Erteilung eines Hausverbots für Parteifunktionär der NPD durch Hotelier


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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

H untersagt dem ehemaligen NPD-Bundesvorsitzenden N den Aufenthalt in ihrem Wellness-Hotel. N hält dies für gleichheitswidrig und sieht sich wegen seiner politischen Anschauung benachteiligt, bleibt aber in allen Instanzen erfolglos und wendet sich nun an das BVerfG.

Einordnung des Falls

Erteilung eines Hausverbots für Parteifunktionär der NPD durch Hotelier

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Rechtsgrundlage für das gegen N ausgesprochene Verbot ist das Hausrecht der H (§§ 858ff., 903, 1004 BGB).

Genau, so ist das!

Richtig! H ist aufgrund ihres Hausrechts grundsätzlich befugt, für das von ihr betriebene Hotel ein Hausverbot auszusprechen. Das Hausrecht beruht auf dem Grundstückseigentum oder -besitz (§§ 858ff., 903, 1004 BGB) und ermöglicht es der Inhaberin, frei darüber zu entscheiden, wem sie Zutritt gestattet und wem nicht. Der Ausübung des Haurechts dürfen aber nicht „das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen“ (§ 903 S. 1 BGB).

2. In dem Privatrechtsverhältnis zwischen N und H finden die Grundrechte des Grundgesetzes unmittelbar Anwendung.

Nein, das trifft nicht zu!

Grundrechte sind in erster Linie Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat. Es besteht grundsätzlich keine unmittelbare Grundrechtsgeltung zwischen Privatpersonen. Dort entfalten die Grundrechte ihre Wirkung nur im Wege der mittelbaren Drittwirkung. Die Grundrechte haben als objektive Grundsatznormen Ausstrahlungswirkung auf private Rechtsbeziehungen. Diese Wirkung entfaltet sich insbesondere über Generalklauseln und andere auslegungsfähige Normen. Der BGH führte in der Vorinstanz aus, die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte ergebe sich beim Hausverbot aus den zivilrechtlichen Generalklauseln der §§ 138, 242 BGB.

3. Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) enthält ein objektives Verfassungsprinzip, wonach die Rechtsbeziehungen zwischen Privaten gleichheitsgerecht zu gestalten sind.

Nein!

BVerfG: Ein solches Verfassungsprinzip sei Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu entnehmen, auch nicht im Wege der mittelbaren Drittwirkung. Es bestehe kein allgemeiner Grundsatz, wonach private Vertragsbeziehungen den Rechtfertigungsanforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes unterlägen. Ausgangspunkt sei vielmehr die Vertragsfreiheit: Jede Person könne grundsätzlich frei darüber bestimmen, mit wem sie wann unter welchen Bedingungen Verträge abschließen will. Diese Freiheit wird wiederum von der Rechtsordnung näher ausgestaltet und kann im Einzelfall auch verfassungsrechtlichen Anforderungen unterliegen (RdNr. 6).

4. Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) kann in Ausnahmefällen eine mittelbare Drittwirkung entfalten.

Genau, so ist das!

Dies ist seit der Stadionverbot-Entscheidung des BVerfG (BVerfGE 148, 267 (283f.)) aus 2018 anerkannt. Danach können sich aus Art. 3 Abs. 1 GG in spezifischen Konstellationen gleichheitsrechtliche Anforderungen in Privatrechtsverhältnissen ergeben. Dies gilt in Fällen, in denen die aus einem Monopol oder aus struktureller Überlegenheit resultierende Entscheidungsmacht dazu genutzt wird, bestimmte Personen ohne sachlichen Grund von einem bestimmten Ereignis auszuschließen (RdNr. 7). Selbst dann besteht aber kein absolutes Unterscheidungsverbot, sondern es bedarf stets eines einzelfallgerechten Ausgleichs mit entgegenstehenden Freiheitsrechten.

5. Vorliegend ist eine mittelbare Drittwirkung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) zu bejahen, da ein entsprechender Sonderfall gegeben ist.

Nein, das trifft nicht zu!

BVerfG: Die von der Rechtsprechung des BVerfG geforderte Sonderkonstellation liege hier nicht vor. Der Besuch in einem Wellness-Hotel sei keine Veranstaltung, die in erheblichem Umfang über die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben entscheidet. Zudem habe H als Hotelbetreiberin auch keine Monopolstellung oder eine strukturelle Überlegenheit. Sie betreibt nur eines von mehreren Hotels in der Umgebung (RdNr. 8).

6. Nach Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG darf niemand wegen seiner politischen Anschauung benachteiligt oder bevorzugt werden.

Ja!

Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG regelt einen besonderen Gleichheitssatz, der zwischen Privaten nicht unmittelbar anwendbar ist. Ob die Norm eine mittelbare Drittwirkung entfaltet, ist in der Rechtsprechung noch nicht geklärt. Das BVerfG sieht sich hier aber auch nicht veranlasst, dazu Stellung zu nehmen und lässt die Frage nach der Drittwirkung des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG ausdrücklich offen. Selbst wenn dies der Fall sei, bestehe kein absolutes Unterscheidungsverbot und es bedürfe eines Ausgleichs mit entgegenstehenden Freiheitsrechten. Es sei nicht ersichtlich, dass dieser Ausgleich zugunsten des N ausgehen müsste (RdNr. 11).

7. Während H in ihrer Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) und ihrer unternehmerischen Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) betroffen ist, beeinträchtigt das Hausverbot den N nur geringfügig.

Genau, so ist das!

BVerfG: N sei nur in seiner Freizeitgestaltung beeinträchtigt. Auch wurde er vorab schriftlich und damit ohne öffentliche Stigmatisierung oder Bloßstellung informiert. H hingegen sei in ihrem Hausrecht (Art. 14 Abs. 1 GG) und ihrer unternehmerischen Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) beeinträchtigt. Sie verfolge ein Geschäftskonzept, bei dem „die Erholung [...] der Gäste im Mittelpunkt steht“, und müsse befürchten, dass sich andere Gäste durch die – öffentlich bekannten – politischen Überzeugungen des N gestört fühlen. Andernfalls käme es „mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit“ zu Beschwerden, Protesten und Stornierungen (RdNr. 12f.).

8. N wird durch das Hausverbot in seinen Grundrechten verletzt.

Nein, das trifft nicht zu!

Es sei laut BVerfG eindeutig, dass vorliegend die entgegenstehende Freiheitsrechte der H überwiegen, selbst wenn man Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG eine mittelbare Drittwirkung beimisst. Es sei daher nicht erkennbar, dass die angegriffene Entscheidung der H den N in seinen Grundrechten verletzt (RdNr. 14). Wenngleich die Entscheidung vor dem Hintergrund der Privatautonomie zu begrüßen ist, lässt sie Einzelheiten zur Geltung von Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG vermissen. Ob sich daraus mittelbar möglicherweise strengere Bindungen als aus Art. 3 Abs. 1 GG (d.h. ohne das Erfordernis einer Sonderkonstellation) für das Privatrecht ergeben, bleibt abzuwarten.

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