Umfang der Handlungsvollmacht, Generalhandlungsvollmacht, § 54 Abs. 1 Var. 1 HGB


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Bauunternehmerin B erklärt ihrer treuen Mitarbeiterin M, sie wolle M zu ihrer rechten Hand machen. M soll alle Geschäfte und Handlungen, die mit dem Bauunternehmen zusammenhängen, selbst durchführen können. Wenig später bestellt M bei L einen Baukran für €250.000.

Einordnung des Falls

Umfang der Handlungsvollmacht, Generalhandlungsvollmacht, § 54 Abs. 1 Var. 1 HGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Jede Vollmacht, die in einem Handelsgewerbe erteilt wird, die keine Prokura ist, ist eine Handlungsvollmacht (§ 54 Abs. 1 HGB).

Genau, so ist das!

Jede in einem Handelsgewerbe erteilte Vollmacht, die keine Prokura ist, ist eine Handlungsvollmacht (§ 54 Abs. 1 HGB). Diese kann durch den Geschäftsinhaber selbst, einen Prokuristen oder einen anderen Handlungsbevollmächtigten erteilt werden (§ 54 Abs. 1 HGB). Nach herrschender Meinung ist die Kaufmannseigenschaft des Vertretenen nicht erforderlich. Die Handlungsvollmacht wird durch einseitig empfangsbedürftige Willenserklärung gegenüber dem Vertreter (= Innenhandlungsvollmacht, § 167 Abs. 1 Alt. 1 BGB) oder gegenüber dem Dritten (=Außenhandlungsvollmacht, § 167 Abs. 1 Alt. 2 BGB) erteilt. Sie kann ausdrücklich oder konkludent erklärt werden oder durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen.

2. B hat M Handlungsvollmacht erteilt (§ 54 Abs. 1 HGB).

Ja, in der Tat!

Handlungsvollmacht kann durch den Geschäftsinhaber selbst, einen Prokuristen oder einen Handlungsbevollmächtigten erteilt werden (§ 54 Abs. 1 HGB). Die Kaufmannseigenschaft des Vertretenen ist nicht zwingend erforderlich. Die Erteilung erfolgt nach den bürgerlich rechtlichen Vorschriften (§ 167 BGB). Die Handlungsvollmacht ist (im Gegensatz zur Prokura) auf branchenübliche Geschäfte und Handlungen beschränkt (=gewöhnliche Geschäfte) (§ 54 Abs. 1 HGB). B ist Inhaberin des Bauunternehmens. Der ausdrücklichen Erklärung gegenüber M (§ 167 Abs. 1 Alt. 1 BGB), ist eine Vollmachterteilung zu entnehmen. Die Beschränkung auf Geschäfte, die zum Bauunternehmen gehören, spricht gegen Prokura und für eine Handlungsvollmacht.

3. B hat M Generalhandlungsvollmacht erteilt (§ 54 Abs. 1 Var. 1 HGB).

Ja!

Es gibt drei Formen der Handlungsvollmacht: Generalhandlungsvollmacht, Arthandlungsvollmacht und Spezialhandlungsvollmacht (§ 54 Abs. 1 HGB). Welche handelsrechtliche Vollmacht erteilt werden soll, ist durch Auslegung der Erteilungserklärung zu ermitteln (§§ 133, 157 BGB). Generalhandlungsvollmacht ermächtigt zu allen Geschäften und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines derartigen Handelsgewerbes gewöhnlich mit sich bringt. Maßgeblich ist Branchenüblichkeit, auf das konkrete Unternehmen kommt es nicht an. M soll alle Geschäfte und Handlungen, die mit dem Bauunternehmen zusammenhängen, selbst durchführen können. Die Vollmacht soll weitreichend und zugleich auf gewöhnliche, branchenübliche Geschäfte beschränkt sein.

4. Durch die Bestellung der Baukräne hat M eine eigene Willenserklärung abgegeben (§ 164 Abs. 1 BGB).

Genau, so ist das!

