Persönliche Haftung der GbR Gesellschafter

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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inkl. MoPeG

Die Brüder B1 und B2 betreiben die Cloud-GbR, in der sie Cloud-Speicher für Studenten anbieten. B1 ist alleinvertretungsberechtigt und bestellt bei V neue Festplatten, laut Vertrag „für die Cloud-GbR“. Die GbR ist jedoch vermögenslos.

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Einordnung des Falls

Persönliche Haftung der GbR Gesellschafter

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Cloud-GbR ist Schuldner des Kaufpreiszahlungsanspruchs (§ 433 Abs. 2 BGB) des V.

Genau, so ist das!

Eine Gesellschaftsschuld setzt stets voraus, dass (1) eine rechtsfähige Gesellschaft existiert und (2) diese wirksam verpflichtet wurde. (1) Mit der Cloud-GbR existiert eine rechtsfähige Außen-GbR. (2) Der alleinvertretungsberechtigte B1 handelte im Namen der Cloud-GbR, sodass er sie bei Abschluss des Kaufvertrages wirksam vertreten hat (§§ 164 Abs. 1, 720 Abs. 1 BGB). Der von B1 abgeschlossene Kaufvertrag wirkt daher für und gegen die Cloud-GbR und V kann von der Cloud-GbR Zahlung des Kaufpreises verlangen (§ 433 Abs. 2 BGB).Nach § 714 BGB a.F. war die Vertretungsbefugnis an die Geschäftsführungsbefugnis „gekoppelt“. Sie sollte im Zweifel soweit reichen, wie die Geschäftsführungsbefugnis. Nunmehr ist sie in § 720 BGB n.F. eigenständig geregelt.
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2. Zusätzlich zur Cloud-GbR wurden die Gesellschafter selbst verpflichtet, sodass diese deshalb wegen ihrer eigenen Verpflichtung ebenfalls den Kaufpreis schulden.

Nein, das trifft nicht zu!

Früher wurde vertreten, dass der handelnde Gesellschafter nicht nur die Gesellschaft verpflichte, sondern daneben auch sich selbst und vertretungsweise die übrigen Gesellschafter (Doppelverpflichtungslehre). Dagegen spricht insbesondere, dass diese Sichtweise zu einer konstruierten Vielzahl fiktiver Willenserklärungen führt, nur um das gewünschte Ergebnis (Doppelverpflichtung) zu erreichen. Diese Willenserklärungen haben jedoch im Bewusstsein der Handelnden keine Grundlage. Nach der herrschenden Auffassung, die durch das MoPeG nun auch gesetzlich kodifiziert wurde (§§ 721 ff. BGB), wird daher ausschließlich die GbR vertreten.

3. Weil die Gesellschafter nicht selbst beim Vertragsschluss verpflichtet werden, haften sie auch nicht für den Kaufpreiszahlungsanspruch.

Nein!

Heute gilt die Akzessorietätslehre: Die Haftung der Gesellschaft gegenüber Dritten führt immer zu einer akzessorischen (= abgeleiteten) Haftung der Gesellschafter. Gesetzlicher Ausdruck dieses Konzepts sind die §§ 721 ff. BGB. Diese Haftung ist (1) der Höhe nach unbeschränkt, (2) sie ist akzessorisch, also in ihrem Bestand von der Gesellschaftsschuld abhängig und (3) primär (= nicht subsidiär), der Gläubiger muss also nicht zunächst die GbR in Anspruch nehmen. Die Cloud-GbR ist Schuldnerin des Kaufpreiszahlungsanspruchs des V (= Gesellschaftsschuld). Für diese Gesellschaftsschuld haften die Gesellschafter der Cloud-GbR – B1 und B2 – akzessorisch, d.h. sie können gem. §§ 433 Abs. 2, 721 S. 1 BGB ebenfalls von V in Anspruch genommen werden.Die Haftungsvorschriften der §§ 721 ff. BGB wurden mit dem MoPeG zum 1.1.2024 neu ins Gesetz aufgenommen. Zuvor wurden die für die OHG geltenden Vorschriften (§§ 128 ff. HGB a.F.) analog auf die GbR angewandt.
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