Zivilrechtliche Nebengebiete
Arbeitsrecht
Störungen des Arbeitsverhältnisses
§ 615 S. 3 BGB – abgebrannter Betrieb
§ 615 S. 3 BGB – abgebrannter Betrieb
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A ist in Bs Betrieb beschäftigt. Als sie eines Tages zur Arbeit erscheint, sieht sie, dass der Betrieb vollständig abgebrannt ist. B teilt A mit, dass sie ab sofort keinen Lohn mehr erhalte, weil sie ihre Arbeitsleistung im Betrieb ja nicht mehr erbringen könne.
Diesen Fall lösen 78,5 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
§ 615 S. 3 BGB – abgebrannter Betrieb
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. A hat einen Anspruch gegen B auf Zahlung von Arbeitsentgelt für ihre erbrachte Arbeitsleistung (§ 611a Abs.2 BGB).
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Wird die Arbeitsleistung nicht erbracht, so entfällt damit im Grundsatz auch der Anspruch auf den Lohn (§ 326 Abs. 1 S. 1 BGB).
Genau, so ist das!
3. Der Lohnanspruch besteht fort, da sich B im Annahmeverzug befindet (§ 615 S. 1 BGB).
Nein, das trifft nicht zu!
4. Der Lohnanspruch besteht fort, da das Risiko, dass B die A nicht beschäftigen kann, zum Betriebsrisiko des B gehört (§ 615 S. 3 BGB iVm § 615 S. 1 BGB).
Ja!
5. Muss B der A für alle Zeit nach §§ 611a Abs.2, 615 S.3 iVm. 615 S.1, 2 BGB Lohn fortzahlen, obwohl er sie nicht beschäftigen kann.
Nein, das ist nicht der Fall!
Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Jael
12.12.2022, 20:59:22
Lukas_Mengestu
2.2.2023, 10:33:23
Hallo Jael, schöner Gedanke! Die
Störung der Geschäftsgrundlagehat sich in den 1920er Jahren im Kontext der Hyperinflation etabliert und wurde dann erst wieder im Hinblick auf die Ölkrise der 70er wirklich thematisiert. Erst 2002 wurde sie überhaupt gesetzlich kodifiziert. Aus dieser Entwicklungsgeschichte wird noch einmal deutlich, dass
§ 313 BGBsehr restriktiv anzuwenden ist, da die nachträgliche Anpassung einen schweren Eingriff in die privatautonome Regelung der Parteien darstellt. Das Abbrennen einer Fabrik stellt kein derartig außergewöhnliches Ereignis dar. Zudem hat der Gesetzgeber eine klare gesetzgeberische Entscheidung getroffen, dass das Betriebsrisiko dem Arbeitgeber aufgebürdet ist. Für einen Rückgriff auf
§ 313 BGBbleibt insoweit kein Raum. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Matschegenga
12.3.2024, 14:47:52
Widerspricht die Voraussetzung der „Annahmeunwilligkeit“ nicht Wortlaut und Gesetzessystematik? Der Wortlaut von §§ 615 S.1,293ff. BGB fordert nur einen „Annahme(…)Verzug“. Von „Willigkeit“ ist nicht die Rede. Im Falle subjektiver Unmöglichkeit der Annahme nicht von einem solchen Annahmeverzug auszugehen, widerspricht zudem dem Umstand, dass der Fall der Annahmeverhinderung bereits in § 299 BGB - allem Anschein nach abschließend - geregelt ist. Im Umkehrschluss aus dieser Norm kommt der Gläubiger bei vorübergehender Annahmeverhinderung grds. in Verzug. Haben wir hier eine teleologische Reduktion des Merkmals „Verzug“? Wenn ja, wie begründet sich diese?
Anony Mous
11.9.2024, 12:49:04
Mich würde auch interessieren, woraus die Tatbestandsvoraussetzung der Annahmeunwilligkeit herzuleiten ist. Es sind m.E. alle Verzugsvarianten der §§ 293 ff. BGB (beispielsweise auch § 298 BGB bei ausgebliebenen fälligen Lohnzahlungen) von 615 S. 1 BGB umfasst. Ich bitte um Aufklärung.
rex ipso iure
27.5.2024, 12:36:36
Ich wünschte hier würde noch vorher kurz darauf eingegangen werden dass Verzug und Unmöglichkeit sich grundsätzlich ausschließen ( § 2
97 BGB) aber dann § 615 1 BGB kein Anwendungsbereich hätte und dann die Lsungsansätze der Rspr mit der Abstrahierungsformel und auf die Lösung der hL L
ehrevon der Annahmeunmöglichkeit
StellaChiara
9.9.2024, 11:36:26
Geht es um die Kündigungsfrist einer tatsächlich ausgeübten betriebsbedingten Kündigung oder nur um eine hypothetische?
Timurso
9.9.2024, 13:10:52
Soweit ich das verstehe, ist der Fortzahlungsanspruch von vornherein auf den Zeitraum beschränkt, wie wenn im Zeitpunkt seiner Entstehung hypothetisch eine ordentliche Kündigung ausgesprochen wurde.
di203
24.9.2024, 11:54:43
Besteht der Vergütungsanspruch gem. § 615 S. 1 auch fort, wenn die betrieblichen Reparaturarbeiten und der Brand selbst nur eine Folge eines Arbeitsunfalls des AN waren? AN hat die Pflichtverletzung zu vertreten, aber den Schaden fahrlässig i.S.d. innerbetr. Schadensausgleiches nicht zu zahlen - kann der "Brandstifter" für die Reparatur bzw. Stilllegung des Betriebs nun Entgelt verlangen?