Erteilung der Handlungsvollmacht, § 54 Abs. 1 HGB (Duldungsvollmacht)


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Kaufmann K betreibt ein Obst- und Gemüsegeschäft. Tochter T hilft regelmäßig aus und tätigt für K seit einiger Zeit Einkäufe bei Händler H. K ist sich dessen bewusst, äußert sich dazu aber nie. H denkt, T sei bevollmächtigt. Eines Tages kauft T bei H namens des K ein neues Laptop.

Einordnung des Falls

Erteilung der Handlungsvollmacht, § 54 Abs. 1 HGB (Duldungsvollmacht)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K hat T konkludent Handlungsvollmacht erteilt (§ 54 Abs. 1 HGB, § 167 Abs. 1 BGB).

Nein!

Handlungsvollmacht kann durch den Geschäftsinhaber, einen Prokuristen oder einen Handlungsbevollmächtigten erteilt werden (§ 54 Abs. 1 HGB). Sie kann ausdrücklich oder konkludent erteilt werden (§ 167 Abs. 1 BGB). Eine konkludente Erteilung kann insbesondere in der Übertragung von Aufgaben liegen, deren Erfüllung typischerweise Handlungsvollmacht erfordert. K hat sich in keiner Weise geäußert. Dem kann keine konkludente Vollmachterteilung entnommen werden.

2. T hat Handlungsvollmacht kraft Rechtsschein (Duldungsvollmacht) (§ 54 Abs. 1 HGB).

Genau, so ist das!

Handlungsvollmacht kann als Duldungs- oder Anscheinsvollmacht bestehen. Duldungsvollmacht setzt voraus: (1) Der Vertreter tritt von gewisser Dauer und Häufigkeit im Namen des Geschäftsherrn auf (Rechtsschein), (2) der Geschäftsherr ist geschäftsfähig, kennt und duldet das Verhalten (Zurechenbarkeit), (3) der Geschäftsgegner nimmt eine Disposition im Vertrauen auf den Rechtsschein vor (Kausalität) und (4) ist gutgläubig. Aus H‘s Sicht entstand aufgrund des bewussten Duldens durch K der Rechtsschein, dass T bevollmächtigt ist. Der Rechtsschein ist K zurechenbar, da er Kenntnis vom Tun der T und die vorhandene Möglichkeit zum Einschreiten nicht genutzt hat. H war gutgläubig und hat im Vertrauen auf die Vollmacht den Kaufvertrag geschlossen.

3. T hat (Duldungs-) Generalhandlungsvollmacht (§ 54 Abs. 1 Var. 1 HGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Es gibt drei Formen der Handlungsvollmacht: Generalhandlungsvollmacht, Arthandlungsvollmacht und Spezialhandlungsvollmacht (§ 54 Abs. 1 HGB). Welche handelsrechtliche Vollmacht erteilt werden soll, ist durch Auslegung der Erteilungserklärung zu ermitteln (§§ 133, 157 BGB). Generalhandlungsvollmacht ermächtigt zu allen Geschäften und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines derartigen Handelsgewerbes gewöhnlich mit sich bringt. Maßgeblich ist Branchenüblichkeit, auf das konkrete Unternehmen kommt es nicht an. T hat bisher immer nur Einkäufe für K vorgenommen. Es liegt keine Duldungsvollmacht mit dem weiten Umfang einer Generalhandlungsvollmacht vor.

4. T hat (Duldungs-) Arthandlungsvollmacht (§ 54 Abs. 1 Var. 2 HGB).

Ja!

Die Arthandlungsvollmacht ist auf eine bestimmte Art zum Handelsgewerbe gehörender Geschäfte beschränkt (§ 54 Abs. 1 Var. 2 HGB). Die Beschränkung kann sich beispielsweise auf eine bestimmte Gattung von Geschäften, bestimmte Vertragstypen, eine Zeitspanne oder einen Ort beziehen. Anknüpfungspunkt für den Umfang der Vertretungsmacht kann die nach außen kommunizierte Funktion des Vertreters sein. T hat für K bisher immer nur den Einkauf vorgenommen. T‘s Duldungsvollmacht umfasst daher nur Geschäfte, welche diesem Aufgabenbereich zuzuordnen sind.

