+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Die Crypto-GbR besteht aus den Schwestern S1 und S2 sowie dem Freund F der S2. Kraft Gesellschaftsvertrages jeder Gesellschafter zur Erbringung einer Einlage in Höhe von €5.000 verpflichtet, die jedoch F noch nicht erbracht hat. Trotz Aufforderung durch S1 weigert sich die alleingeschäftsführungsbefugte S2, ihren Freund F auf Leistung der Einlage zu verklagen.
Einordnung des Falls
actio pro socio
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. F schuldet S1 und S2 jeweils €2.500.
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Nein!
Der Anspruch auf Leistung der Einlage steht nicht den Gesellschaftern der GbR, sondern der GbR selbst zu. Dies ergibt sich aus § 705 BGB, der zeigt, dass die Beitragspflicht der Förderung der Gesellschaft dienen soll, und aus § 718 BGB, wonach die Beiträge zum Gesellschaftsvermögen gehören. F schuldet nicht S1 und S2 die Einlage, sondern der Gesellschaft. Umgekehrt können S1 und S2 nicht Leistung an sich selbst verlangen, sondern der Anspruch steht allein der Gesellschaft zu.
2. Grundsätzlich muss die alleingeschäftsführungsbefugte S2 den Anspruch gegen F für die Gesellschaft geltend machen.
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Genau, so ist das!
Ansprüche der Gesellschaft gegen einen Gesellschafter sind Sozialansprüche. Sozialansprüche werden durch die Gesellschaftsorgane für die Gesellschaft geltend gemacht. Es handelt sich dabei um eine Geschäftsführungsmaßnahme. Im Innenverhältnis darf derjenige die Geschäftsführungsmaßnahme vornehmen, wer zur Geschäftsführung befugt ist (vgl. §§ 709ff. BGB); im Außenverhältnis kann derjenige wirksam tätig werden, kann derjenige vornehmen, wer Vertretungsmacht hat (§ 714 BGB). S2 ist alleingeschäftsführungsbefugt und damit vertretungsberechtigt und kann somit vorgehen. S1 hingegen fehlt beides, sodass sie grundsätzlich nicht gegen F vorgehen, ihn also auch nicht verklagen könnte.
3. Solange S2 nicht gegen F vorgeht, kann der Anspruch der Gesellschaft von niemandem durchgesetzt werden.
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Nein, das trifft nicht zu!
Inhaber des Anspruchs von Sozialansprüchen ist zwar die Gesellschaft. Nach allgemeiner Ansicht dürfen jedoch ausnahmsweise auch die Gesellschafter im eigenen Namen das fremde Recht der Gesellschaft klageweise geltend machen (actio pro socio). Voraussetzung dafür ist, dass die in erster Linie zuständigen geschäftsführenden Gesellschafter trotz Aufforderung untätig bleiben oder eine solche Aufforderung keinen Erfolg verspricht, weil die geschäftsführenden Gesellschafter selbst Schuldner der Sozialansprüche sind. Der Anspruch der Gesellschaft kann ausnahmsweise auch durch andere, nicht geschäftsführungsbefugte Gesellschafter wie S1 geltend gemacht werden (actio pro socio).
4. Die actio pro socio ist ein Fall der Prozessstandschaft.
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Ja!
Prozessführungsbefugt ist grundsätzlich derjenige, der im eigenen Namen ein eigenes Recht geltend macht. Wird im eigenen Namen ein fremdes Recht geltend gemacht, spricht man von einer Prozessstandschaft. Bei der actio pro socio macht der Gesellschafter im eigenen Namen das fremde Recht der Gesellschaft geltend. Dabei handelt es sich nach hM um eine gesetzliche Prozessstandschaft und nicht um eine gewillkürte, weil letztere ansonsten abdingbar wäre.
5. Geht S1 im Wege der actio pro socio vor, erhält sie auch die Leistung selbst.
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Nein, das ist nicht der Fall!
Bei der actio pro socio ist der Gesellschafter zwar zur klageweisen Geltendmachung im eigenen Namen befugt, d.h. er darf selbst im eigenen Namen klagen (Zulässigkeit -> Prozessführungsbefugnis). Der Sozialanspruch selbst steht jedoch ausschließlich der Gesellschaft zu. Die Klage ist deshalb nur dann begründet, wenn der klagende Gesellschafter Leistung an die Gesellschaft und nicht an sich selbst verlangt (Begründetheit -> Aktivlegitimation). S muss im eigenen Namen klagen, aber Leistung an die Crypto-GbR beantragen.