Öffentliches Recht

VwGO

Feststellungsklage

Meinungsstreitigkeit als notwendige Voraussetzung?

Meinungsstreitigkeit als notwendige Voraussetzung?

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

M produziert Öko-Lacke. Behörde B ist der Meinung, die Produkte von M würden unter ein Bundesgesetz fallen, welches eine Abgabe für die Produktion umweltschädlicher Stoffe vorsieht. M meint, ihre Lacke fallen nicht unter das Gesetz und will nicht, dass B Geld von ihr verlangen kann.

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Einordnung des Falls

Meinungsstreitigkeit als notwendige Voraussetzung?

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Statthaft ist die Feststellungsklage, wenn M das Gesetz für nichtig erklären lassen will.

Nein!

Im Rahmen einer Feststellungsklage nach § 43 VwGO kann kein Gesetz für nichtig erklärt werden. Nur das BVerfG kann förmliche Bundesgesetze für nichtig erklären (z.B. in der Entscheidung einer Verfassungsbeschwerde). Die Gültigkeit eines Gesetzes kann aber inzident in einem verwaltungsrechtlichen Prozess relevant werden. Hält das Verwaltungsgericht das Gesetz für nichtig, muss es den Prozess nach Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG aussetzen und das BVerfG anrufen, bevor das Gericht entscheiden kann. Achtung: Bitte führ Dir genau vor Augen, welche Wirkungen die verwaltungsgerichtlichen Verfahren - gerade auch im Unterschied zu verfassungsgerichtlichen Verfahren - haben. Dies ist für Deine Klausur essentiell, Fehler tun hier besonders weh.
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2. Statthaft ist die Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 VwGO), wenn M feststellen lassen will, dass B ihr gegenüber keine Rechte aus dem Bundesgesetz ableiten kann.

Genau, so ist das!

Die Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO ist statthaft, wenn geklärt werden soll, ob ein Rechtsverhältnis besteht oder nicht. Ein Rechtsverhältnis kann dadurch entstehen, dass eine Partei aus einem Gesetz einen öffentlich-rechtlichen Anspruch gegen die andere Partei ableitet, d.h. ein subjektives öffentliches Recht gegenüber der anderen Partei hat. B meint, aus dem Abgabengesetz ergebe sich ein Anspruch gegen M auf Bezahlung der Abgabe. Ein solcher Anspruch wäre ein Rechtsverhältnis. Immer genau mit dem Sachverhalt arbeiten: Sollte B einen Abgabenbescheid erlassen, wäre die Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) statthaft.

3. Für die Zulässigkeit der Feststellungsklage ist es unerheblich, dass zwischen dem Kläger und dem Beklagten Streit über das Rechtsverhältnis besteht.

Nein, das trifft nicht zu!

Damit eine Feststellungsklage zulässig sein kann, muss es zwischen den Beteiligten streitig sein, ob das streitige Rechtsverhältnis besteht oder nicht besteht. Nach der Rspr. ist ein Rechtsverhältnis nur dann hinreichend konkret, wenn es zwischen den Parteien streitig ist. Das bedeutet, dass das Bestehen des Rechtsverhältnis vom gegnerischen Beteiligten bestritten werden muss bzw. sich der gegnerische Beteiligte des Rechtsverhältnisses oder einzelner Rechte oder Befugnisse berühmen muss. Fehlt es an einer Meinungsverschiedenheit, bestünde kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis und Bedürfnis, zu klagen. Ob Du diese Problematik bei der Statthaftigkeit oder beim Rechtsschutzbedürfnis unterbringst, ist nicht entscheidend. Für beide Prüfungspunkte sprechen gute Argumente. Einfach eine Entscheidung treffen und weiter geht's.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

DAV

David.

13.7.2022, 18:14:36

Eine Verständnisfrage, in den Definitionen ist immer die Rede davon, dass ein Rechtsverhältnis durch subjektive Rechte des Bürgers begründet wird. Kann ein Rechtsverhältnis auch durch das subjektive Recht der Behörde begründet werden, Abgaben verlangen zu können? Oder stellt man hier darauf ab, dass das bestehende Recht der M Öko Lacke zu produzieren durch die Abgaben eingeschränkt wird?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

23.7.2022, 15:51:27

Hallo davdz97, ein Rechtsverhältnis bezeichnet die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund öffentlicher Norm ergebenden rechtlichen Beziehungen zwischen einer Person zu einer anderen Person oder Sache. Gegenstand der

Feststellungsklage

können also zum einen die Befugnis der Behörde sein tätig zu werden sowie einzelne (subjektive) Rechte und Pflichten. Das subjektive Recht des Bürgers kann auch in einem Abwehrrecht bestehen keine Abgaben zahlen zu müssen. Demgegenüber steht der vermeintliche Anspruch der Behörde auf Zahlung der Abgaben. Es ist umstritten, ob Behörden in einem solchen Fall Leistungsklage erheben dürfen oder ob ihnen das

Rechtsschutzbedürfnis

fehlt, weil ihnen immer die Möglichkeit des Leistungsbescheides bleibt. Dieser würde dann natürlich im Wege der Anfechtungsklage von dem Bürger angegriffen im Streitfall. Zur genauen Definition eines Rechtsverhältnisses im Sinne der

Feststellungsklage

schau dir am besten nochmal die drei vorangegangenen Kapitel an. :) Viele Grüße, Nora für das Jurafuchs-Team

DAV

David.

23.7.2022, 18:14:22

Okay vielen Dank schonmal! In einem vorherigen Kapitel ist bei einem Maßstab die Rede davon, dass nach einhelliger Meinung Rechtsverhältnisse durch subjektive Rechte des Bürgers begründet werden. Hier bei der Subsumtion wäre der Anspruch der Behörde auf Zahlung der Abgabe das Rechtsverhältnis. Ist der Maßstab also nicht dahingehend zu verstehen, dass Rechtsverhältnisse in dem Sinne nur durch subjektive Rechte des Bürger begründet werden, sondern eben auch Ansprüche einer Behörde solche begründen?


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