Zugang empfangsbedürftiger Willenserklärung bei unberechtigter Annahmeverweigerung (Zugangsvereitelung)


mittel

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Klassisches Klausurproblem

S will seinem Vermieter V kündigen. Er teilt dies dem V auch telefonisch mit. Die Kündigung muss bis zum 3. des Monats erklärt werden. S will sichergehen und schickt sie als Einschreiben mit Rückschein. Postbote P will sie V am 2.3. zustellen, V verweigert die Annahme.

Einordnung des Falls

Zugang empfangsbedürftiger Willenserklärung bei unberechtigter Annahmeverweigerung (Zugangsvereitelung)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Kündigung ist in den Machtbereich des V gelangt.

Nein, das trifft nicht zu!

Empfangsbedürftige WE werden wirksam mit Zugang (§ 130 Abs. 1 S. 1 BGB). Zugang (Phase 3) liegt bei verkörperten WE vor, wenn die Erklärung so in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass er von ihr Kenntnis nehmen kann und wenn unter normalen Umständen mit der Kenntnisnahme zu rechnen ist.Da V die Kündigung nicht entgegengenommen hat, hat er keine Beherrschungsmöglichkeit erlangt. Das Einschreiben verblieb vielmehr in der Verfügungsmacht des P.

2. V muss sich nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) so behandeln lassen, als sei ihm die Kündigung im Zeitpunkt der Annahmeverweigerung zugegangen.

Ja!

Eine WE, die nicht in den Empfangsbereich der Person gelangt, für die sie bestimmt ist, kann nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) als rechtzeitig zugegangen angesehen werden (Zugangsfiktion), wenn der Adressat mit rechtserheblichen Erklärungen rechnen musste und daher Vorkehrungen dafür zu treffen hatte, dass ihn diese auch erreichen. Verweigert er die Annahme unberechtigt (arglistige Zugangsvereitelung), ist ein zweiter Zustellversuch seitens des Erklärenden offenkundig sinnlos und unzumutbar.Hier musste V mit der Kündigung rechnen und hat grundlos die Annahme verweigert. Ihm ist nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf den fehlenden Zugang zu berufen.

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SI

Simi

14.2.2020, 20:16:10

Ist dem V die Kündigung nicht bereits mündlich durch das Telefonat zugegangen?

DO

DonQuiKong

24.2.2020, 17:47:07

Nein, da wurde nur mitgeteilt, dass er kündigen möchte, jedoch nicht, dass er kündigt.

GEL

gelöscht

26.3.2020, 13:17:20

Kündigungen über Wohnraummietverhältnisse bedürfen zu ihrer Wirksamkeit nicht nur des Zugangs beim Empfänger, sondern unterliegen gem. § 568 I BGB auch dem Erfordernis der Schriftform.

Skywalker

Skywalker

22.10.2020, 02:16:51

Mich irritiert hier die Formulierung, das durch Anschauung nach Treu und Glauben die Erklärung als "rechtzeitig" angesehen wird, etwas. Es ist doch sicher gemeint, dass sie als Zugegangen gilt zu dem Zeitpunkt, als sie ohne Vereitelung zugegangen wäre. Oder? Habe diese Formulierung so auch in meinem Lehrbuch gelesen, finde sie aber etwas merkwürdig, außer es sollte wirklich so sein...?

NI

Niklas

22.10.2020, 17:34:34

Betrachtet man die Rechtsfrage abstrakt, hast du vollkommen Recht. Aufgrund der Annahmeverweigerung (Zugangsvereitelung) wird der Zugang der WE zu dem Zeitpunkt fingiert, in dem die WE ohne Vereitelung zugegangen wäre. In dem konkreten Fall, ist die WE „rechtzeitig“ zugegangen. „Rechtzeitig“ meint hierbei, dass der von S gewünschte Kündigungstermin eingehalten wurde.

ri

ri

14.8.2021, 01:09:21

Nicht 162 I BGB analog?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

6.1.2022, 10:49:09

Hallo Ri, guter Gedanke. Die Rechtsprechung stützt die Fälle des verweigerten Zugangs von Willenserklärungen indes direkt auf § 242 BGB (z.B. BGH NJW 1983, 929) und geht nicht den Weg über eine Analogie. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

QUIG

QuiGonTim

28.1.2022, 16:41:27

Kommt es für die

arglistige Zugangsvereitelung

darauf an, dass der Empfänge Kenntnis vom Absender der Erklärung und zumindest eine begründete Vermutung über deren Inhalt hat? Oder reicht es aus, wenn der Empfänger den Zugang jegliche Erläuterungen vereitelt?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

28.1.2022, 19:26:05

Hallo QuiGonTim, das macht tatsächlich keinen Unterschied. Verweigert er alle Briefe mit der Intention rechtserheblichen Erklärungen zu entgehen, dann kommt es für die Arglist nicht darauf an, dass er weiß, wer die Briefe im Einzelnen verschickt hat. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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