegenüber dem ursprünglichen Gläubiger zustanden, könntest Du auch dem Dritten entgegenhalten (§

404 BGB

analog). Beste Grüße, Lukas

DO

Dominic

2.8.2023, 00:38:29

Angenommen es handele sich um eine unberechtigte GoA: Könnte man dann auch ohne die GoA Verweisung ganz normal einen Anspruch aus Bereicherungsrecht prüfen? Also ganz normal § 812 I 1 Alt. 1? C wollte ja auf die Schuld des A leisten (Leistung im Verhältnis von C an A und zwar möglicherweise

donandi causa

). C hat die teilweise Befreiung von der Darlehensverbindlichkeit gegenüber der Bank erlangt. Und da eine berechtigte GoA nicht vorliegt, könnte die Leistung möglicherweise ohne Rechtsgrund erfolgt sein.

LELEE

Leo Lee

2.8.2023, 14:14:12

Hallo Dominic, in der Tat könnte man den § 812 I 1 Alt. 1 BGB "für sich alleine" prüfen und würde dann auf das gleiche Ergebnis kommen, wie wenn man über den Verweis von § 684 1 BGB hierzu gelangen würde. Allerdings ist es empfehlenswert die GoA (als Quasi-vertraglichen Anspruch) vor dem Bereicherungsanspruch zu prüfen aus zwei Gründen: I. Wenn du direkt den 812 I 1 Alt. 1 prüfst, müsstest du dann beim Prüfungspunkt "ohne Rechtsgrund" ohnehin inzident das Fehlen eines solchen Grundes aufgrund der unberechtigten GoA prüfen. Dies führt zu unübersichtlichen Schachtelprüfungen, die in einer Klausur eher fehl am Platz sind. II. Ausgehend von I. ist es also rechtsdogmatisch gesehen auch "sinnlos" bei 812 I 1 Alt. 1 ein neues "Fass" aufzumachen und alles nochmal von A - Z durchzuprüfen, statt einfach nach oben zu verweisen. Denn bei einer unberechtigte GoA steht von vornherein fest, dass kein Rechtsgrund gegeben ist (Siehe hierzu MüKo-BGB/Schäfer, § 684 Rn. 6). Somit kommt es in einer Klausur souveräner rüber, wenn die Bearbeitenden wie erwähnt nach oben verweisen :) Liebe Grüße Leo

LELEE

Leo Lee

2.8.2023, 16:40:11

@[Lukas_Mengestu](136780)

/Q

/qwas

23.1.2024, 11:30:16

Nur die berechtigte und die genehmigte unberechtigte GoA sind ein Rechtsgrund iSd. Bereicherungsrechts, oder?

STE

Stella2244

8.4.2024, 14:41:41

Könntet ihr das nochmal genau erklären? Bitte :)

LEO

Leo

7.10.2023, 20:35:04

Hallo, wenn C zunächst auf ihre Bürgschaft zahlt, würden dann nicht die GoA-Vorschriften wegen §687 nicht anwendbar sein, weil C glaubt, auf eigene Schuld zu zahlen? Wäre das nicht dann ein Fall der

Rückgriffskondiktion

gem. § 812 I 1 Alt. 2?

MAT

Matschegenga

26.6.2024, 21:02:17

Warum eigentlich nicht Leistungskondiktion, wenn er doch glaubt, auf eigene vertragliche Schuld zu zahlen (= bewusste, zweckgerichtete Mehrung des Vermögens der B)


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