Ausnahme: Schriftform nicht gewahrt

6. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

Bäckermeisterin B kündigt ihrer Mitarbeiterin M am 1.6. mit Wirkung zum 31.8. Sie ist kein großer Fan von Papier und spricht die Kündigung mündlich aus. Am 1.7. wendet sich M an ihren Bruder Justus und fragt, ob sie sich hiergegen noch verteidigen könne.

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Einordnung des Falls

Ausnahme: Schriftform nicht gewahrt

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ist die mündliche ausgesprochene Kündigung wirksam?

Nein, das trifft nicht zu!

Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses bedarf der Schriftform (§ 623 BGB). Ist diese nicht gewahrt, so ist die Kündigung unwirksam (§ 125 S. 1 BGB). B hat die Kündigung lediglich mündlich erklärt. Diese Erklärung wahrt nicht erforderliche Schriftform (§§ 623, 126 BGB) und ist deshalb unwirksam.
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2. Kann sich M auf die Unwirksamkeit der Kündigung berufen, obwohl bereits ein Monat seit Erhalt der Kündigung vergangen ist?

Ja!

Es obliegt dem Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht zu erheben (§ 4 S. 1 KSchG). Unterlässt er dies, so werden etwaige Mängel der Kündigung grundsätzlich geheilt (§ 7 KSchG). Der Mangel der Schriftform kann aber auch nach Ablauf der Dreiwochenfrist geltend gemacht werden. Denn die Frist und die Wirksamkeitsfiktion beziehen sich nur auf schriftliche Kündigungen (vgl. § 4 S. 1 KSchG).B hat die Kündigung lediglich mündlich ausgesprochen. Es ist somit unschädlich, dass M hier nicht innerhalb der Dreiwochenfrist des § 4 S. 1 KSchG Klage erhoben hat.

3. M kann vor dem zuständigen Arbeitsgericht Kündigungsschutzklage erheben.

Nein!

Es fehlt bereits an der Statthaftigkeit der Kündigungsschutzklage. Die in einer Kündigungsschutzklage geltend gemachte Unwirksamkeit der Kündigung darf nicht auf mangelnde Schriftform der Kündigung gestützt werden, da § 4 KSchG für die Statthaftigkeit der Kündigungsschutzklage gerade eine schriftliche Kündigung voraussetzt (vgl. Wortlaut des § 4 S. 1 KSchG: „… nach Zugang der schriftlichen Kündigung …“). Statthafte Klageart ist daher Feststellungsklage i.S.v. § 256 ZPO. Die Kündigungserklärung ist zwar nichtig, ohne dass es einer weiteren Klärung bedarf. Allerdings ist die Frage, inwieweit weiterhin ein Arbeitsverhältnis besteht streitig und kann insoweit mittels Feststellungsklage geklärt werden.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Dolusdave

Dolusdave

23.6.2022, 11:23:12

Muss B nun M erneut schriftlich kündigen, damit die Kündigung wirksam ist?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

23.6.2022, 11:27:33

Hallo Dolusdave, in der Tat entfaltet die mündliche Kündigung keine Rechtswirkung. B muss also die schriftliche Kündigung aussprechen, wenn er M loswerden will. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

FUCH

Fuchsfrauchen

4.8.2022, 18:05:52

Gibt es eine Frist, wie lange M Zeit hat, sich gegen die mündliche Kündigung zu w

ehre

n?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

5.8.2022, 09:53:25

Hallo Fuchsfrauchen, der Ausspruch einer mündlichen Kündigung ist einer der wenigen Unwirksamkeitsgründe, der nicht der starren 3-Wochen-Frist unterliegt. Eine fixe Frist, bis wann die Kündigungsschutzklage erhoben werden kann, gibt es insofern nicht. Allerdings kann die Klage der Verwirkung unterliegen. Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeiten hindurch nicht geltend gemacht hat und der Verpflichtete sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und auch eingerichtet hat, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde (§ 242 BGB). Hierfür bedarf es also a) eines Zeitmoments und b) eines Umstandsmoments. Das LAG Berlin-Brandenburg hat hinsichtlich des Zeitmoments einmal geurteilt, dass jedenfalls 7 Monate nach Ausspruch der Kündigung ein hinreichender zeitlicher Abstand bestehen kann (s. LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 16.08.2010 - 25 Ta 1628/10 = https://gesetze.berlin.de/bsbe/document/JURE100072408). Allerdings muss zusätzlich zum Zeitablauf noch ein Umstandsmoment treten. Ein solches kann zum Beispiel das mehrfache Verlangen des Arbeitnehmers auf Herausgabe der Arbeitspapiere sein (also die Ausstellung eines Zeugnisses). Auch ohne die starre 3-Wochen-Frist kann die Klage also nicht auf ewig erhoben werden, wobei es hier eben - gerade mit Blick auf das Umstandsmoment - auf den jeweiligen Einzelfall ankommt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

FUCH

Fuchsfrauchen

6.8.2022, 17:56:25

Toll, danke!

SAUFE

Saufen_Fetzt

6.2.2023, 07:39:39

Fehlt es nicht am

Rechtsschutzbedürfnis

für eine Kündigungsschutzklage? Da nach 125 BGB nichtig, sollte es ja für den AN keinen Grund geben, sich gegen die “Kündigung” zu w

ehre

n (denn es gibt ja keine), sondern eher dann später auf Lohn zu klagen, da das ArbV weiterbesteht und AG in Annahmeverzug.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

13.2.2023, 17:22:08

Hallo Saufen_Fetzt, danke für deine Frage. Tatsächlich scheitert die Kündigungsschutzklage nicht erst am

Rechtsschutzbedürfnis

, sondern bereits an der fehlenden

Statthaftigkeit

. Eine Kündigungsschutzklage kann ausweislich des Wortlauts von § 4 S. 1 KSchG nur gegen schriftliche Kündigungserklärungen gerichtet werden.

Statthafte Klageart

ist hier eine

Feststellungsklage

i.S.v. § 256 ZPO gerichtet auf das Bestehen/Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen B und M. Wir haben die Aufgabe diesbezüglich ergänzt, sodass man das direkt mitnehmen kann. Nicht immer ist im Arbeitsrecht die Kündigungsschutzklage auch die richtige Klageart! Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

SAUFE

Saufen_Fetzt

13.2.2023, 17:27:45

Nice, danke?

SAUFE

Saufen_Fetzt

13.2.2023, 17:27:56

?=!


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