Konkurrenzen § 113 Sonderfall

13. April 2025

1 Kommentar

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

Der Verkehrspolizist O hält den ihm bekannten T an. T fordert O auf, ihn weiterfahren zu lassen. Sollte O dies nicht tun, würde T „pikante“ Fotos, die O beim Besuch eines Bordells zeigen, an Os Vorgesetzten zu schicken. O lässt T sofort passieren.

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Einordnung des Falls

Konkurrenzen § 113 Sonderfall

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Indem der T dem O eröffnet, pikante Fotos von diesem zu veröffentlichen, hat er den Tatbestand der Nötigung durch Drohung (§ 240 Abs. 1 Alt. 2 StGB) erfüllt.

Ja!

Unter einer Drohung versteht man das Inaussichtstellen eines Übels, auf das der Drohende Einfluss hat oder zu haben vorgibt. Diese kann ausdrücklich sowie stillschweigend durch entsprechendes Verhalten erfolgen.Im Rahmen des § 240 StGB muss der Täter mit einem empfindlichen Übel drohen. Gemeint ist damit ein Nachteil, der so erheblich ist, dass seine Ankündigung geeignet erscheint, den Bedrohten im Sinne des Täterverlangens zu motivieren. Hier konfrontiert T den O damit, dass er intimes Bildmaterial an Os Vorgesetzten schickt, wenn dieser ihn nicht passieren lässt. Für O stellt dies ein empfindliches Übel dar, auf welches der T Einfluss hat (= Nötigungshandlung). Auch die übrigen Voraussetzungen des § 240 Abs. 1 StGB hat T erfüllt: O ließ T gerade wegen der Drohung passieren (= Nötigungserfolg und Nötigungsspezifischer Zusammenhang). Es kam T gerade darauf an, dem O zu drohen, damit dieser T weiterfahren lässt (= Vorsatz). Auch die nach § 240 Abs. 2 StGB erforderliche Verwerflichkeit ist hier gegeben. T handelte rechtswidrig und schuldhaft.
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2. T könnte zudem den Tatbestand des § 113 Abs. 1 StGB erfüllt haben. Ist eine Drohung i.S.d. § 240 Abs. 1 StGB gleichzeitig immer auch eine Drohung i.S.d. § 113 Abs. 1 StGB?

Nein, das ist nicht der Fall!

Wenn in den Fällen Polizisten oder Polizistinnen vorkommen, solltest Du immer kurz überlegen, ob (auch) eine Strafbarkeit nach §§ 113ff. StGB in Betracht kommt. Der Tatbestand des § 113 StGB sieht, wie die Nötigung, auch eine Drohung als mögliches Tatmittel vor. Jedoch erfordert dieser speziellere Tatbestand eine Drohung mit Gewalt, nicht nur eine Drohung mit irgendeinem empfindlichen Übel.

3. T hat auch den objektiven Tatbestand des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 Abs. 1 StGB) erfüllt.

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Tatbestand des § 113 StGB erfordert eine Drohung mit Gewalt gegenüber einem Vollstreckungsbeamten. Als Gewalt gilt hier in erster Linie körperliche Kraftausübung, die unmittelbar gegen die Person des Vollstreckungsbeamten gerichtet ist und daher für ihn körperlich spürbar ist. O als Polizeibeamter ist Teil der Exekutive und damit Vollstreckungsbeamter i.S.d. § 113 StGB. Hier wird O damit konfrontiert, dass T intimes Bildmaterial veröffentlicht, wenn er ihn nicht passieren lässt. Für O liegt zwar ein empfindliches Übel vor, es handelt sich aber nicht um eine, den erhöhten Strafrahmen des § 113 StGB rechtfertigende Drohung mit Gewalt. Der Gewaltbegriff i.R.v. § 113 StGB ist enger als bei § 240 StGB: Körperliche Kraftausübung, die sich gegen Sachen richtet, genügt nur dann, wenn sie mittelbar auf den Vollstreckungsbeamten einwirkt.

4. Im Ergebnis hat sich T nur wegen Nötigung (§ 240 Abs. 1 Alt. 2 StGB) strafbar gemacht.

Ja, in der Tat!

Erreicht das Verhalten gegenüber dem Vollstreckungsbeamten nicht das erforderliche Maß des § 113 Abs. 1 StGB, so verbleibt nur eine Strafbarkeit nach § 240 Abs. 1 StGB. Zur Vermeidung einer Schlechterstellung des Täters wendet man aber § 113 Abs. 3, Abs. 4 StGB zu Gunsten des Täters entsprechend an. § 113 Abs. 3, Abs. 4 StGB trägt der besonderen Situation Rechnung, dass sich der Täter der Staatsgewalt ausgesetzt sieht. T hat den Tatbestand des § 113 Abs. 1 StGB nicht erfüllt. Mangels entsprechender Angaben ist auch davon auszugehen, dass § 113 Abs. 3, Abs. 4 StGB nicht einschlägig sind. T hat sich nach § 240 Abs. 1 Alt. 2 StGB strafbar gemacht. Wenn Du einmal feststellen solltest, dass das der Täter sich sowohl nach § 113 Abs. 1 StGB als auch nach § 240 Abs. 1 StGB strafbar gemacht hat, so musst Du im Rahmen der Konkurrenzen thematisieren, wie die beiden Delikte zueinander stehen. Grundsätzlich verdrängt der Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 Abs. 1 StGB) als speziellere Vorschrift die einfache Nötigung (§ 240 Abs. 1 StGB).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Juraddicted

Juraddicted

6.1.2025, 17:11:27

ist der Vertiefungshinweis so zu verstehen, dass 113 III, IV nicht in Verbindung/ Verhältnis zu 240 steht? (Ich war verwirrt, weil das im Fließtext hintereinander steht). Oder wird der Täter da auch (im Hinblick auf 240) besser gestellt? Vielen Dank :)


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