Dritte Option

25. April 2025

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A identifiziert sich als nicht-binär. Nach dem Personenstandsgesetz muss A ein Geschlecht ins Geburtenregister eintragen. Eintragungen außer „männlich“ oder „weiblich“ sind unzulässig. A kann aber As alte Eintragung streichen lassen, was als „fehlende Angabe“ im Register erscheint.

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Einordnung des Falls

Dritte Option

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 13 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Das Grundgesetz schützt A vor staatlichen Maßnahmen, die As Persönlichkeit beeinträchtigen.

Ja, in der Tat!

Das Grundgesetz enthält ein allgemeines Persönlichkeitsrecht. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) schützt die engere persönliche Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen. Es gewährleistet dem einzelnen Grundrechtsträger einen Freiraum gegenüber dem Staat. In diesem ist der Grundrechtsträger grundsätzlich vor staatlichen Beeinträchtigungen seiner Persönlichkeit geschützt. A ist somit als Grundrechtsträger:in über Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG vor staatlichen Beeinträchtigungen ihrer Persönlichkeit geschützt.
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2. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht enthält unterschiedliche Gewährleistungsgehalte.

Ja!

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht soll sichern, dass die einzelne Person ihre Individualität selbstbestimmt entwickeln und wahren kann. Der Zuordnung zu einem Geschlecht kommt für die individuelle Identität herausragende Bedeutung zu; sie nimmt typischerweise eine Schlüsselposition sowohl im Selbstverständnis einer Person als auch dabei ein, wie die betroffene Person von anderen wahrgenommen wird. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährleistet demnach die Selbstbestimmung der geschlechtlichen Identität.

3. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt, dass A sich selbst als nicht-binär identifiziert.

Genau, so ist das!

Gerade in der Fremdwahrnehmung macht es einen erheblichen Unterschied für den Grundrechtsträger, dass er nicht als den „klassischen“ Geschlechtern zugehörig wahrgenommen wird. Dies kann - genau wie die Identifikation als männlich/weiblich - von konstitutiver Bedeutung für die Persönlichkeit sein. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt deshalb auch die geschlechtliche Identität jener Personen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen. A ordnet sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zu. Die Selbstbestimmung der geschlechtlichen Identität umfasst auch dies. Das APR schützt somit As eigene Identifikation als transgeschlechtlich.

4. Die Verwehrung der Eintragung als „divers“ beeinträchtigt As allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Schutz der geschlechtlichen Identität.

Ja, in der Tat!

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt die individuelle geschlechtliche Identifikation, inklusive der Identifikation als transgeschlechtlich. A muss positiv eine geschlechtliche Identität ins Geburtenregister eintragen lassen. Die Identifikation als „divers“, welche As eigenem geschlechtlichen Empfinden entspricht, kann A nicht eintragen lassen. A muss deshalb einen Eintrag hinnehmen, der As grundrechtlich geschützten geschlechtlichen Identität nicht entspricht. Der Schutz der ihrer geschlechtlichen Identität ist somit beeinträchtigt.

5. Die Möglichkeit der Streichung und die Betitelung als "fehlende Angabe" beseitigt die Beeinträchtigung der A in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht.

Nein!

Der Schutz der geschlechtlichen Identität verlangt die Anerkennung der dem eigenen Empfinden entsprechenden Geschlechtlichkeit Durch den offenen Geschlechtseintrag wird nicht abgebildet, dass A sich zwar nicht als Mann oder als Frau, aber auch nicht als geschlechtslos begreift. Die Möglichkeit der "fehlenden Angabe" beschreibt damit nicht, dass A nach eigenem Empfinden ein Geschlecht jenseits von männlich oder weiblich hat. Auch hierdurch ist A somit weiterhin in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt.

6. Die Verwehrung der Eintragung als transgeschlechtlich gefährdet darüber hinaus auch spezifisch die selbstbestimmte Entwicklung und Wahrung der Persönlichkeit der A.

Genau, so ist das!

Mit dem Personenstand umschreibt der Gesetzgeber die rechtlich relevante Identität einer Person. Indem er hierbei das Geschlecht einbezieht, verleiht er diesem Kriterium eine erheblich identitätsstiftende Wirkung. Dies zeigt sich beispielsweise daran, dass im Alltag der personenstandsrechtliche Geschlechtseintrag in vielen Situationen nicht einfach umgangen werden kann. Da A kein ihrem Selbstverständnis entsprechendes Geschlecht eintragen kann, wird ein Teil ihrer Identität nicht in gleichem Maße wahrgenommen wie die Identität einer männlichen oder weiblichen Person. Die selbstbestimmte Entwicklung ihrer Persönlichkeit ist hierdurch gefährdet.

7. Die Beeinträchtigungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der A lassen sich damit rechtfertigen, dass das Grundgesetz Geschlechterbinärität vorgibt.

Nein, das trifft nicht zu!

