Auf sonstige Weise der Freiheit berauben: Vortäuschen, beim Verlassen des Raumes werde das Gebäude in die Luft gesprengt.


+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Als die Bankangestellte O ihr Büro in der Bank des T pünktlich zum Feierabend verlassen will, erklärt T ihr wahrheitswidrig, dass das Gebäude in die Luft gesprengt wird, sobald sie ihr Büro verlässt. O wähnt sich in Lebensgefahr und bleibt daraufhin im Raum.

Einordnung des Falls

Auf sonstige Weise der Freiheit berauben: Vortäuschen, beim Verlassen des Raumes werde das Gebäude in die Luft gesprengt.

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Indem T angekündigt hat, dass das Gebäude beim Verlassen der O gesprengt wird, hat er O "eingesperrt" (§ 239 Abs. 1 Var. 1 StGB).

Diese Rechtsfrage lösen [...Wird geladen] der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.

...Wird geladen

Nein!

"Einsperren" bedeutet, jemanden durch äußere Vorrichtungen am Verlassen eines umschlossenen Raumes zu hindern. Die Ausgänge des umschlossenen Raumes können mechanisch oder elektronisch verschlossen, durch Hindernisse oder durch Bewachung versperrt sein. Dies kann auch durch einen anderen Menschen geschehen. T hat den Ausgang der Filiale nicht verschlossen.

2. Indem T angekündigt hat, dass das Gebäude beim Verlassen der O gesprengt wird, hat er die O "auf andere Weise" ihrer Freiheit beraubt (§ 239 Abs. 1 Var. 2 StGB).

Diese Rechtsfrage lösen [...Wird geladen] der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.

...Wird geladen

Genau, so ist das!

Die Freiheitsberaubung "auf andere Weise" umfasst jedes Tun oder Unterlassen, durch das die Fortbewegung vollständig verhindert wird. Als Tatmittel kommt alles, was tauglich ist, einem anderen die Möglichkeit der Fortbewegung zu nehmen, in Betracht. Gewalt, Drohung und List sind taugliche Tatmittel, wenn sie eine psychische Barriere beim Opfer bewirken. Drohung ist die Ankündigung einer aus Tätersicht abhängig dargestellten Übelszufügung. Wegen der Eigenbedeutung des § 239 StGB ist zu beachten, dass die bloße Drohung mit einem empfindlichen Übel (§ 240 Abs. 1 Var. 2 StGB) – z.B. Kündigung der Wohnung – nicht ausreicht. Erfasst wird nur die Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, da im Falle der Drohung mit einem empfindlichen Übel die Fortbewegung für den Adressaten zumutbar bleibt. T erklärt, dass das Gebäude beim Verlassen der O gesprengt wird.

Jurafuchs kostenlos testen


ri

ri

15.8.2021, 01:09:56

Die Freiheitsberaubung auf andere Weise durch Unterlassen erfordert aber eine Garantenstellung?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

6.1.2022, 10:42:09

Hallo ri, in der Tat bedarf es hierfür einer Garantenstellung. Eine solche hat der BGH zB in einem Fall angenommen, in dem sich ein Autofahrer verpflichtet hatte, eine Bekannte nach Hause zu fahren. Im weiteren Verlauf unterließ er es dann anzuhalten und sie herauszulassen (vgl. BGH, Urt. v. 20.11.1961 - 2 StR 472/61). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


© Jurafuchs 2023