Zivilrecht

BGB Allgemeiner Teil

Abgabe und Zugang von Willenserklärungen

Wirksamwerden – Zugangsvereitelung: Unberechtigte Annahmeverweigerung

Wirksamwerden – Zugangsvereitelung: Unberechtigte Annahmeverweigerung

22. Dezember 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

S will seinem Vermieter V kündigen. Er teilt dies dem V auch telefonisch mit. Die Kündigung muss bis zum 3. des Monats erklärt werden. S will sichergehen und schickt sie als Einschreiben mit Rückschein. Postbote P will sie V am 2.3. zustellen, V verweigert die Annahme.

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Einordnung des Falls

Wirksamwerden – Zugangsvereitelung: Unberechtigte Annahmeverweigerung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Kündigung ist in den Machtbereich des V gelangt.

Nein, das trifft nicht zu!

Empfangsbedürftige WE werden wirksam mit Zugang (§ 130 Abs. 1 S. 1 BGB). Zugang (Phase 3) liegt bei verkörperten WE vor, wenn die Erklärung so in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass er von ihr Kenntnis nehmen kann und wenn unter normalen Umständen mit der Kenntnisnahme zu rechnen ist.Da V die Kündigung nicht entgegengenommen hat, hat er keine Beherrschungsmöglichkeit erlangt. Das Einschreiben verblieb vielmehr in der Verfügungsmacht des P.
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2. V muss sich nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) so behandeln lassen, als sei ihm die Kündigung im Zeitpunkt der Annahmeverweigerung zugegangen.

Ja!

Eine WE, die nicht in den Empfangsbereich der Person gelangt, für die sie bestimmt ist, kann nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) als rechtzeitig zugegangen angesehen werden (Zugangsfiktion), wenn der Adressat mit rechtserheblichen Erklärungen rechnen musste und daher Vorkehrungen dafür zu treffen hatte, dass ihn diese auch erreichen. Verweigert er die Annahme unberechtigt (arglistige Zugangsvereitelung), ist ein zweiter Zustellversuch seitens des Erklärenden offenkundig sinnlos und unzumutbar.Hier musste V mit der Kündigung rechnen und hat grundlos die Annahme verweigert. Ihm ist nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf den fehlenden Zugang zu berufen. Das Thema der „Zugangsstörungen“ findest Du kommentiert bei Grüneberg, 82.A. 2023, § 130 BGB RdNr. 16ff.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

SI

Simi

14.2.2020, 20:16:10

Ist dem V die Kündigung nicht bereits mündlich durch das Telefonat zugegangen?

DO

DonQuiKong

24.2.2020, 17:47:07

Nein, da wurde nur mitgeteilt, dass er kündigen möchte, jedoch nicht, dass er kündigt.

GEL

gelöscht

26.3.2020, 13:17:20

Kündigungen über Wohnraum

mietverhältnisse

bedürfen zu ihrer Wirksamkeit nicht nur des Zugangs beim Empfänger, sondern unterliegen gem. § 568 I BGB auch dem Erfordernis der Schriftform.

Skywalker

Skywalker

22.10.2020, 02:16:51

Mich irritiert hier die Formulierung, das durch Anschauung nach Treu und Glauben die Erklärung als "rechtzeitig" angesehen wird, etwas. Es ist doch sicher gemeint, dass sie als Zugegangen gilt zu dem Zeitpunkt, als sie ohne Vereitelung zugegangen wäre. Oder? Habe diese Formulierung so auch in meinem Lehrbuch gelesen, finde sie aber etwas merkwürdig, außer es sollte wirklich so sein...?

NI

Niklas

22.10.2020, 17:34:34

Betrachtet man die Rechtsfrage abstrakt, hast du vollkommen Recht. Aufgrund der

Annahmeverweigerung

(

Zugangsvereitelung

) wird der Zugang der WE zu dem Zeitpunkt fingiert, in dem die WE ohne Vereitelung zugegangen wäre. In dem konkreten Fall, ist die WE „rechtzeitig“ zugegangen. „Rechtzeitig“ meint hierbei, dass der von S gewünschte Kündigungstermin eingehalten wurde.

ri

ri

14.8.2021, 01:09:21

Nicht 162 I

BGB analog

?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

6.1.2022, 10:49:09

Hallo Ri, guter Gedanke. Die Rechtsprechung stützt die Fälle des verweigerten Zugangs von Willenserklärungen indes direkt auf § 242 BGB (z.B. BGH NJW 1983, 929) und geht nicht den Weg über eine Analogie. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

QUIG

QuiGonTim

28.1.2022, 16:41:27

Kommt es für die

arglistige Zugangsvereitelung

darauf an, dass der Empfänge Kenntnis vom Absender der Erklärung und zumindest eine begründete

Vermutung

über deren Inhalt hat? Oder reicht es aus, wenn der Empfänger den Zugang jegliche Erläuterungen vereitelt?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

28.1.2022, 19:26:05

Hallo QuiGonTim, das macht

tat

sächlich keinen Unterschied. Verweigert er alle Briefe mit der Intention rechtserheblichen Erklärungen zu entgehen, dann kommt es für die Arglist nicht darauf an, dass er weiß, wer die Briefe im Einzelnen verschickt hat. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

FW

FW

5.11.2024, 18:31:58

Ist un

berechtigte Annahmeverweigerung

nicht etwas anderes als eine

arglistige Zugangsvereitelung

? Arglist verlangt ja nach dem allgemeinen Sprachgebrauch deutlich mehr als

Vorsatz

.

Shark

Shark

9.12.2024, 11:19:40

Es liegt ja auch mehr als

Vorsatz

vor.

Vorsatz

ist ja Wissen und Wollen. Auch bei der berechtigten Verweigerung wird die Annahme wissentlich und willentlich verweigert. Hier kommt quasi noch die "böse Absicht" dazu.

SAR84

sar84

11.11.2024, 14:25:58

Ich finde es sehr gut, dass ihr ein Hinweis zum Kommentar mit da steht. Gerne weiter so. Die Hinweise sind mir bisher noch nicht so oft unter gekommen.

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

11.11.2024, 16:46:33

Hey @[sar84](230154), vielen Dank für das Lob! :) In der

Tat

sind wir gerade verstärkt damit beschäftigt, den Content fürs Referendariat auszubauen und haben die Hinweise in diesem Zuge neu etabliert. Wir werden diese jetzt immer mehr benutzen und Schritt für Schritt auch an den einschlägigen Stellen bei bereits bestehenden Inhalten einpflegen. Dafür benötigen wir allerdings etwas Zeit – aber wir sind dran! Viele Grüße – Linne, für das Jurafuchs-Team

Shark

Shark

9.12.2024, 11:56:22

Hallo zusammen, ich finde die Aufgaben zur

Zugangsvereitelung

nicht ausreichend, um das Thema wirklich zu verstehen. Es werden nur die Fälle der berechtigten und der unberechtigten

Annahmeverweigerung

eingeübt. Komplizierter finde ich eigentlich die die Differenzierung zur unberechtigten, aber nicht

arglistig

en

Zugangsvereitelung

. Also sorgfaltswidriges Verhalten des Empfängers (+), Arglist (-), dann Anwendung der Rechtszeitigkeitsfiktion und die Frage, wann rechtzeitiger Zugang zu bejahen ist und was passiert, wenn auch nach erneutem Zustellungsversuch kein Zugang möglich ist.


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