Persönliche Haftung der GbR Gesellschafter

20. Mai 2025

11 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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inkl. MoPeG

Die Brüder B1 und B2 betreiben die Cloud-GbR, in der sie Cloud-Speicher für Studenten anbieten. B1 ist alleinvertretungsberechtigt und bestellt bei V neue Festplatten, laut Vertrag „für die Cloud-GbR“. Die GbR ist jedoch vermögenslos.

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Einordnung des Falls

Persönliche Haftung der GbR Gesellschafter

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Cloud-GbR ist Schuldner des Kaufpreiszahlungsanspruchs (§ 433 Abs. 2 BGB) des V.

Genau, so ist das!

Eine Gesellschaftsschuld setzt stets voraus, dass (1) eine rechtsfähige Gesellschaft existiert und (2) diese wirksam verpflichtet wurde. (1) Mit der Cloud-GbR existiert eine rechtsfähige Außen-GbR. (2) Der alleinvertretungsberechtigte B1 handelte im Namen der Cloud-GbR, sodass er sie bei Abschluss des Kaufvertrages wirksam vertreten hat (§§ 164 Abs. 1, 720 Abs. 1 BGB). Der von B1 abgeschlossene Kaufvertrag wirkt daher für und gegen die Cloud-GbR und V kann von der Cloud-GbR Zahlung des Kaufpreises verlangen (§ 433 Abs. 2 BGB).Nach § 714 BGB a.F. war die Vertretungsbefugnis an die Geschäftsführungsbefugnis „gekoppelt“. Sie sollte im Zweifel soweit reichen, wie die Geschäftsführungsbefugnis. Nunmehr ist sie in § 720 BGB n.F. eigenständig geregelt.
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2. Zusätzlich zur Cloud-GbR wurden die Gesellschafter selbst verpflichtet, sodass diese deshalb wegen ihrer eigenen Verpflichtung ebenfalls den Kaufpreis schulden (§ 721 S. 1 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Früher wurde vertreten, dass der handelnde Gesellschafter nicht nur die Gesellschaft verpflichte, sondern daneben auch sich selbst und vertretungsweise die übrigen Gesellschafter (Doppelverpflichtungslehre). Dagegen spricht insbesondere, dass diese Sichtweise zu einer konstruierten Vielzahl fiktiver Willenserklärungen führt, nur um das gewünschte Ergebnis (Doppelverpflichtung) zu erreichen. Diese Willenserklärungen haben jedoch im Bewusstsein der Handelnden keine Grundlage. Nach der h.M., die durch das MoPeG nun auch gesetzlich kodifiziert wurde (§§ 721 ff. BGB), wird daher ausschließlich die GbR vertreten.

3. Weil die Gesellschafter nicht selbst beim Vertragsschluss verpflichtet werden, haften sie auch nicht für den Kaufpreiszahlungsanspruch.

Nein!

Heute gilt die Akzessorietätslehre: Die Haftung der Gesellschaft gegenüber Dritten führt immer zu einer akzessorischen (= abgeleiteten) Haftung der Gesellschafter. Gesetzlicher Ausdruck dieses Konzepts sind die §§ 721 ff. BGB. Diese Haftung ist (1) der Höhe nach unbeschränkt, (2) akzessorisch, also in ihrem Bestand von der Gesellschaftsschuld abhängig und (3) primär (= nicht subsidiär), der Gläubiger muss also nicht zunächst die GbR in Anspruch nehmen. Die Cloud-GbR ist Schuldnerin des Kaufpreiszahlungsanspruchs des V (= Gesellschaftsschuld). Für diese Gesellschaftsschuld haften die Gesellschafter der Cloud-GbR – B1 und B2 – akzessorisch, d.h. sie können gem. §§ 433 Abs. 2, 721 S. 1 BGB ebenfalls von V in Anspruch genommen werden.Die Haftungsvorschriften der §§ 721 ff. BGB wurden mit dem MoPeG zum 1.1.2024 neu ins Gesetz aufgenommen. Zuvor wurden die für die OHG geltenden Vorschriften (§§ 128 ff. HGB a.F.) analog auf die GbR angewandt.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

AS

ash27

9.4.2023, 08:41:37

Also gibt es im Endergebnis zwischen der Doppelverpflichtungslehre und der

Akzessorietät

slehre keinen Unterschied aus Gläubigersicht? Er kann sich in beiden Fällen an Gesellschaft oder Gesellschafter richten, oder?

ENU

ehemalige:r Nutzer:in

31.5.2024, 18:06:54

Im Ergebnis macht es keinen Unterschied, dogmatisch sollte man da aber schon streng unterscheiden. Nach der DVL

ware

n die Gesellschafter gleichermaßen

Schuld

ner der Leistung (eigene Verbindlichkeit der Gesellschafter wurde konstruiert zusätzlich zur inhaltlich gleichen Verbindlichkeit der Gesellschaft) wie die Gesellschaft. Die AGL wäre dann z.B. nur § 433 II BGB mit I. Verbindlichkeit der Gesellschafter gem. § 433 II I.V.m. § 1

28 HGB

analog II. Ergebnis: § 433 II gegen Gesellschafter (+) und gegen GbR auch (+). Das ist bei der

Akzessorietät

slehre anders:

Schuld

ner der Leistung ist allein die Gesellschaft (die von den Gesellschaftern gem. § 164 I BGB lediglich vertreten wurde), nur bei der Haftung treten die Gesellschafter für die Leistung ein. Die AGL ist dann §§ 433 II, 721 S. 1 BGB und zu prüfen ist dann I. Gesellschafts

schuld

(Verbindlichkeit der GbR selbst (!!) -> 433 II, 705 II BGB) und II. Haftung der Gesellschafter gem. § 721 S. BGB III. Ergebnis: Gesellschafter haften für die Verbindlichkeit der GbR (!), Gläubiger kann die Kaufpreiszahlung primär von den Gläubigern als Gesamt

schuld

ner verlangen.


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