Das Grundgesetz gebietet nicht, den Personenstand hinsichtlich des Geschlechts ausschließlich binär zu regeln. Zwar spricht Art. 3 Abs. 2 S. 1 von „Männern“ und „Frauen“. Zweck der Norm ist jedoch nur geschlechtsbezogene Diskriminierung zu beseitigen. Eine abschließende begriffliche Festlegung auf ein binäres Geschlechtersystem im Recht folgt daraus aber nicht. Es bestehen keine weiteren Anhaltspunkte, dass das Grundgesetz Geschlechterbinärität vorgibt. Das Personenstandsrecht auf ein binäres Geschlechtersystem auszurichten, stellt demnach kein legitimes Ziel dar, welches eine grundrechtliche Beeinträchtigung der A rechtfertigen könnte.

8. Die grundrechtlichen Beeinträchtigungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der A lassen sich mit den Belangen Dritter rechtfertigen.

Nein!

Belange Dritter könnten grundrechtliche Beeinträchtigungen der A rechtfertigen, wenn die Eröffnung weitere Eintragungsmöglichkeiten sie selbst im Schutz ihrer geschlechtlichen Identität beeinträchtigen würde. Durch die Eröffnung einer weiteren Eintragungsmöglichkeit für transgeschlechtliche Personen wird niemand gezwungen, sich einem anderen Geschlecht als dem selbst empfunden Geschlecht zuzuordnen. Andere werden damit nicht im Schutz ihrer geschlechtlichen Identität beeinträchtigt. Belange Dritter vermögen deshalb grundrechtliche Beeinträchtigungen der A nicht zu rechtfertigen.

9. Die grundrechtlichen Beeinträchtigungen lassen sich mit dem bürokratischen Aufwand rechtfertigen, welche entstünde, wenn man die Option "divers" im Geburtenregister einführen würde.

Nein, das ist nicht der Fall!

Das staatliche Interesse an der Verhinderung des bürokratischen Aufwands müsste in einem angemessenen Verhältnis zu den grundrechtlichen Beeinträchtigung durch die Verwehrung der Eintragung „divers“ stehen. Zwar müssten die formalen und technischen Voraussetzungen zur Erfassung eines weiteren Geschlechts zunächst geschaffen werden. Gegenüber der Grundrechtsbeeinträchtigung, die es bedeutet, in der eigenen geschlechtlichen Identität durch das Recht ignoriert zu werden, wäre der durch die Ermöglichung einer einheitlichen dritten Bezeichnung verursachte Mehraufwand aber hinzunehmen.

10. Die grundrechtlichen Beeinträchtigungen lassen sich damit rechtfertigen, dass bei der Rechtsanwendung Zuordnungsprobleme hinsichtlich des Geschlechts aufträten.

Nein, das trifft nicht zu!

Die personenstandsrechtliche Registrierung trägt dazu bei, dass bei der Rechtsanwendung eine Zuordnung zum Geschlecht eindeutig erfolgt. Diese Ordnungsinteressen des Staates stellen nur einen Rechtfertigungsgrund dar, wenn sie durch die Verwehrung der Eintragung geschützt werden. . Schon die bisherige Regelung lässt den Eintrag „fehlende Angabe“ zu. Auch nach bisheriger Rechtslage können somit Zuordnungsprobleme auftreten. Die Ordnungsinteressen des Staates werden somit durch die Verwehrung der Eintragung nicht geschützt. Sie stellen somit keinen Rechtfertigungsgrund dar.

11. Die Beeinträchtigung der A in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht ist gerechtfertigt.

Nein!

Die Beeinträchtigung ist nur gerechtfertigt, wenn Rechtfertigungsgründe vorliegen. Weitere Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich. Die grundrechtliche Beeinträchtigung ist somit nicht gerechtfertigt.

12. A ist vor der Verwehrung der Eintragung zudem durch das besondere Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG geschützt.

Genau, so ist das!

Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG schützt zum einen Männer und Frauen vor Diskriminierungen wegen ihres jeweiligen Geschlechts. Zu anderen schützt das Verbot auch vor Diskriminierungen aufgrund eines nicht-binären Geschlechts. Dies ergibt sich vor allem aus dem Zweck der Regelung, welche strukturell diskriminierungsgefährdete Gruppen vor Benachteiligung schützen soll. Hierzu zählen insbesondere auch transgeschlechtliche Personen. Die Verwehrung der Eintragung benachteiligt A aufgrund ihres nicht-binären Geschlechts. Hiervor ist sie durch Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG geschützt.

13. Die Benachteiligung der aufgrund des Geschlechts verstößt gegen Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG.

Ja, in der Tat!

Es kommen die gleichen Rechtfertigungsgründe in Frage wie hinsichtlich der Beeinträchtigung der A in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Alle in Frage kommenden Rechtfertigungsgründen können aus denselben Gründen wie im Rahmen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts die Benachteiligung nicht rechtfertigen. Die Benachteiligung ist damit nicht gerechtfertigt und verstößt gegen Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG.
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