Der Vertreter muss eine eigene, wirksame Willenserklärung abgeben (§ 164 Abs. 1 S. 1 BGB). Erforderlich ist, dass er zumindest beschränkt geschäftsfähig ist (§ 165 BGB). Durch die Abgabe einer eigenen Erklärung unterscheidet er sich vom Boten, der lediglich eine fremde Willenserklärung überbringt. Durch die Bestellung des Baukrans hat M dem L ein Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrag über einen Baukran zum Preis von €250.000 unterbreitet (§ 433 BGB).

5. M hat die Bestellung im Namen der Bauunternehmerin B aufgegeben (§ 164 Abs. 1 BGB).

Ja, in der Tat!

Der Vertreter muss die Erklärung im Namen des Vertretenen abgeben (Offenkundigkeitsprinzip), damit für den Rechtsverkehr klar wird, wer Vertragspartei sein soll. Der Wille, in fremdem Namen zu handeln, kann sich aus ausdrücklicher Erklärung oder aus den Umständen ergeben (§ 164 Abs. 1 S. 2 BGB). Bei unternehmensbezogenen Geschäften ist davon auszugehen, dass der Unternehmensträger verpflichtet werden soll. M hat bei L einen Baukran bestellt. Aus dem Umstand, dass ein Baukran bestellt wird und M Mitarbeiterin des Bauunternehmens ist, ergibt sich, dass M den Baukran nicht für ihren Privatgebrauch bestellt.

6. M handelte bei der Bestellung des Baukrans mit Vertretungsmacht (§ 164 Abs. 1 S. 1 BGB).

Ja!

Generalhandlungsvollmacht ermächtigt zu allen Geschäften und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines derartigen Handelsgewerbes gewöhnlich mit sich bringt (§ 54 Abs. 1 Var. 1 HGB). Maßgeblich ist Branchenüblichkeit. Die Geschäfte müssen den Betrieb des Handelsgewerbes betreffen. Grundlagengeschäfte und Inhabergeschäfte sind nicht umfasst. Auch die Veräußerung und Belastung von Grundstücken, die Eingehung von Wechselverbindlichkeiten, die Aufnahme von Darlehen und die Prozessführung sind nicht umfasst, sofern keine besondere Erlaubnis hierzu erteilt ist (§ 54 Abs. 2 HGB). Der Kauf von Baumaschinen wie Baukränen ist ein gewöhnliches Geschäft für den Betrieb eines Bauunternehmens.

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ri

ri

12.8.2021, 21:37:51

Merkbild um sich die Fachbegriffe zur Handlungsvollmacht zu merken: Prokurist drückt Mitarbeiter VOLL MÄCHTIGEN *Spargel* in die HAND (Handlungsvollmacht): Sp = SpezialHV Ar = ArtHB Gel = GeneralHV

Nils

Nils

1.2.2024, 06:59:29

Ich finde die Eselsbrücke ziemlich gut. Erteilen kann die Handlungsvollmacht aber nicht nur ein Prokurist, sonder auch der Inhaber des Handelsgeschäfts (Kaufmann), ein Prokurist, der gesetzliche Vertreter (z.B. Geschäftsführer) aber auch ein anderer Handlungsbevollmächtigter, sofern dessen Bevollmächtigung die Erteilung anderer Vertretungsmachten einschließt. Es müsste statt Prokurist in deiner Eselsbrücke dann wohl eher „Ermächtigter“ oder so heißen, was zugegebenermaßen weniger charmant klingt 🙃

Nils

Nils

1.2.2024, 07:03:26

*sorry die Kaufmannseigenschaft ist ja nicht zwingend erforderlich

Lord Denning

Lord Denning

26.6.2024, 11:15:56

Die analoge Anwedung von § 54 I auf Geschäfte die kein Handelsgeschäft darstellen, bedürfte doch eine planwidrigen Lücke. Was wäre die planwidrige Lücke? Eine normale Vollmacht kann auch so schon verteilt werden, einzig die Vermutung zur Gesamhandlungsvollmacht in § 54 I a.E. wäre doch neu. Hat da jemand eine Ahnung? Vielen Dank schon mal im Voraus


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