5. Der Kauf des Laptops ist vom Umfang der (Duldungs-) Arthandlungsvollmacht gedeckt (§ 54 Abs. 1 Var. 2 HGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Handlungsvollmacht umfasst Geschäfte und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines derartigen Handelsgewerbes gewöhnlich mit sich bringt (§ 54 Abs. 1 HGB). Hierfür kommt es auf Branche, Art und Größe des Unternehmens an. Arthandlungsvollmacht ist auf eine bestimmte Art zum Handelsgewerbe gehörender Geschäfte beschränkt (§ 54 Abs. 1 Var. 2 HGB). T hat für K bisher immer nur den Einkauf vorgenommen und daher (Duldungs-) Arthandlungsvollmacht, welche auf diese Art von Geschäften beschränkt ist. Der Kauf eines Laptops ist ein Geschäft dieser Art. Jedoch ist dies kein Geschäft, das der Betrieb eines Obst- und Gemüsegeschäfts gewöhnlich mit sich bringt. Es fehlt an der Branchenüblichkeit.

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AlsObH

AlsObH

11.1.2024, 11:15:56

in welchem Punkt empfiehlt es sich, wenn man das Vorliegen einer Duldungsvollmacht prüft, auf die Formen der Vollmacht einzugehen? bei Punkt 4 (Gutgläubigkeit) oder danach, wenn ich das Vorliegen einer Duldungsvollmacht angenommen habe? oder wo ganz anders

Nora Mommsen

Nora Mommsen

11.1.2024, 11:45:21

Hallo AlsObH, es kommt natürlich immer darauf an, was du gerade prüfst. Prüfst du beispielsweise einen Zahlungsanspruch des H muss zunächst ein Vertrag zustande gekommen sein. Dies erfordert zwei korrespondierende Willenserklärungen (§§ 145 ff. BGB). Eine eigene WE des Vaters liegt nicht vor. Die Willenserklärung der Tochter könnte aber gem. § 164 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 BGB unmittelbar für und gegen den Vater wirken. (1) Die Stellvertretung ist zulässig. Es liegt eine (2) eigene WE der Tochter vor. Dann Handeln der Tochter (3) mit Vertretungsmacht. Dazu müsste (a) Vertretungsmacht bestehen. Dies kann durch Vollmachtserteilung, gesetzliche Vertretungsmacht oder Gutglaubensschutz bestehen. An dieser Stelle kommt dann z.B. Anscheins- und Duldungsvollmacht ins Spiel. Dann muss (b) im Rahmen der Vertretungsmacht gehandelt worden sein, also die Grenzen dürfen nicht überschritten worden sein. Dafür muss zunächst der Umfang bestimmt werden, also ob es sich um Einzel-, Generell, ne Artvollmacht handelt und so weiter und in einem zweiten Schritt, ob das konkrete Geschäft darunter fällt. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

AlsObH

AlsObH

11.1.2024, 12:52:42

Vielen lieben Dank, die Unterteilung von (3) in (a) vorliegen der Vertretungsmacht und (b) im Rahmen der Vertretungsmacht war genau das, was mir unklar war!

FUCH

Fuchsfrauchen

19.6.2024, 23:54:17

Irgendwie tue ich mich ein bisschen schwer damit, dass ein Laptopkauf nicht branchenüblich ist. Ich denke, jedes Handelsgeschäft braucht Laptops/Computer, um am Markt zu agieren. Wenn sie eine Handlungsvollmacht (oder zum Schein) als Einkäuferin hat, liegt das mE nicht so fern!? Oder ist das so restriktiv auszulegen, dass hier nur Obst und Gemüse i.O. wären?

Rechtsanwalt B. Trüger

Rechtsanwalt B. Trüger

22.7.2024, 13:14:53

Das liegt hier mMn daran, dass die Tochter nur eine Arthandlungsvollmacht und keine Generalhandlungsvollmacht hat. Demnach kann sie nur Geschäfte der Art vornehmen, welche sie bereits getätigt hat - hier Obst & Gemüse. Hätte sie eine Generalhandlungsvollmacht (durch Duldung) erhalten, hätte der Laptop schätze ich dazu gezählt.

FUCH

Fuchsfrauchen

22.7.2024, 22:47:54

Ja, du hast recht. Ich frage mich, ob es nicht sogar eine Spezialhandlungsvollmacht sein könnte, da sie nur Einkäufe bei H macht und nicht generell.


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