Zivilrechtliche Nebengebiete

Arbeitsrecht

Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Zugang unter Anwensenden: Erklärung nur gezeigt, treuwidrige Zugangsvereitelung

Zugang unter Anwensenden: Erklärung nur gezeigt, treuwidrige Zugangsvereitelung

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Personalleiter P möchte Arbeitnehmerin A kündigen. Er ruft A am 30.4 zu einem Personalgespräch zu sich ins Büro. P erklärt A, er halte hier As Kündigungsschreiben in der Hand. Bevor er weiterreden kann, stürmt A aus dem Raum. Die Kündigung erreicht A deshalb erst am 2.5 postalisch.

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Einordnung des Falls

Zugang unter Anwensenden: Erklärung nur gezeigt, treuwidrige Zugangsvereitelung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ist A die Kündigung am 30.4 zugegangen?

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Zugang einer verkörperten Willenserklärung unter Anwesenden ist auch dann bewirkt, wenn das Schriftstück dem Empfänger mit der für ihn erkennbaren Absicht, es ihm zu übergeben, angereicht und, falls er die Entgegennahme ablehnt, so in seiner unmittelbaren Nähe abgelegt wird, dass er es ohne Weiteres an sich nehmen und von seinem Inhalt Kenntnis nehmen kann.P hatte das Kündigungsschreiben A bislang erst gezeigt und es noch in der Hand gehalten. Er hat es A weder übergeben, angereicht, noch in ihrer Nähe abgelegt. Dies genügt nicht für den Zugang.
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2. A durfte die Annahme verweigern, wenn sie nicht mit einer Kündigung gerechnet hat.

Nein, das trifft nicht zu!

BAG: Ein Arbeitnehmer müsse regelmäßig damit rechnen, dass ihm anlässlich einer im Betrieb stattfindenden Besprechung mit dem Arbeitgeber rechtserhebliche Erklärungen hinsichtlich seines Arbeitsverhältnis übermittelt werden. Der Betrieb sei typischerweise der Ort, an dem das Arbeitsverhältnis berührende Fragen besprochen und geregelt werden. Die Pflicht zur Entgegennahme einer solchen Erklärung ergebe sich aus der Pflicht zur Rücksichtnahme auf Seiten des Arbeitnehmers als Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis (§ 241 Abs. 2 BGB).A hatte die Annahme der Kündigung grundlos verweigert.

3. Kann sich A darauf berufen, dass sie die Kündigung erst am 2.5. erhalten habe?

Nein!

Dem Empfänger einer Willenserklärung ist es nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich auf einen späteren Empfangszeitpunkt zu berufen, wenn (1) er durch eigenes Verhalten den Zugang einer Willenserklärung verhindert hat und (2) der Erklärende seinerseits alles Zumutbare dafür getan hat, dass seine Erklärung den Adressaten erreicht. Der Empfänger muss sich dann so behandeln lassen, als sei ihm die Erklärung bereits zum Zeitpunkt des Übermittlungsversuchs zugegangen.P hatte das Kündigungsschreiben zur Übergabe parat gehalten und versucht, es A auszuhändigen. Damit hat er alles Zumutbare getan. A verweigerte indes die Entgegennahme und verließ das Büro verlassen. Dadurch hat sie die persönliche Übergabe im Betrieb grundlos vereitelt.

4. Relevant ist der Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung unter anderem für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes (§ 1 Abs. 1 KSchG).

Genau, so ist das!

Das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) findet nur dann Anwendung, wenn das Arbeitsverhältnis mindestens 6 Monate bestanden hat (§ 1 Abs. 1 KSchG). Da das KSchG eine Kündigung deutlich erschwert ist, wird eine Kündigung nach Möglichkeit in den ersten sechs Monaten ausgesprochen. Wird diese Frist aufgrund des verspäteten Zugangs versäumt, so führt dies regelmäßig dazu, dass die Kündigung die Anforderungen des KSchG nicht wahrt und damit unwirksam ist.Achtung Terminologie: Diese Wartephase hat nichts mit einer eventuell vereinbarten Probezeit zu tun. Die Vereinbarung einer Probezeit führt lediglich zu einer verkürzten Kündigungsfrist (zwei Wochen, § 622 Abs. 1 BGB).
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